Ausstellung "Der Busen":Unikate der Natur

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Provokant: Galeristin Indi Herbst bei der Vernissage zur Ausstellung "Der Busen". (Foto: Jana Islinger/Starnberger SZ)

Warum dürfen Männer ihren Oberkörper entblößen und Frauen nicht? Warum ist eine Brust sexueller als ein Po? Eine Ausstellung in der Starnberger "Galerie Herbst" widmet sich dem weiblichsten aller Körperteile und will Raum für neue Bewertungen schaffen.

Von Katja Sebald, Starnberg

Die nackten Brüste waren schon vor ihrer Enthüllung eine Attraktion. Man versuchte, einen Blick hinter die dunklen Vorhänge an den Schaufenstern der "Galerie Indi Herbst" am Starnberger Kirchplatz zu ergattern. "Zur Vernissage dürfen zuerst nur Frauen kommen", raunte eine Passantin der anderen zu. Um 19.20 Uhr am Donnerstagabend aber war es so weit: Die schweren Samtvorhänge öffneten sich und die Ausstellung "Busen" war eröffnet.

Die Geheimniskrämerei war keine Verkaufsstrategie, denn die zwanzig Leinwände mit Fotografien von weiblichen Brüsten kann man nicht erwerben. Es geht - natürlich - um "Body Positivity". Und es geht natürlich auch um größtmögliche Aufmerksamkeit. "Wir sollten offener und selbstbewusster mit unserer Weiblichkeit umgehen", sagt die 48-jährige Portraitfotografin und Galeristin Indi Herbst. Ihre Botschaft ist: Jeder Busen ist schön.

Die jüngste Teilnehmerin der Fotosessions ist 19 Jahre alt, die älteste weit über 60

Als sie das Fotoprojekt Anfang des Jahres mit einem Aufruf in den sozialen Medien startete, meldeten sich mehr als dreihundert Frauen jeden Alters und unterschiedlicher Herkunft bei Herbst. Manche wollten sich unbedingt fotografieren lassen, manche wollten einfach ihre Meinung kundtun und andere wollten zunächst nur erzählen, warum sie ihren Busen nicht mochten. "Die Emotionen und Geschichten, die mit ihnen kamen, waren überwältigend", sagt Indi Herbst. Am Ende lud sie zwanzig Frauen zu Fotosessions ein: Die jüngste war 19 Jahre alt, die älteste weit über sechzig. Erschreckend sei für sie gewesen, dass nur zwei von ihnen ihren Busen schön fanden, erinnert sich die Fotografin. Tränen der Verzweiflung, aber auch Tränen der Freude seien geflossen. Fast alle bedankten sich hinterher, schickten Mails oder Postkarten. Es sei ein "fast schon therapeutisches Happening" gewesen, sagt Indi Herbst.

Weibliche Rundungen, transparent umhüllt: Jede Teilnehmerin durfte sich so präsentieren, wie sie sich am wohlsten fühlte. (Foto: Jana Islinger/Starnberger SZ)
Geschmückt mit üppigen Perlenketten oder einfach nackt: Jeder Busen ist anders. (Foto: Jana Islinger/Starnberger SZ)

Das Setting im Studio war zunächst für alle Teilnehmerinnen gleich. Sie durften ihren nackten Oberkörper so präsentieren, wie sie sich am wohlsten fühlten: Geschmückt mit üppigen Perlenketten, ein wenig versteckt hinter einer großen Blüte oder einfach nackt ohne weitere Zutaten. Das Gesicht der so portraitierten Frauen ist auf den Bildern nicht zu sehen, nur ihr Busen ist sorgfältig ins Licht gerückt. Man sieht große und kleine Brustwarzen, üppige und weniger üppige Formen, helle Haut und dunkle. Hier ein Piercing, dort ein Tattoo, da eine Operationsnarbe. Oder einfach nur Leberflecken, Dehnungsstreifen, Falten. "Jeder Busen ist ein Unikat der Natur", schwärmt die Fotografin.

Ist der Busen schön oder eher nicht? Zuweilen ist der Blick aus weiblicher Perspektive wesentlich kritischer als eine männliche Betrachtung. (Foto: Jana Islinger/Starnberger SZ)

Sie berichtet, dass die Idee zu diesem Fotoprojekt nach einer Diskussion innerhalb ihrer eigenen Familie entstand. Es ging zunächst um die Frage, warum sich vor allem junge Menschen so sehr unter Druck gesetzt fühlen, dass sie sich den gängigen Schönheitsidealen durch Operationen anpassen wollen. Die Body-Positivity-Bewegung, die seit mehreren Jahren für Körperakzeptanz eintritt, ist längst Mainstream geworden. Sie hat aber nichts daran geändert, dass sich immer noch unzählige Menschen mit Spiegel-Selfies, Muskelposen und Schmollmund im Internet präsentieren. Indi Herbst will mit ihrem Projekt gleich noch ein paar andere Impulse geben: Sie richtet sich an "die Gesellschaft", die den Busen versteckt, obwohl andere Körperteile gezeigt werden dürfen. "Warum ist ein Busen sexueller als ein nackter Po?", fragt sie beispielsweise. Oder: "Warum dürfen Männer ihren Oberkörper entblößen und Frauen nicht?"

Gelöst wäre das Problem wohl erst, wenn Frauen sich keine Gedanken mehr darüber machen müssten, ob ihr Busen "schön" ist

Mit den Bildern von nackten Frauenbrüsten bricht Herbst ein Tabu, das allerdings ohnehin nur für die sozialen Medien gilt. Gleichzeitig folgt sie mit ihren großformatigen Busenfotos aber doch wieder dem begehrlichen Männerblick und schafft Raum für neue Klassifizierungen und Bewertungen. Gelöst wäre das Problem erst, wenn Frauen sich keine Gedanken mehr darüber machen müssten, ob ihr Busen "schön" ist, wenn sie ihr positives Körperverhältnis nicht mehr zelebrieren müssten und wenn sie sich nicht mehr über ihr Aussehen definieren würden. Und das ist auch der Grund dafür, dass der Hype um "Body Positivity" längst von der Forderung nach "Body Neutrality" abgelöst wurde.

Die "Galerie Indi Herbst" ist während der Ausstellung "Busen" bis zum 24. November jeweils mittwochs von 15 bis 18 Uhr sowie donnerstags und samstags von 11 bis 14 Uhr geöffnet.

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