Neue Ausstellung:Heimat in knalligen Farben

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Der Maler Peter Angermann stellt seine Bilder im Museum Starnberger See aus. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Maler Peter Angermann setzt sich auf seine ganz eigene Weise mit Land und Leuten auseinander. Manche seiner Bilder geraten zu schrillen Alpträumen.

Von Katja Sebald, Starnberg

"Zur Abwechslung mal nicht Lieschen Müller vor den Kopf zu stoßen, sondern die Fachwelt, erwies sich als sehr inspirierend", sagt Peter Angermann rückblickend über seine Idee, allen Zeitströmungen zum Trotz mit der Staffelei ins Freie zu gehen, um pleinair zu malen. Das war in den Achtzigerjahren, als die Kunstwelt mal wieder in Aufruhr war, weil die einen gar nicht mehr malen wollten und die anderen skandalös expressive Bilder produzierten. Vier Jahrzehnte später hat Angermann mit seiner ungewöhnlichen Landschaftsmalerei ein Stück Kunstgeschichte geschrieben. Jetzt zeigt er im Museum Starnberger See unter dem Titel "Ins Freie" seine Bilder; einige davon sind heuer im Frühjahr eigens für diese Ausstellung vor Ort entstanden.

Mit der Einladung an den Beuys-Schüler Angermann ist Museumsleiter Benjamin Tillig ein Coup gelungen. Das liegt zum einen an den Bildern selbst, die sattfarbig und unerhört malerisch im Beton-Untergeschoss des Museums so richtig knallen. Vor allem aber liegt es an der Auseinandersetzung mit dem Begriff "Heimat". So schlägt Tillig auf sehr originelle Weise eine Brücke zwischen dem ehemaligen Heimatmuseum, dessen Auftrag sich nicht mehr mit dem Präsentieren von Fischernetzen und Kochgeschirr vergangener Jahrhunderte erschöpfen kann, und der zeitgenössischen Kunst, die sich mit einer sich rapide wandelnden Gesellschaft beschäftigt.

Auch diese Figur in knalligem Rot gehört zu den Motiven von Peter Angermann. (Foto: Arlet Ulfers)

Angermann selbst bezeichnet seine Bilder als "Heimatmalerei". Und es wäre zu kurz gegriffen, würde man sie nur als Provokation verstehen. Was in den Achtzigerjahren als Spaß begonnen hat, ist längst Ernst geworden, macht aber dem Maler immer noch sichtlich großen Spaß. Angermann, der sich intensiv mit den Maltechniken und den Lichtfarben der Impressionisten auseinandersetzte und für sich die Entwicklung von einer strikten Lokalfarbigkeit bis zum gänzlichen Verzicht darauf noch einmal durchmachen musste, hat schließlich eine völlig eigenständige künstlerische Position gefunden.

Ausgehend von in kräftigen Bonbonfarben grundierten Leinwänden entwickelt er im Freien, direkt in der Landschaft, seine Motive, die immer auch einen Bezug zu seinem Leben haben. Der Blick, der sich von seinem Haus im fränkischen Thundorf auf eine von drei großen Windrädern verstellte Hügellandschaft bietet, gehört ebenso dazu wie sein Malausflug an den Starnberger See. Als Sechsjähriger verbrachte er eine vierwöchige Ferienfreizeit in der Seeburg bei Allmannshausen. Im März dieses Jahres kehrte er noch einmal an die Orte seiner Kindheitserinnerungen zurück, diesmal mit Fahrrad, Staffelei, Leinwand und Palette. Er saß am waldigen Ostufer und neben dem Maibaum vor dem Allmannshauser Kirchlein, er blickte von Percha nach Starnberg und vom Feldafinger Ufer auf die Roseninsel.

Die Seeburg bei Allmannshausen: Dort hatte der Maler als Sechsjähriger eine Ferienfreizeit verbracht. (Foto: Arlet Ulfers)

Ein beherzter wie souveräner Pinselduktus und eine ungewöhnliche, zuweilen befremdlich grelle Farbigkeit bestimmen diese "Heimatmalerei", in der es auch um Fragen der Wahrnehmung geht. Anders als die allgegenwärtige Handykamera, die keinen Unterschied zwischen einem großartigen Panorama und einem Schnitzel auf dem Teller macht, findet zwischen dem Auge des Malers und seiner Hand mit dem Pinsel ein Prozess von Schauen, Auswählen, Hervorheben und Weglassen statt. Und so ist das gemalte Bild eben keine Abbildung, sondern ein subjektives Erschauen der Welt: eine himmelblaue Straße schlängelt sich freundlich zwischen rosafarbenen Wiesenrändern einen Hügel hinauf, oben stehen hingewürfelte Häuser vor dem dunkelblauen Wald. Dann aber schieben sich Biogasanlagen und Kriegsflugzeuge vor die vermeintliche Idylle, bunte Bilder werden zu schrillen Albträumen.

Mit der Staffelei vor der Roseninsel: "Ins Freie" lautet der Titel der aktuellen Ausstellung (Foto: Arlet Ulfers)

Peter Angermann, 1945 in Rehau geboren, studierte bis 1968 Malerei in Nürnberg und bis 1972 bei Joseph Beuys in Düsseldorf. In Opposition zu Beuys gründete er 1969 mit Robert Hartmann, Hans Rogalla, Hans Henin und Hans Heiniger die "Gruppe YIUP" und mischte von Düsseldorf aus bei den "Neuen Wilden" mit. 1979 folgte mit Jan Knap und Milan Kunc die "Künstlergruppe Normal". Angermann lehrte Malerei an der Städelschule in Frankfurt am Main und an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg.

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