Extrem-Wetter:Schneefrei für die Schüler

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Auch am Herrschinger Bahnhof stand alles still. Die Züge sind zugeschneit und müssen technisch überprüft werden. (Foto: Georgine Treybal)

Die Kinder im Landkreis Starnberg dürfen an diesem Montag daheim bleiben. Wegen der schwierigen Verhältnisse auf den Straßen fällt der Unterricht zum großen Teil aus. Auch einige Weihnachtsmärkte sind abgesagt oder verschoben worden.

Von Astrid Becker und Michael Berzl, Starnberg

Als sich am Sonntag der ganze Zauber des Winters offenbart, ist es, als ob das Fünfseenland aus einem bösen Traum erwacht. Der Himmel in strahlendem Blau, der Schnee glitzert in der Sonne. Langläufer drehen schon am Vormittag die ersten Runden, Kinder gehen zum Rodeln. Doch die Schönheit der Natur ist trügerisch: Noch immer ist die Gefahr von Dachlawinen groß. Viele Bäume könnten noch unter der Schneelast umstürzen. Gehwege und Straßen sind teilweise bislang nicht geräumt. Bushaltestellen verschwinden hinter Schneehaufen, S-Bahnen und Regionalzüge verkehren an diesem Wochenende nicht. Beeinträchtigungen, die sich auch am Montag auf dem Fahrplan auswirken werden.

Das Landratsamt hat daher am Sonntagmittag in der Kreiseinsatzzentrale die Konsequenz gezogen: Grund- und Mittelschulen bleiben am Montag geschlossen, es soll aber eine Notbetreuung gewährleistet werden. Gymnasien und Realschulen können Distanzunterricht anbieten. Bereits 2019 hatte der Krisenstab Mitte Januar schon einmal so auf ein Schneechaos reagiert. Nun heißt es wieder: "Wir können keinen sicheren Schulweg garantieren", wie es Pressesprecher Stefan Diebl formuliert. Eltern und Schüler der Gymnasien sollten sich via Internet informieren, ob der Unterricht komplett ausfalle, sagt er. Außer im Landkreis Starnberg haben sich im Großraum München bis zum Nachmittag nur der Landkreis Mühldorf am Inn und die Stadt Augsburg zu diesem Schritt entschlossen.

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"Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, aber die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler geht vor", erklärt Landrat Stefan Frey. Gemeinden, Bauhöfe, Schneeräumdienste, Feuerwehren und Einsatzkräfte seien seit Freitagnacht nach wie vor den ganzen Tag im Einsatz.

Allein bis Samstag sind in der Einsatzzentrale im Landratsamt weit mehr als 200 Meldungen eingegangen. Teilweise kommen die Räumdienste nicht nach. Nebenstraßen und Waldstücke wirken am frühen Samstagnachmittag so, als ob sie vergessen worden wären. In Starnberg beispielsweise ist der Hanfelder Berg, eine der Hauptverkehrsverbindungen, zwar sicher befahrbar. Die Abzweigungen an der B2-Ortsdurchfahrt in Richtung Gauting liegen aber unter einer von Reifen aufgewühlten Schneedecke. Die Petersbrunner Straße versperrt ein Lastwagen, der erst ausgegraben werden muss, um weiterfahren zu können. Auch in Weßling zeigt sich ähnliches.

Die schönen Seiten des Wintereinbruchs: Auf dem Golfplatz in Hadorf bahnen sich Langläufer ihren Weg. Gespurt war dort am Sonntag noch nicht. (Foto: Georgine Treybal)
Ein Landwirt spurt im tiefen Schnee Bahnen für die Schlittenfahrten der Kinder. (Foto: Georgine Treybal)
Schaufeln gehört für viele Autofahrer seit Samstag zur Hauptbeschäftigung. Oft ist es ziemlich mühsam, bis der draußen geparkte Wagen wieder freigeräumt ist. (Foto: Georgine Treybal)
Schon am Freitagabend sind Fahrgäste in Gauting gestrandet, nachdem ein Baum auf die Gleise gefallen und der Zugverkehr nach Tutzing eingestellt worden war. (Foto: Alexandra Menschick/oh)

Wieder andere können ihre Häuser gar nicht erst verlassen. In den höheren Lagen in der Gemeinde Andechs türmt sich der Schnee auf privaten Grundstücken so hoch, dass es die Bewohner aus eigener Kraft nicht schaffen, sie zu beseitigen. Schnelle Hilfe können sie zunächst kaum erwarten. Bauhofmitarbeiter und Feuerwehr sind auch dort im Dauereinsatz. Die Straße Richtung Fischen und Pähl wird gesperrt, auch weil durch die starke Bewaldung dort eine erhöhte Sicherheitsgefahr besteht.

Auf vielen Straßen und Schienen kommt es zu Behinderungen, Strecken sind zeitweise blockiert. Allein der Polizeiinspektion in Starnberg werden von Freitagnachmittag bis Samstagmittag zwölf Unfälle auf schneebedeckten Straßen gemeldet. Meist bleibt es bei Sachschäden, oft sind umgestürzte Bäume die Unfallursache. Lediglich bei einer Karambolage in Perchting wird eine 22-jährige Frau leicht verletzt. An der Einmündung zur Andechser Straße rutscht ihr Auto und wird von einem Wagen gerammt. Die 71-jährige Fahrerin kann nicht mehr bremsen. Gesamtschaden: etwa 14 500 Euro.

Die Garmischer Autobahn sei immer wieder kurzzeitig gesperrt worden, nachdem Bäume auf die Fahrbahn gefallen seien, berichtet die Polizeiinspektion Weilheim. Südlich von Seeshaupt stürzt ein entwurzelter Baum sogar unmittelbar vor einen Streifenwagen; der Wagen wird beschädigt, die Polizisten bleiben unverletzt. Mehrere Lastwagen bleiben auch dort wegen der Schneeglätte liegen.

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Schon am Freitagabend muss der Zugverkehr zwischen Gauting und Tutzing erstmals für mehrere Stunden komplett eingestellt werden, nachdem ein Baum auf die Gleise gestürzt ist. Vor dem Bahnhof in Gauting warten mehr als 50 Fahrgäste in der Hoffnung, ein Taxi zu bekommen. Von Samstag an geht dann auf den S-Bahnlinien im Außenbereich ohnehin gar nichts mehr.

Am Nachmittag fahren dann auch keine Busse mehr im Landkreis Starnberg. Die Bahnhöfe wirken verwaist ohne die S-Bahnen und Regionalzüge, die dort normalerweise halten. Etliche Veranstaltungen werden abgesagt; darunter Christkindlmärkte, die am Samstag wegen der Schneelasten auf den Dächern der Stände nicht stattfinden können. In Utting beispielsweise, in Gauting, am Starnberger Kirchplatz oder in Tutzing, wo der Markt auf Sonntag verschoben wird. Der Adventsmarkt auf dem Perger-Grundstück im Herrschinger Ortsteil Breitbrunn öffnet dennoch: "Mit Einschränkungen", wie Jacob von Perger per Whatsapp schreibt: "Und nur für die Leute, die zu Fuß kommen konnten. Den Autofahrern wurde empfohlen, zu Hause zu bleiben."

Auswirkungen hat das Extrem-Wetter auch auf Kultur und Handel

Auch kulturelle Veranstaltungen werden abgeblasen, wie die "Schöne Neue Musik III" im Schloss Kempfenhausen. Veranstalterin Elisabeth Carr sagt, es gebe Überlegungen, das Konzert aufzuzeichnen und ins Internet zu stellen. Die "Andalusische Weihnacht" mit Riccardo Volkert im Gilchinger Rathaus wird auf 21. Dezember verschoben. Tickets behielten ihre Gültigkeit, ist auf Facebook gepostet worden.

Der massive Wintereinbruch trifft auch den Einzelhandel. Die langen Öffnungszeiten an den Adventssamstagen können teilweise nicht eingehalten werden. In Herrsching etwa schließen Boutiquen wie das "Mode Mosaik" oder "Gabi Huber Women Fashion" bereits um 14 Uhr, statt wie angekündigt um 17 Uhr. Andere wie "Oxmox" oder die Parfümerie Wiedemann sperren gar nicht erst auf. "Einer unserer Mitarbeiter hat für sieben Kilometer zwei Stunden gebraucht, das ergab keinen Sinn", sagt Silke Stangl, die die Parfümerie in Herrsching leitet. Sie selbst wohnt in einem kleinen Ort auf dem Land im Landkreis Landsberg. "Auch ich hätte keinen Meter fahren können, weil die Straßen so gut wie gar nicht geräumt worden sind", erzählt sie am Telefon.

Mehrere Turnhallen sind gesperrt

Auch sportlich geht es an diesem Wochenende recht ruhig im Landkreis Starnberg zu. Der Krisenstab sperrt auf Empfehlung des Technischen Hilfswerks mehrere Turnhallen: in Herrsching etwa, in Gilching oder auch in Gauting. Die dort geplanten Fußballturniere werden deshalb kurzfristig abgesagt. Von den Wurstsemmeln, die dafür bereits gestrichen worden waren, profitieren die von ihren Einsätzen müden und hungrigen Kräfte der Feuerwehren Gauting und Stockdorf, ist auf Facebook zu lesen.

Am Sonntag strahlt dann wieder die Sonne. Busse fahren wieder planmäßig - bis auf die Linie 978, auf der nur eine Spur geräumt ist. Daher komme es zu Verspätungen, ist vom Landratsamt zu erfahren. Problematisch werde es wohl auch am Montag auf den Linien 950 und 982. Auch dort sei schlecht geräumt und die Straßen durch parkende Autos verengt. Ob Räumfahrzeuge durchkommen, sei nicht gewiss, lässt Pressesprecher Diebl wissen: "Sie werden es aber versuchen." Die Lage bleibt also noch ein wenig kritisch - und es droht neues Ungemach: Für Mitte der Woche sind erneut Schneefälle und Glatteis angesagt.

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