Starnberg:Die Stadt, die Bahn und die Seeanbindung

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Bahnhof und Gleisanlagen trennen die Stadt Starnberg seit Mitte des 19. Jahrhunderts vom Starnberger See. (Foto: Luftbild Bertram/Vega-Janssen)

Wie ein Damoklesschwert schwebte über Starnberg eine 170 Millionen Euro schwere Schadenersatzklage der Deutschen Bahn. Nun ergibt sich eine neue Chance, einen Vertrag aus dem Jahr 1987 zu erfüllen.

Von Peter Haacke, Starnberg

Eine der wohl am häufigsten gestellten Fragen in der Starnberger Innenstadt lautet: Wo geht's denn hier zum See? Eine berechtigte Frage, die insbesondere Urlauber, Tagestouristen und übrige Ortsfremde quält, die nur allzu gern einen Blick auf Deutschlands fünftgrößten See werfen möchten. Bahnfahrer können sich die Fragerei freilich sparen, der Bahnhof befindet sich direkt am See: Abgesehen von Konstanz am Bodensee und Plön in Schleswig-Holstein dürfte die Lage dieser Station ziemlich einmalig sein - und stellt seit Jahrzehnten ein Ärgernis für die Einheimischen dar. Doch nun kommt wieder Bewegung in die Angelegenheit: Unter dem Titel "Zukunftsweisend - der Vertrag zwischen Stadt Starnberg und Deutsche Bahn" findet am Mittwoch, 1. März (Beginn 18.30 Uhr), eine Infoveranstaltung in der Schlossberghalle statt.

Die "Seenanbindung" gilt als Starnbergs wichtigstes städtebauliche Projekt

Die Stadt, die Bahn und die Seeanbindung: Kaum ein Thema - sieht man einmal vom B2-Tunnel ab - hat die Bürger mehr bewegt als die unglückselige Lage der Bahngleise am Seeufer. Die Eröffnung der Bahnlinie von München nach Starnberg im November 1854 erwies sich für das einstige Fischerdorf als Fluch und Segen zugleich. Einerseits wertete die Bahn den Ort touristisch auf, andererseits trennen Gleise die Stadt vom See. Nur allzu gern hätten die Starnberger schon seit Jahrzehnten etwas von ihrem Wahrzeichen zurück, eine "Seeanbindung" soll den städtebaulich historischen Sündenfall mildern: Ein Jahrhundertprojekt mit langer Vorgeschichte, anhaltendem Stillstand und enormen Kosten, von denen noch niemand weiß, wie sie beglichen werden sollen.

Blick vom Starnberg See auf die Unterführung an der Ecke Bahnhofstraße: Auf der Postkarte aus dem Jahr 1914 ist die Trennwirkung der Bahngleise deutlich erkennbar. Der Bahndamm wurde einst aufgeschüttet, weil die Grundeigentümer um 1850 nicht an das Königreich Bayern verkaufen wollten. (Foto: Bestand Wörsching/Stadtarchiv Starnberg)

Nicht zum ersten Mal befassen sich Fachleute und Laien mit diesem hoch komplexen Thema, das die Stadt an seiner schönsten Stelle nachhaltig verändern könnte. Nach jahrelangen Querelen, politischem Tauziehen und einer Schadenersatzklage der Deutschen Bahn (DB) über 170 Millionen Euro war es Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) nach fast zwei Jahren zäher Verhandlungen gelungen, die Weichen beim Staatskonzern auf Kompromissbereitschaft und Einigung zu stellen. Dabei waren sich Stadt und Bahn im Grundsatz schon vor zehn Jahren einig: Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger hatte das Vorhaben, das auf einem Vertrag von 1987 beruht, in den letzten Jahren seiner Amtszeit maßgeblich vorangebracht: Zwei städtebauliche Wettbewerbe wurden ausgeschrieben, es gab Infoveranstaltungen, Workshops und eine Homepage zum Thema. Doch seine Nachfolgerin Eva John vernachlässigte das Thema trotz vieler Mahnungen: Vertragliche Fristen verstrichen, eine Mediation wurde an die Wand gefahren. Im Jahr 2019 reichte die Bahn gegen die Stadt eine Schadenersatzklage über 170 Millionen Euro ein.

Schadenersatz oder Baukosten: Für die Stadt Starnberg geht es um 170 Millionen Euro

Exakt um diese Summe geht es auch beim jüngsten Versuch der Realisierung einer "Seeanbindung". Die Eckpunkte des neuen Deals: Am Bahnhof See wird ein Gleis zurückgebaut, geplant sind barrierefreie Außenbahnsteige. Regionalzüge sollen am Bahnhof Nord halten, ein Wende- und Abstellgleis entsteht im Starnberger Süden. Zudem verzichtet die DB auf Tempo 80 im Bahnhofsbereich. Neue Perspektiven für die Stadt: Ungenutzte Bahngrundstücke könnten "für städtebauliche Nachfolgeprojekte" genutzt werden, eine verschönerte Seepromenade, eine angemessene Verbindung von Stadt und See sowie Nutzungen wie "citynahes Wohnen". Bürgermeister Janik schwärmte vorab gar schon von einem "der schönsten Bahnhöfe Europas".

Hand drauf: Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentieren Vertreter der Stadt Starnberg und der Deutschen Bahn Ende Januar die Eckpunkte einer Einigung zum Themenkomplex Seeanbindung. Im Bild (v.li.) Stadtbaumeister Stephan Weinl, Christoph Herzog (Bahn), Bürgermeister Patrick Janik und Mareike Schoppe (Bahn). (Foto: Stadt Starnberg)

Doch Planen ist nur ein Teil des Ganzen, Knackpunkt ist und bleibt die Finanzierung. Starnberg fehlen rund 80 Millionen Euro, man hofft in Kooperation mit der Bahn auf Fördermittel von Bund und Land. Bürgermeister Janik weiß: "Unsere wichtigste Aufgabe 2023 besteht jetzt darin, die Finanzierung der neuen Bahnanlagen sicherzustellen." Derzeit gibt es für Starnberg nur zwei Alternativen: Entweder bringt die Stadt das Geld für die "Seeanbindung" irgendwie zusammen. Oder sie zahlt Schadenersatz, hätte aber nichts davon. Im Klartext: Starnbergs kleine heile Welt rettet nur das große Geld. Immerhin: Weder Stadt noch Bahn haben Interesse an einer gerichtlichen Auseinandersetzung, die sich über ein Jahrzehnt hinziehen dürfte. Für den Umbau indes rechnen die Experten nur mit vier Jahren Bauzeit.

Die Infoveranstaltung "Zukunftsweisend - der Vertrag zwischen Stadt Starnberg und Deutsche Bahn" zum Themenkomplex Seeanbindung findet am Mittwoch, 1. März, von 18.30 bis ca. 21.30 Uhr in der Schlossberghalle statt. Bürgermeister Patrick Janik und Stadtbaumeister Stephan Weinl präsentieren zunächst die wesentlichen Aspekte der Einigung mit der DB, im Anschluss folgt ein Infomarkt im Foyer zu weiteren Eckpunkten des Projekts.

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