Partnerschaft:Gemeinsam Reis stampfen

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Zur Bekräftigung der neuen Freundschaft hat der damalige Landrat Karl Roth in Hualien das Tanzbein schwingen müssen (hier noch mit Magistrat Fu). (Foto: Astrid Becker)

Die Starnberger Delegation schließt bei ihrem Besuch auf Taiwan gleich mit einem zweiten Landkreis eine Partnerschaft ab. Diese wird mit dortigen Gebräuchen sogleich besiegelt.

Von Astrid Becker, Starnberg

Der Landkreis Starnberg intensiviert seine Beziehungen zu Taiwan - und das dürfte in dieser Form einzigartig in Bayern sein. Genau eine Woche nach der Abreise der Starnberger Delegation nach Ostasien haben Landrat Karl Roth sowie die mitreisenden Fraktionsvorsitzenden eine Freundschaftserklärung mit dem Landkreis Hualien im Osten des Inselstaates unterzeichnet. In einem feierlichen Akt beurkundeten beide Seiten ihre Absicht, sich auf verschiedenen Ebenen auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Schwerpunkte dieser neuen freundschaftlichen Beziehungen "könnten insbesondere Bildung, Kultur, Tourismus, Sport und Wirtschaft" sein, wie es in der Erklärung heißt. Dies solle der Völkerverständigung und dem gegenseitigen Verständnis dienen.

Als die Starnberger am 8. April ihr Flugzeug Richtung Osten bestiegen, ahnte kaum jemand von ihnen, wie herzlich sie in Taiwan empfangen würden und wie groß das Interesse an ihnen sein würde. Selbst Landrat Karl Roth nicht, der bereits zum dritten Mal nach Taiwan gereist ist. Dass diese Reise nun in eine zweite Freundschaftserklärung münden würde, diesmal mit einem Landkreis im Osten der Republik China, wie Taiwan sich offiziell nennt, konnte sich auch Roth nicht vorstellen: "Dass es so konkret werden würde, hat mich dann doch überrascht."

Bereits im vergangenen Herbst waren Mitarbeiter der Kreisverwaltung aus Hualien nach Deutschland gereist und hatten sich mit Landrat Karl Roth und seinen beiden Sprechern Barbara Beck und Stefan Diebl getroffen. Eingefädelt hatte den Kontakt Charlotte Han, die einerseits die Delegation auf ihrer Reise durch Taiwan begleitet, andererseits Ehrenpräsidentin des deutsch-chinesischen Wirtschafts- und Kulturverbands ist (siehe Interview rechts). Unterstützt wurde die umtriebige und perfekt Deutsch sprechende Frau, die auch die Ansprechpartnerin Nummer eins für das Starnberger Landratsamts in Sachen Taiwan ist, vom Generaldirektor der Deutschen Vertretung ("German Institute"), Martin Eberts.

"Die Chemie zwischen uns und den Vertretern aus Hualien hat bei diesem Gespräch sofort gestimmt", erzählt Roth. Aber von einer Freundschaftserklärung sei keine Rede gewesen. "Wir haben uns ausgetauscht und es war klar, dass Hualien Kontakte nach Deutschland aufbauen will, mehr aber auch nicht." Schließlich bestehe eine solche Verbindung bereits mit New Taipei City "und das ja schon seit 33 Jahren". Deshalb sei ihm das auch erst einmal nicht in den Sinn gekommen.

Doch je mehr Zeit die Vertreter des Landkreises in Taiwan verbrachten, desto häufiger mehrten sich die Anzeichen, dass hier "irgendwas im Busch" sein könnte, wie es der stellvertretende Landrat Tim Weidner formulierte. Er hatte dafür eine Erklärung parat: "Starnberg ist der einzige Landkreis in Bayern mit langjährigen partnerschaftlichen Beziehungen zu einer Kommune in Taiwan." Diese Aussage muss vor der Hintergrund politischer sowie völkerrechtlicher Besonderheiten dieses Landes und seiner komplizierten Geschichte verstanden werden. Taiwan sieht sich selbst seit dem Ende der japanischen Kolonialherrschaft und des Zweiten Weltkriegs als souveräner Staat. Für die Volksrepublik China hingegen ist Taiwan nach wie vor ein Bestandteil chinesischen Territoriums. Ende der Siebziger hatten die Auseinandersetzungen in dieser Frage einen Höhepunkt in einer UN-Resolution gefunden, in der der Alleinvertretungsanspruch der Volksrepublik für China in den Vereinten Nationen festgelegt wurde. Taiwan, wurde damit quasi ausgeschlossen und isoliert.

Dies hatte auch zur Folge, dass heute nur ein einziger europäischer Staat offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan pflegt: der Vatikan. In allen anderen Ländern Europas, so auch in Deutschland, nur halboffiziell vertreten, also nicht in Form von Botschaften, sondern von "Kulturbüros". Umso wichtiger ist es nun aus taiwanischer Sicht, ganz jenseits des diplomatischen Parketts Kontakte zu anderen Ländern zu knüpfen. Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle, weil es für Taiwan der drittstärkste Handelspartner ist. "Bayern ist wiederum wirtschaftlich wichtig für Deutschland und der Landkreis Starnberg mit seinem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum oder Firmen wie Torqeedo wichtig für Bayern", so erklärten es sich am Ende die Delegationsmitglieder. In Hualien sieht man das offenbar ähnlich. Dessen Landrat, Fu Kun-Chi, lobt Starnberg in den höchsten Tönen: "Der schönste und beste Landkreis ganz Deutschlands, nein ganz Europas."

Fu ist übrigens in Taiwan äußerst populär. Gleich acht Mal in Folge wurde er von den Bürgern zum besten Landrat der Nation gekürt - und er wird in Taiwan bereits als möglicher Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten gehandelt. Der Festakt zur Unterzeichnung der Freundschaftserklärung mit dem Landkreis Starnberg fand jedenfalls unter beeindruckenden Medienrummel statt. Auf der Bühne hing ein riesiges Plakat mit den Konterfeis der beiden Landräte, alles innerhalb von zwei Tagen von dem Landratsamt in Hualien organisiert.

Nach der Unterzeichnung der Erklärung tauschten Fu Kun-Chi und Roth Geschenke aus, dann stampften sie gemeinsam Reis. Ein Ritual eines der 16 indigenen Völker des Landes, der Ami. Diese waren in ihrer bunten Tracht erschienen und besiegelten die neue Freundschaft am Ende noch einmal auf ganz besondere Weise: Sie führten die Starnberger in ihre Kunst des Tanzens ein.

Verkehrsmanagerin Susanne Münster und Kreiskämmerer Stefan Pilgram brachten dann später das auf den Punkt, was wohl alle an diesem Tag empfanden: "Das hat alles noch übertroffen, was wir hier bisher schon an Lebensfreude und Herzenswärme erlebt haben. Der Hammer." Auch Landrat Roth ist sichtlich überwältigt: "Wir haben ein Pflänzchen gesetzt, dass sich zu einem großen, dicken Stamm entwickeln kann."

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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