Traditionsgaststätte vor dem Aus?:Ausgegrillt

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Anheimelndes Ambiente unter alten Kastanienbäumen: Der Gasthof in der Au zählt zu den ältesten Wirtshäusern Starnbergs. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Unterzeichner einer Online-Petition erzürnt ein vom Landratsamt verhängtes Grillverbot im Biergarten des Starnberger Gasthofs in der Au. Das eigentliche Problem ist jedoch ein ganz anderes: Es geht um den grundsätzlichen Erhalt des Lokals.

Von Peter Haacke, Starnberg

"Zuagroaste" sind Menschen, die neu nach Bayern ziehen, und dann angeblich oft genug den anderen die gute Stimmung vermiesen. Sie sind verantwortlich für Kühe ohne Glocken, allgemeinen Sittenverfall oder das Elend der Welt schlechthin - vor allem aber für den Niedergang der gepriesenen bairischen Biergarten-Kultur. So manch neuer Nachbar hat im Freistaat schon erfolgreich Sperrzeiten erstritten, Krähverbote für Hähne erwirkt oder Kirchenglocken verstummen lassen. Beispiele gibt es zuhauf. In Starnberg bangt man derzeit um die Freiheit der Würstel-Braterei unter freiem Himmel.

Anlass für eine Welle der Empörung: Ein Grillverbot im Biergarten der Starnberger Traditionsgaststätte zur Au. Sogar eine Petition - "Rettet die Grillhütte in der Au" - gibt es schon, mehr als 140 Personen haben unterzeichnet. Doch dieser Aspekt ist derzeit wohl das geringste Problem: Die Betreiber des Lokals neben den Bahngleisen bangen um ihre Zukunft. 2019 wurden erste Spekulationen über ein baldiges Aus der "Au" bekannt - ein Schicksal, das schon viele Gaststätten im Fünfseenland ereilte. Mit "Zuagroasten" hat dieses Dilemma allerdings nichts zu tun - zumindest nicht im Kern. Aber der Reihe nach.

Nach pandemiebedingten Umsatzeinbußen folgt nun der nächste Rückschlag

Den aktuellen Anlass für die Petition, die im Netz zunehmend Anhänger findet, lieferten Nachbarn - womöglich "Zuagroaste" aus dem Neubauquartier entlang der Bahnstrecke. Die hatten sich schon im Vorjahr wiederholt über durchdringenden Bratwurst- und Cevapcici-Duft beklagt. Das Landratsamt kam also nicht umhin, die Sache zu prüfen - und stellte fest, dass die zur Grillstube ausgebaute Hütte mit Rauchabzug keine Baugenehmigung hat und die Station ohne Filteranlagen und Fettabscheider emissionsschutzrechtliche Vorgaben nicht einhält. Amtliche Folge: Ausgegrillt. Nebeneffekt: Allgemeine Empörung.

Für die Wirtsleute Marija und Bozo Ledic, die das Lokal am Ende der Josef-Jägerhuber-Straße mit Kastanienbiergarten, rund 350 Außen- und 120 Terrassenplätzen seit 1991 betreiben, kommt das Grillverbot zur falschen Zeit. Nach pandemiebedingten Umsatzeinbußen in den vergangenen Jahren folgt nun der nächste Rückschlag in der unkalkulierbaren, weil wetterabhängigen Biergarten-Saison - auch wenn Großereignisse wie Fußball-Weltmeisterschaften, wo teils Hunderte zum Public Viewing in den Au-Biergarten strömten, in nächster Zeit nicht anstehen.

Beim "Public Viewing" anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 füllten rund 500 Besucherinnen und Besucher mit gespanntem Blick auf zwei Großbildleinwände den Biergarten der Starnberger Au: Im Hintergrund: Das vom Landratsamt beanstandete Nebengebäude. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Die "Au" ist eine Institution und dürfte eines der ältesten noch erhaltenen Wirtshäuser Starnbergs sein. Das Lokal ist Anlaufstation für Familienfeste, Vereine und politische Gruppierungen. Das Gebäude entstand 1839 zu einer Zeit, als es die Eisenbahn noch nicht gab, und ist damit älter als das marode Hotel "Bayerischer Hof" (1865). Posthalter Michael Jung ließ den "Gasthof zur Neuen Post" einst als Pferdepost-Station mit Gastzimmern erbauen. 1927 ging es als "Staltacher Hof" in den Besitz der Paulaner-Brauerei über, 1991 übernahm Ledic den Komplex mit Nebengebäuden in Pacht von seinem Vorgänger, einem Schwaben.

Zuletzt erwarb eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) das Anwesen. Anteilseigner waren Bozo Ledic mit lediglich einem Prozent sowie der Niederlassungsleiter einer Leasingfirma in Schondorf am Ammersee ("Unser Erfolgsrezept sind langfristige, vertrauensvolle Kundenbeziehungen") und seine Gemahlin mit 99 Prozent. Doch die Vertragspartner mit den ungleichen Anteilen waren sich schon bald uneins über die Planungen mit Gaststätte, Biergarten, Wohn- und Geschäftsgebäuden. Seit fünf Jahren schwelt der Streit, der längst vor Gericht ausgetragen wird: Erst im Mai 2022 wies das Landgericht München II eine Räumungsklage gegen Ledic ab. Weiterhin geht es um den Vorwurf nicht geleisteter Einlagen und die Vermietung nicht gepachteter Räumlichkeiten. Beide Seiten haben jeweils Berufung eingelegt. Die Auseinandersetzung geht in nächster Instanz vor dem Oberlandesgericht weiter, bestätigte ein Pressesprecher. Gegenstand des Verfahrens: Wechselseitige Ansprüche aus Gesellschafts- und Pachtverträgen.

Der 1839 erbaute Gasthof zur Neuen Post, ursprünglich eine Pferdepost-Station mit Gastzimmern, wurde später in "Staltacher Hof" umbenannt - hier eine historische Aufnahme aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren. (Foto: oh/Stadtarchiv Starnberg)

Die jeweiligen Rechtsvertreter der streitenden Parteien möchten sich nicht zum Verfahren äußern. Nur soviel: "Die Positionen sind relativ weit auseinander", kommentiert der Anwalt der Familie die Gemengelage, nach dessen Auffassung die GbR nicht mehr existieren soll. Gleichwohl ist er nach dem ersten Gerichtsurteil überzeugt: "Das Objekt ist im Eigentum der Familie Ledic." Eine endgültig rechtskräftige und -sichere Entscheidung in diesem Verfahren steht jedoch aus und dürfte sich noch hinziehen.

Das Areal am Rand der Starnberger Innenstadt gilt mit seinen insgesamt 4750 Quadratmetern als städtebauliches Filetstück - die Fläche eines kleinen Fußballfeldes. Allein das Grundstück dürfte laut Bodenrichtwerttabelle aktuell einen Wert zwischen 14 und 16 Millionen Euro haben. Dem Stadtrat ist die Sachlage bekannt: Vertreter verschiedener Parteien - allen voran die UWG - setzten sich für den Erhalt des Hauses ein, Stadtplanungsreferent Otto Gaßner sprach gar von einem "Pfeiler für die Vitalität Starnbergs." Der Bebauungsplan könnte geändert, Gaststätte und Biergarten festgeschrieben und das Landesamt für Denkmalschutz eingeschaltet werden.

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Doch getan hat sich nichts. Der Stadt liegen bislang weder Bauvoranfrage noch Bauantrag zur Au vor. Die ohnehin stets überlastete Bauabteilung im Starnberger Rathaus hat derzeit andere Prioritäten. Und Denkmalschutz für das sanierungsbedürftige Hauptgebäude ist fraglich. Der Zustand des Hauses ist unbekannt, für Oktober ist ein Besichtigungstermin mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landratsamtes und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege vorgemerkt. Stark verändernde Eingriffe in die historische Bausubstanz des Gebäudes könnten dazu führen, dass es keinen Denkmalwert besitzt. Gleichwohl überwiege im Stadtrat die Haltung: "Wir wollen die Gaststätte, wir wollen den Biergarten behalten", beteuert Gaßner. Dabei ist allen klar: Die Stadt wird das Areal nicht kaufen, und für einen Investor rechnet sich allein die Sanierung des alten Gemäuers nicht. Starnberg ist teuer, der Bedarf an Wohnraum groß.

Im Internet entlädt sich geballter Frust über das vermeintlich ungerechtfertigte Grillverbot

Zurück in den Biergarten: Ungeachtet des strittigen juristischen Szenarios erregt das Grillverbot im rustikalen Ambiente unter alten Kastanienbäumen den Unmut - ein digitaler Aufschrei im Sommerloch, bei dem sich auch geballter Frust entlädt. Das vielstimmige Echo auf die Petition für das "letzte schöne Gasthaus mit Biergarten in Starnberg" ist eindeutig. Das Grillverbot sei eine Frechheit, unfair, unverfroren. Eine Frau empört sich, dass "Zugezogene unsere bayerische Tradition beenden wollen", ein Mann empfiehlt: "Schmeißt's de Zuagroastn raus aus unserem Bayern." Schuld seien "zugezogene Stänkerer", "krankhafte Veganer" oder irgendwelche Wesen, die hierher kommen und ihr "machtgeiles Gehabe" ausleben. Starnberg habe "sowieso nichts mehr", heißt es resignierend, aber auch: "Weil man sich nicht alles verbieten und nicht alles gefallen lassen muss."

Die Mitarbeiter auf den Ämtern fühlen sich unschuldig. Seitens des Landratsamtes wird betont, dass die fehlende Baugenehmigung für die Hütte, die schon 1887 in den Flurkarten der Stadt verzeichnet war, lediglich bei der Stadt beantragt werden müsse. Ein formaler Akt. Der Ausschank von Getränken im Biergarten sei problemlos. Nur Grillen im Freien sei aufgrund der Emissionen sowie nicht vorhandener Technik eben so nicht genehmigungsfähig. Und die Beschwerden der Nachbarschaft könne man nicht wegdiskutieren. Starnbergs Stadtverwaltung aber liegt bislang kein entsprechender Antrag der "Au" vor, bestätigt Vize-Bürgermeisterin Angelika Kammerl (CSU) - weder für die Hütte, die baurechtlich derzeit als Schwarzbau zu bewerten ist, noch für das gesamte Grundstück.

Gibt sich zurückhaltend im Hinblick auf Zukunftsperspektiven: Au-Wirtin Marija Ledic (Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)

Familie Ledic, die sich mit Gastfreundschaft und bayrisch-kroatischen Spezialitäten zumeist großen Zuspruchs erfreut, gibt sich derweil auf Nachfrage wortkarg. Offensichtlich trübt die seit Jahren anhaltende Ungewissheit und die Furcht vor einer Geschäftsaufgabe die Stimmung. Investitionen sind angesichts der ungeklärten Lage daher nicht angesagt, ohnehin währt die Biergartensaison nur noch kurz. Was bleibt, ist Verunsicherung und die Frage, wie es weitergeht. Die Zukunft der "Au" steht in den Sternen. Würstel und Cevapcici gibt es weiterhin: Sie kommen jetzt allerdings nicht aus der Grillhütte, sondern aus der Küche.

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