Kinderbetreuung:Im Geiste von Zusammengehörigkeit und Solidarität

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Ein Herz für Kinder: Bayerns Europaministerin Melanie Huml (CSU) bei der Verleihung der Europa-Urkunde 2023 im Kinderhaus Seeshaupt für herausragende Verdienste um die Förderung des europäischen Einigungsgedankens. (Foto: Matthias Balk/Bayerische Staatskanzlei)

Das Kinderhaus Seeshaupt wird mit der "Europa-Urkunde" des Freistaats ausgezeichnet. Das Mitarbeiter-Team ist ebenso international wie die Vorschulkinder - ein Erfolgsmodell.

Von Kia Ahrndsen, Seeshaupt

Zwölf goldene Sterne auf blauem Grund zieren seit Neuestem das Kinderhaus in Seeshaupt: Die Tafel mit der Europa-Fahne zeigt, dass sich die Kinder und ihre Betreuer besonders mit Europa beschäftigen. Die bayerische Staatsregierung verleiht jedes Jahr eine "Europa-Urkunde" an jeweils eine Schule aus jedem Regierungsbezirk, für besondere Verdienste um die Verbreitung des Europa-Gedankens auszuzeichnen. Heuer wurden auch Kindertagesstätten eingeladen, sich dafür zu bewerben. Europaministerin Melanie Huml kam persönlich ins Seeshaupter Kinderhaus, um die Urkunde zu überreichen - als dritte Einrichtung im ganzen Freistaat.

Es sei wichtig, Kindern schon im Vorschulalter Europa verständlich zu machen und sie für Europa zu begeistern, hatte es schon in der Ankündigung zur feierlichen Urkundenüberreichung geheißen. Ursula Leininger von der "Bienen-Gruppe" im Kinderhaus hatte es übernommen, die Bewerbung zusammenzustellen. Sie berichtete vom letzten Faschingsfest vor der Corona-Pandemie im Februar 2020, das unter dem Motto "Eine Reise durch Europa" stand. Aus Griechenland, Italien, Spanien, der Schweiz oder Frankreich sangen die Kinder ein jeweils typisches Lied oder tanzten einen passenden Tanz. Im Juli 2022 stand das Sommerfest unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs unter dem Thema "Frieden für alle Kinder in der Welt".

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Jede Gruppe wählte ein europäisches Land aus, die Kinder studierten eine Vorführung ein, selbstverständlich in entsprechenden Kostümen. Die Krippengruppen etwa wählten Griechenland (mit einem Sirtaki) und die Türkei (Bauchtanz), eine Kindergartengruppe (Wiener Walzer) stellte Österreich dar, die andere Deutschland mit einem Fußballspiel der Nationalmannschaft. Die dritte Gruppe, in der auch zwei ukrainische Kinder sind, tanzte einen Reigen und ließ einen heliumgefüllten Friedensballon aufsteigen. Auch die Eltern beteiligten sich: Sie bestückten das Buffet mit landestypischen Speisen. Im vergangenen Sommer starteten zudem Projektwochen, bei denen die Kinder Europa erkundeten. Dieses Jahresthema wurde mit Hilfe von Büchern, Landkarten, Bastelarbeiten und Liedern erarbeitet.

Im Jahr 2016 wurde das Kinderhaus Seeshaupt mit einem Tag der offenen Tür eingeweiht. Leiterin Brigitte Loth (re.) nimmt die Glückwünsche von (v.re.) Landrätin Andrea Pössenbacher, Ex-Bürgermeister Michael Bernwieser sowie Pfarrer Mladen Znahor (li.) entgegen. (Foto: Georgine Treybal)

Viele Informationen finden die Erzieherinnen und Erzieher im Internet - oder aber bei ihren Kolleginnen: Im Seeshaupter Kinderhaus arbeiten je eine Erzieherin aus Polen, Kroatien und der Schweiz, eine Kinderpflegerin aus der Türkei und je eine Hilfskraft aus Afghanistan und Italien. Kinderhaus-Leiterin Brigitte Loth sieht in der Vielfalt den besonderen Vorteil ihres internationalen Mitarbeiter-Teams. Wenn Elterngespräche in der jeweiligen Sprache oder wenigstens auf Englisch geführt werden können, führt das zu mehr Verständnis und Vertrauen, sagt sie. Bei den Kindern sind neben Deutschland nämlich noch weitaus mehr Nationalitäten vertreten: Rumänien, Italien, Slowenien, Slowakei, Türkei, Kroatien, Österreich, Schweden, England, Afghanistan, Pakistan, Nigeria und die Ukraine. Ab September sollen noch Kinder aus Spanien, Tansania und Peru dazu stoßen. Eine fest angestellte Logopädin betreut verschiedene Deutschkurse. Die Ankunft der Kinder aus der Ukraine und ihrer Mütter war allerdings, so Loth, eine besondere Herausforderung. Die Verständigung lief anfangs nur mittels Google-Übersetzer, die Betreuerinnen bereiteten deshalb die Elterngespräche schriftlich vor und ließen sie übersetzen.

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Für die Zukunft könnte sich das Kinderhaus-Team auch vorstellen, Kontakte zu Kindergärten in den Partnergemeinden Seeshaupts oder in der Ukraine zu knüpfen. So können die Kinder beispielsweise Bilder austauschen, auf denen sie malen, was sie in ihrem jeweiligen Ort für wichtig oder besonders schön halten. Auf dem Europa-Projekt soll aufgebaut werden, versichert Loth: "Das europäische Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität ist uns wichtig."

"Wir nehmen uns gegenseitig im Moment die Kräfte weg"

Die Europa-Urkunde ist für Loth nicht nur Zeichen der Anerkennung für die Arbeit ihres Teams - es macht ihr Kinderhaus auch attraktiv, sowohl für Eltern und Kinder als auch für potentielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seither hätten sich schon vier neue Interessenten gemeldet. Die Personalsituation macht ihr ohnehin Sorgen. "Wir nehmen uns gegenseitig im Moment die Kräfte weg", sagt Loth. Es gebe zu wenig Schulen, viele gute Kinderpfleger bilden sich fort zum Erzieher. Kinderpfleger brauche man aber auch, "eine Erzieherin als Zweitkraft in der Gruppe, die lässt sich ja heut nix mehr sagen, von einer anderen Kollegin - und das ist dann auch oft schwierig", meint die Kinderhausleiterin.

Wichtig ist Loth, für sich selbst und ihr Kinderhaus Werbung zu machen. "Ich sag' immer: Wenn ihr so tolle Projekte macht, geht an die Öffentlichkeit, zeigt euch auch! Es ist wichtig, dass wir zeigen, dass die Kinder Spaß haben, dass die Eltern zufrieden sind, dass wir eine Auszeichnung kriegen." Oft werde Kindertagesstätten vorgehalten, dass sie ein hohes Defizit verursachen. Loth sagt, sie halte das in Seeshaupt für eher gering. Aber es gehe schließlich darum, durch gute Arbeit mit guten Mitarbeitern, die halt Geld kosten, gute Pädagogik zu leisten. Wenn Kinder Hilfe erhalten und schon im frühen Alter - zum Beispiel in Integrationsgruppen - erfahren, dass sie nicht durch negatives Verhalten auffallen müssen, sondern sich positiv darstellen können, wahrgenommen und wertgeschätzt werden, habe man im Jugendalter weniger mit Vandalismus zu tun. Das versuche sie auch stets den Gemeinderäten zu erklären, wenn es um die Personalausstattung des Kinderhauses gehe.

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