Das Jahr 2023 ist in Bayern bekanntlich Wahlkampfzeit. Die Landtagswahl steht an, die Spitzenkandidaten sind nominiert, und so bringen sich die Parteien so langsam für den nächsten Akt in Stellung. Zum einen bedeutet das, die Politprominenz aufzufahren. Namen mit Zugkraft also, die um die Gunst der Wählerschaft werben sollen. Die CSU bietet an diesem Sonntag Parteivize und EU-Parlamentarier Manfred Weber auf, der beim Neujahrsempfang in Tutzing spricht. Die örtliche SPD hatte am Donnerstag den zweimaligen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl Franz Maget in Feldafing zu Gast. Es geht also wieder los. Und je näher der Wahltag rückt, desto mehr suchen die Parteien die Öffentlichkeit, um ihre Positionen zu vertreten - und untereinander Meinungsverschiedenheiten auszutragen.
Im Landkreis Starnberg scheint sich der politische Disput dabei vor allem um die Integration der Geflüchteten zu drehen. In einer Pressemitteilung kritisierten die Grünen in dieser Woche Landrat Stefan Frey (CSU) stellvertretend für den Umgang seiner Partei mit Geflüchteten, die nicht aus der Ukraine stammen. "Der Wahlkampf in Bayern hat begonnen - und die CSU setzt offensichtlich erneut darauf, einen großen Teil davon auf dem Rücken der Schwächsten auszutragen", erklärte Kreissprecherin Verena Machnik.
Durch die Fokussierung auf die Unterbringung der Geflüchteten kämen andere Themen zu kurz, finden die Grünen
Unter anderem Grund für Machniks Unmut: Freys Auftreten in einem kürzlich erschienenen Beitrag in der Bild-Zeitung. Gemeinsam mit Amtskollegen aus ganz Deutschland beklagte Frey darin eine Überforderung der Kommunen und fehlende Unterstützung des Bundes bei der Unterbringung von Geflüchteten. "Frau Innenministerin Faeser kann bei uns gerne ein Praktikum machen, dann würde sie sehen, was hier zurzeit abläuft", sagte Frey.
Zudem erklärte der Starnberger Landrat, dass es in der Wahrnehmung der Bevölkerung einen Unterschied gebe zwischen Menschen aus der Ukraine und aus anderen Ländern. "Die Menschen im Landkreis haben 1500 Ukrainer privat bei sich aufgenommen - für die Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien oder Afrika sind deren Türen aber geschlossen", sagte Frey in der Bild.
Während so mancher von Freys zitierten Amtskollegen verlangte, ausreisepflichtige Asylbewerber müssten "endlich auch abgeschoben werden", stellte Frey keine solchen Forderungen. Für Machnik werden in dem Text dennoch "Ressentiments gegen Geflüchtete aus uns kulturell nicht so nahestehenden Ländern geschürt" - mit Frey auf einem großen Foto. Der Starnberger Landrat sei dabei zwar keine treibende Kraft in den Reihen der Union, erklärte Machnik. "Aber Herr Frey macht halt mit."
Die Grünen stellen dabei klar: Es gehe ihnen keineswegs darum, die Herausforderungen für die Kommunen kleinzureden. Die Fokussierung auf das Thema sei jedoch nicht zielführend, andere Aufgaben kämen dadurch zu kurz. Nicht alle Sparmaßnahmen dürften mit Verweis auf die fehlende Unterstützung aus Berlin begründet werden, sagte die Grüne Bezirksrätin Martina Neubauer. Co-Sprecher Florian Hönicke ergänzte, Bund, Länder und Kommunen müssten zusammenarbeiten, statt sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Das helfe "weder den Kommunen noch den vor Krieg und Unterdrückung zu uns geflohenen Menschen!"
Auch Verena Machnik findet, es müsse trotz der großen Aufgaben bei der Unterbringung der Geflüchteten mehr über andere Dinge wie den Ausbau erneuerbarer Energien gesprochen werden. Durch die Fokussierung auf das Thema sowie die Schuldzuweisungen in Richtung Berlin versuche die CSU, von eigenen Versäumnissen abzulenken.
Landrat Frey empfindet die Kritik als ungerechtfertigt. Der Wirbel um den Bild-Artikel sei "viel Lärm um nichts", sagte er der SZ. Er habe lediglich auf die bestehenden Probleme bei der Unterbringung hinweisen wollen. "Schweigen ist da nicht der richtige Weg." Dass er dafür nun in eine Ecke gestellt werde, sei nicht zielführend - und auch nicht legitim. "Ich vertrete bei dem Thema ja eh ein Stück weit eine andere Position als meine Partei", stellte der Landrat klar. "Mein Ansatz ist es, die Realität zu beschreiben und die Dinge zu fordern, die wir hier vor Ort brauchen." Die Empörung der Grünen ist für Frey "ein Stück weit wahlkampforientiert".
Auch das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es losgeht: Wenn sich zwei Parteien gegenseitig vorwerfen, Wahlkampf zu betreiben, stecken sie meist schon mittendrin. Und egal, was man von der Reiberei zum Auftakt halten mag: Das Thema ist jedenfalls dringlich.