Starnberg:Der Anwalt der Bedürftigen

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Marcus Effertz führt ein Beratungsgespräch in seinem Büro. Von jetzt an können sich Bedürftige und Angehörige mit ihren Sorgen an ihn und sein Beratungsteam im neuen Pflegestützpunkt wenden. (Foto: Georgine Treybal)

Im Landkreis gibt es einen neuen "Pflegestützpunkt", der Betroffene und Angehörige im Hinblick auf Hilfsangebote sowie Betreuung berät. Leiter Marcus Effertz beruft sich auf eine fundierte Ausbildung, wenn er Menschen dabei hilft, ihr Leben in Würde bestmöglich zu führen.

Von Sabine Bader, Starnberg

Marcus Effertz begreift seinen Beruf als eine Art Lotsendienst. Denn er geleitet Bedürftige und deren Angehörige durch das Wirrwarr der Pflege. Eine Hilfestellung, die gerade im Landkreis Starnberg, wo besonders viele ältere Menschen leben, wichtig und nötig ist. Immerhin sind rund 14 000 der insgesamt 136 700 Landkreisbürger älter als 80 Jahre. Effertz leitet den neuen Pflegestützpunkt des Landkreises in der Starnberger Moosstraße 18b. Er und seine beiden Mitarbeiterinnen verstehen sich als Anwälte der Bedürftigen, beispielsweise dann, wenn es Ärger mit den Krankenkassen bei dem Pflegegrad gibt. Aber es geht auch um Anträge bei der Regierung von Oberbayern, um Renten, Rundfunkgebühren und Krankenversicherungen. "Unser Bestreben ist es, den Menschen zu helfen, ihr Leben in Würde bestmöglich weiterzuführen." Auf seine neuen Aufgaben ist der 54-Jährige gut vorbereitet, denn er kann auf einen vielseitigen Erfahrungsschatz zurückgreifen.

Marcus Effertz stammt aus dem Rheinland, aus Köln. Im Zivildienst kam der 20-jährige Fachabiturient erstmals in Kontakt mit dem Arbeitsalltag im Krankenhaus. "Es hat mir zunehmend gefallen dort und ich dachte, das kann ich auch länger machen", erinnert er sich an seinen Entschluss, eine dreijährige Ausbildung als Krankenpfleger zu absolvieren. 1993 war er damit fertig, zog nach Frankfurt und startete ins Arbeitsleben eines examinierten Krankenpflegers. Doch nach zwei Jahren auf der Normalstation war für ihn klar: "Mich zieht es auf die Intensiv." Er setzte also noch einmal eine zweijährige Fachweiterbildung zum Intensivpfleger drauf, zog zunächst nach Mainz und später nach Offenbach. Dem Personal auf der Intensivstation wird vieles abverlangt: Dort sind schnelle Entscheidungen ebenso gefragt wie Fachwissen, Konzentration und ein starkes Nervenkostüm. "Die Faszination für mich war, dass mein Wissen, mein Tun Leben erhalten und retten kann", erzählt er. 2002 erhielt er seine erste Leitungsaufgabe - zuerst auf einer kardiologischen Überwachungsstation, dann auf einer großen Intensivstation mit 20 Betten. Im Krankenhaus lernte er als Intensivpfleger und Stationsleiter aber auch die Dramen kennen, die sich an den Patientenbetten abspielen. "Als die erste Angst um das Leben des Patienten vorbei und dieser stabilisiert war, stellten sich den Angehörigen natürlich viele Fragen." Und viele davon stellten sie Effertz.

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Von Sabine Bader

2012 entschied er sich, zu seiner Frau ins Münchner Umland zu ziehen. In einem Dorf bei Fürstenfeldbruck lebt das Ehepaar heute mit seinen zwei Söhnen im Alter von sieben und vier Jahren. Mit dem Umzug ins Alpenvorland war für ihn auch klar: "Jetzt will ich mich verändern." Schließlich sind 16 Jahre auf Intensivstationen eine lange Zeit.

Effertz stieg erst einmal ins Wirtschaftsleben ein, arbeitete als Produktspezialist für OP-Technologien und stand Ärzten bei der Einarbeitung in die neue Technik zur Seite. "Der Chirurg schneidet heute nicht mehr mit dem Messer, sondern mit Strom", erklärt er. "Da kommt ein Stromfunke raus, der schneidet." 2016 startete er schließlich in ein Fernstudium als Manager von Gesundheit- und Sozialeinrichtungen, das er Ende 2019 mit dem Master abschloss. Parallel dazu hatte er in der pflegerischen Organisation einer Tagesklinik gearbeitet und eine Weiterbildung zum Heimleiter absolviert. Und dann folgte noch die einjährige Ausbildung zum Pflegeberater, seinem jetzigen Beruf.

Hier schließt sich der Kreis also. Effertz drückt es so aus: "Das, was ich damals machte, spannt praktisch den Bogen zu dem, was ich heute tue." Als Intensivpfleger sei er völlig involviert gewesen in die akuten Geschehnisse, jetzt beschäftige er sich praktisch mit dem Zustand danach. Auf der Intensivstation sei es die Herausforderung gewesen, die Technik zu beherrschen und Leben zu retten. Nun gilt es, die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten oder zu verbessern - etwa durch einen Rollator oder Hightech-Gehstock. Das medizinisch-pflegerische Fachwissen, die Führungserfahrung und die Ausbildung zum Pflegeberater bilden den Überbau für seinen heutigen Job.

Die ersten Beratungsgespräche haben Effertz und seine Mitarbeiterinnen Annette Schubert und Henrike Pott bereits geführt. Das Team ist sich sicher: Das neue Hilfsangebot wird sich unter den Bürgern herumsprechen und der Kreis der Ratsuchenden schnell anwachsen. Eines ist für das Beraterteam schon jetzt klar: "Der Kunde führt." Das heißt: Wer sich mit seinen Fragen an den Pflegestützpunkt wendet, bestimmt immer selbst, in wieweit er die Ratschläge in Anspruch nehmen möchte. Wenn jemand beispielsweise keine Angehörigen hat und nicht weiß, wie er einen Antrag ausfüllen soll, helfen die Mitarbeiter dabei. Die Pflegeberater kümmern sich auf Wunsch auch längerfristig um die Bedürftigen und melden sich beispielsweise von Zeit zu Zeit bei ihnen.

Effertz und seine Mitarbeiterinnen verstehen sich als Koordinatoren, die den Überblick haben: Was benötigt der einzelne Bedürftige? Welche Pflege braucht er? Wo bekommt er sie, zuhause oder auswärts? Welches Geld steht ihm zu? Klar ist aber auch: Die Berater sind keine Dienstleister. Sie leisten keine Pflegearbeiten, leiten weder die Pfleger an noch zeigen sie ihnen Pflegetechniken. Das macht die "Fachstelle für pflegende Angehörige".

Marcus Effertz erinnert sich noch an seine ersten Gedanken, als er die Stellenbeschreibung des Landratsamts Starnberg gelesen hatte. Der Wortlaut habe ihn "tiefer angesprochen", sagt er. Ganz nach dem Motto: Diese Position sei maßgeschneidert. Sein neuer Chef, Sozialamtsleiter Friedrich Büttner, hat das offenbar ähnlich gesehen und ihn eingestellt.

Aber was macht ein Mann, der tagtäglich die Probleme anderer wälzt, eigentlich in seiner Freizeit? Nun: Er ist Fußballfan. Der FC Liverpool hat es ihm angetan, und unter den deutschen Mannschaften mag er die Bayern. Früher hat Effertz als Mannschaftsspieler gerne selbst gegen den Ball getreten. Heute wandert er stattdessen mit seiner Familie durchs Voralpenland.

© SZ vom 28.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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