Initiative gegen Leerstand in Dießen:Das Pop-up-Malstudio

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Bis zum 17. Februar stellt Claus Bayerle seine Gemälde im leer stehenden Laden am Dießener Rathaus aus. (Foto: Arlet Ulfers/Arlet Ulfers)

Der Gewerbeverband vermietet den Trödelladen am Dießener Rathaus im monatlichen Wechsel weiter - bis der Umbau zu Verwaltungsräumen beginnt. Derzeit nutzt Claus Bayerle, Ur-Dießener, Gastronom und Galerist, die Räume, um zu malen und seine Bilder zu präsentieren.

Von Armin Greune, Dießen

Vor Weihnachten hat er noch im Blauen Haus ausgestellt, jetzt zeigt er seine Werke halt ein paar Meter weiter südlich auf der gegenüberliegenden Seite von Dießens zentraler Verkehrsader. Im Moment ist Claus Bayerle am Rathauseck untergekommen und nutzt dort das vormalige Trödelgeschäft als Galerie und Atelier für seine Malerei.

Nachdem der Laden im Eigentum der Gemeinde ein Jahr lang leer gestanden hatte, mietete ihn der Dießener Gewerbeverband für wechselnde Pop-up-Stores auf Zeit an. Mittelfristig werden die Räume im Parterre von Prinz-Ludwig-Straße 2 für eine Erweiterung der Rathausverwaltung benötigt, die Entwurfsplanung ist bereits in Auftrag gegeben. Bis aber der Umbau beginnt, vermietet der Gewerbeverband das ehemalige "Krempels" im ein- bis zweimonatigen Wechsel kostendeckend weiter. "Zu sehr günstigen Konditionen", verrät Jan Dicks vom Vorstand der örtlichen Selbständigen, auf dessen Initiative die Zwischennutzung zurückgeht.

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Weil er im Haus Prinz-Ludwig-Straße 4 einen Mode-, Geschenke- und Wohnaccessoires-Laden betreibt, hatte er zunächst selbst ein Auge auf den benachbarten Leerstand geworfen. Doch Dicks Anfrage beschied die Gemeinde erst einmal negativ. Eine Zwischennutzung durch den Dießener Gewerbeverband mit kurzfristig kündbarem Mietvertrag konnte man sich im Rathaus hingegen gut vorstellen. Jan Dicks war dann gemeinsam mit Andrea Frahm der erste Untermieter, als der Pop-up-Store Mitte November eröffnete. Unter dem Namen "Adebar & LA13" wurden dort zwei Monate lang unter anderem Schmuck, Bilder, Dekorationsartikel, Damen- und Herrenmoden angeboten.

Inzwischen ist mit Claus Bayerle ein bestens bekannter und vernetzter Ur-Dießener nachgefolgt. Er kann auf eine ebenso bodenständige wie weltläufige Biografie zurückblicken. Vor 75 Jahren wurde er in Dießen geboren, die Eltern hatten ein Elektrogeschäft in der Fischerei, wo er auch in die Lehre ging. Doch dann betrieb Bayerle mit einer "Liebschaft" fünf Jahre lang ein Kindermodengeschäft mit Filialen in Dießen, Landsberg und auf Norderney. Mit Anfang 30 erlernte er dann das Schreinerhandwerk, später fertigte er drei Jahre lang Maßmöbel für ein Münchener Innenarchitekturbüro.

Verkehrsgünstige Lage: Durch das Schaufenster des Pop-Up-Stores blickt man auf Dießens meist befahrene Straße. (Foto: Arlet Ulfers/Arlet Ulfers)
Im Rathaus (links) wird es zu eng, deshalb sollen auch im gelben Ladengebäude nebenan Büros eingerichtet werden. (Foto: Arlet Ulfers)

Mit seiner zweiten Frau aber fasste er den Plan, in die USA auszuwandern. Um die Green Card für einen dauerhaften Aufenthalt zu erhalten, eröffnete das Paar eine Galerie in Palm Beach, die auf Litho- und Fotografien spezialisiert war. "Eigentlich habe ich die sieben Jahre in Florida fast nur gemalt", erzählt Bayerle rückblickend. 1990 kehrte er nach Dießen zurück, als nach dem Tod der Eltern das Elektrogeschäft aufgelöst werden musste.

Dort eröffnete er dann mit seiner dritten Frau das Bistro "Essens Art" und betrieb es fast 20 Jahre lang. Nach der Trennung arbeitete er für den benachbarten Gasthof "Unterbräu" ein Jahrzehnt lang im Service, nach der Pandemie bediente er die Gäste in der Dießener "Südsee" oder in der Pähler "Alten Post". Und zwischendrin war Bayerle bei einer Starnberger Lasertechnik-Firma angestellt, "weil ich technisch zeichnen konnte".

Das Malen aber habe ihn seit dem 16. Lebensjahr immer begleitet, sagt Bayerle. Schon 1987 zeigte er seine Bilder in der Herrschinger Finanzschule, später in Galerien in den USA, zuletzt aber immer wieder in wechselnden Gebäuden an der Prinz-Ludwigstraße in Dießen. Bei seiner nach 2017 und 2019 dritten Ausstellung im Blauen Haus sei das Interesse "überwältigend" gewesen, 150 Besucher hat Bayerle im vergangenen Dezember gezählt.

Meist malt er abstrakt und greift zu mehr oder weniger gewagten Farbkombinationen. Mal offenbaren die Bilder klar umrissene, geometrische Flächen, mal befinden sich die Strukturen in organisch anmutender Auflösung und erinnern so etwa an ein glühendes Lavafeld. Bayerles Lieblingswerk im Pop-up-Store zeigt graue Tropfen und Schlieren vor einem dunkelblauen, türkis umrahmten Hintergrund. Es gibt aber auch zwei Reihen gegenständlicher Kleinformate, die Flusskrebse oder karikative Gänseporträts zeigen.

Galerist und Gastronom, Kellner und Künstler: Claus Bayerle inmitten seiner Werke. (Foto: Arlet Ulfers/Arlet Ulfers)

Am besten verkauften sich derzeit extrem schmale Gemälde, etwa im Format 30 mal 160 Zentimeter, sagt Bayerle. Die ließen sich senkrecht an einer Säule oder waagerecht auf einen Fenstersturz hängen. Im Hinterzimmer des Ladens ist ein provisorisches Atelier eingerichtet, wo ihm Besucher mittwochs bis freitags von 11 bis 17 Uhr sowie Samstagmittag bei der Arbeit zusehen können.

Nicht nur Bayerles Interims-Galerie, sondern auch das Pop-up-Konzept ist in Dießen gut aufgenommen worden. Am 17. Februar zieht mit der Einzelhändlerin Kathrin Stork der nächste Untermieter ein, der Store ist bereits bis Mitte Oktober ausgebucht. In den kommenden Monaten sollen dort unter anderem Sonderaktionen des örtlichen Einzelhandels, eine Möbelausstellung und eine Keramik-Schau während des Töpfermarkts stattfinden, sagt Dicks. Er rechnet damit, dass der Umbau frühestens Ende nächsten Jahres in Angriff genommen wird. Bis dahin profitierten alle Seiten vom Pop-up-Store: Dießens Gewerbe, Kunsthandwerker und Kreativschaffende erhielten Präsentationsfläche an der zentralen Kreuzung des Ortes und die Marktgemeinde bescheidene Mieteinnahmen. Und auch den sonst ungenutzt dem Verfall preisgegebenen Räumen und dem Ortsbild kommt die Aktion zugute.

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