Öffentlicher Nahverkehr:Einschränkungen wegen Fahrermangels

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Baustelle Busverkehr: Der Fahrermangel und die hohen Spritpreise machen vielen Unternehmen zu schaffen. (Foto: Georgine Treybal)

Die Situation im Busverkehr nimmt dramatische Züge an. Im Landkreis Starnberg müssen bereits Fahrpläne beschnitten werden. Und dann gibt es da noch ein weiteres Problem für die Branche.

Von Tim Graser, Starnberg

Mit dem 9-Euro-Ticket konnten Fahrgäste bis Ende August günstig mit Bus und Bahn fahren. Wer danach weiter klimafreundlich unterwegs sein will, muss wieder tiefer in die Tasche greifen - vorausgesetzt, der Bus fährt überhaupt. Der Zulauf, den der öffentliche Nahverkehr dank des vergünstigten Tickets erfuhr, hat dessen Stärken und Schwächen aufgezeigt. Zu letzteren zählt auch der Personalmangel, der seit dem 31. August ein eingeschränktes Fahrtenangebot im Landkreis Starnberg zur Folge hat.

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Die Linien 901 und 902 - sie verbinden die Kreisstadt mit den Stadtteilen Hanfeld und Söcking - bekommen auf unbestimmte Zeit "Ersatzfahrpläne", wie das Landratsamt bekanntgab. Statt drei Bussen pro Stunde gibt es künftig nur noch zwei Verbindungen - im Optimalfall. Denn es kommt öfter mal vor, dass Busse spontan ersatzlos ausfallen. Auch in den Landkreisen Ebersberg und Fürstenfeldbruck mussten bereits Fahrpläne wegen des Fahrermangels gekürzt werden, Fahrzeuge dagegen wären ausreichend vorhanden gewesen.

Ein Busführerschein kostet in Deutschland 10 000 Euro

Horst Argesheimer ist Betriebsleiter eines Busunternehmens, das im Auftrag des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) im Landkreis Starnberg tätig ist. Der Unternehmer schätzt den Fahrermangel, von dem auch seine Firma betroffen ist, prekär ein. Seit einem Jahr sei die Fluktuation noch höher als sonst, immer mehr Fahrer wanderten ab, sagt Argesheimer. Schichtdienst und eine große Verantwortung im Job seien nicht mehr attraktiv, Corona habe sein übriges getan. Doch vor allem sieht der Betriebsleiter zu viele Hürden beim Erwerb der Fahrerlaubnis. "Der Aufwand für den Führerschein in Deutschland ist zu hoch", meint Argesheimer. "In Österreich kostet der Führerschein nur 3000 Euro." Dort brauche man auch nur halb so viele Theorie- und Praxisstunden wie in Deutschland, wo der Busführerschein je nach Region mit 8000 oder gar 10 000 Euro zu Buche schlagen kann.

Der MVV hat die Aufgabe, die Buslinien zu koordinieren und auf die beauftragten Unternehmen zu verteilen. Eigene Busfahrer beschäftigt der Verkehrsverbund nicht. Den Fahrermangel bei den Busunternehmen versucht der MVV laut einer Sprecherin ohne Ausfälle zu kompensieren, das lasse die aktuelle Situation allerdings nicht mehr zu. Als einen zusätzlichen Faktor für die angespannte Lage sieht der MVV auch das Aussetzen der Wehrpflicht vor elf Jahren. "Über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte nahm die Zahl derjenigen ab, die während ihrer Zeit bei der Bundeswehr einen Busführerschein erworben haben", so die Sprecherin. Auch der zusätzlich benötigte Personenbeförderungsschein kann beim Bund von Soldaten kostenlos erworben werden. Tatsächlich wurden bei der Bundeswehr in den letzten zehn Jahren aber bundesweit nur noch 2236 Soldaten zu Busfahrern ausgebildet.

Durch den Wegfall der Wehrpflicht entfallen auch Busfahrer

Nach Berechnungen des Bundesverbandes deutscher Omnibusunternehmer (BDO) werden bis 2030 in ganz Deutschland 76 000 Fahrer fehlen, aktuell sind es bereits 5000. Hinzu kommen die durch den geplanten Bahnausbau gesperrten Zugstrecken, wegen dem Streckensperrungen notwendig sind. Diese sollen durch Busse kompensiert werden, auch das erhöht den Bedarf an Fahrern. "Ohne geeignete und wirksame Gegenmaßnahmen der Politik wird der Fahrpersonalmangel zu massiven Auswirkungen auf die Mobilität in Deutschland führen - von der Schülerbeförderung über die Bustouristik bis insbesondere zum ÖPNV", sagt BDO-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard.

Zudem fordert der Verband einen Ausgleich für die Unternehmen, um die steigenden Energiekosten - im Freistaat ist der Diesel besonders teuer - zu decken. Andernfalls seien einige Busunternehmen, und damit auch die Fahrpläne im Landkreis, akut existenzbedroht. Ein Verkehrsunternehmen im MVV-Raum musste bereits Insolvenz anmelden. "Die Unternehmen werden hier im Regen stehen gelassen, während die Kosten weiter explodieren", sagt Leonard. Immerhin: Zumindest die im MVV vernetzten Landkreise haben sich bereits darauf geeinigt, die Busunternehmen finanziell zu unterstützen. Der Landkreis Starnberg beteiligt sich vorerst mit 1,19 Millionen Euro für das Jahr 2022.

Doch der Fahrermangel wird dadurch nicht gelöst. Busunternehmer Horst Argesheimer ist deswegen mit seinem Latein am Ende. Um neues Personal anzuwerben, ist er extra nach Ungarn gereist. Dort hat er Inserate geschaltet, Werbung gemacht und einen Tagungsraum für eine Informationsveranstaltung angemietet. Viel Aufwand für nichts. Denn gekommen ist niemand.

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