Leukämie:"Rausgerissen aus dem Leben"

Lesezeit: 4 min

Barbara Inderst aus Pöcking ist an Leukämie erkrankt und hofft nun, dass bei der Typisierungsaktion ein Stammzellenspender gefunden wird. Das könnte ihr Leben retten. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im März erhält die 24-jährige Barbara Inderst aus Pöcking die Nachricht, dass sie Blutkrebs hat. Was macht das mit einem so jungen Menschen, wenn das Leben von heute auf morgen eine 180-Grad-Wendung nimmt?

Von Franziska Peer, Pöcking

Um 13 Uhr klingelt ihr Handy. Anruf vom Arzt: Eine Auffälligkeit im Blut wurde entdeckt. Ab ins Krankenhaus. Jetzt sofort.

Dieser Moment liegt jetzt drei Monate zurück. Eine Glastür öffnet sich und Babara Inderst tritt aus dem Inneren der Universitätsklinik in Großhadern ins Freie. Sie trägt einen schwarz-weißen Rock, dazu ein buntes Blumentuch um den Kopf gewickelt. Um ihr Immunsystem zu schützen, ist es sicherer für sie, Besucher draußen an der frischen Luft zu empfangen.

Angekommen auf einer Bank vor dem Krankenhaus fängt die 24-Jährige an zu erzählen: Sie war im März beim Arzt weil es ihr "nicht so gut ging", wie sie sagt. Der Arzt ließ Blut abnehmen und im Labor untersuchen, um einen auffälligen Vitamin- und Eisenmangel abzuklären. Doch dann kam am nächsten Tag der Anruf, der das Leben der jungen Frau verändert hat: "Tasche packen, ab ins Krankenhaus, da ist etwas im Blut, was da nicht hingehört, keine Zeit verlieren", erinnert sie sich noch genau. Zu dem Zeitpunkt wusste sie aber noch nicht, was eigentlich mit ihr los ist. Erst im Krankenhaus erhielt sie die Diagnose: Leukämie. "In dem Moment stand ich immer noch voll auf dem Schlauch und wusste gar nicht, was das ist." Blutkrebs, erklärte ihre Mutter.

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Alle 45 Minuten erkrankt in Deutschland ein Mensch neu an Leukämie, jährlich sind das etwa 13 000 Menschen. Es handelt sich um eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. ALL, kurz für akute lymphoblastische Leukämie, heißt Indersts Krankheitstyp. Mit einem Anteil von etwa 80 Prozent ist die ALL die häufigste Form der Leukämien bei Kindern und Jugendlichen; sie kann allerdings auch bei Erwachsenen auftreten.

Barbara Inderst arbeitet in Söcking als Kindererzieherin, es ist ihr Traumberuf, wie sie sagt. Dort befand sie sich auch, als der Anruf des Arztes kam. Zufällig schaute sie in dem Moment auf ihr Handy. Und dann ging alles ganz schnell. "Mittendrin rausgerissen aus dem Leben", beschreibt es Inderst. Von heute auf morgen bestimmen nun monatelange Klinikaufenthalte mit Chemotherapien ihren Alltag.

Mit solchen Stäbchen wird in der Wange eine Speichelprobe entnommen. (Foto: Catherina Hess)
Die DKMS ist eine international aufgestellte, gemeinnützige Organisation, die Stammzellenspender registriert und vermittelt. Dazu gehören auch die Typisierungsaktionen. (Foto: Claus Schunk)

Sie selbst kann bis heute noch nicht ganz realisieren, dass sie krank ist. Inderst erzählt beim Treffen in Großhadern, sie spüre kaum Nebenwirkungen von der Chemotherapie: "Typisch ich, ich vertrage immer alles so gut." Kurz unterbricht ein Handysignal das Gespräch; sie muss immer erreichbar sein, um schnell wieder zurück auf die Station zu können, doch diesmal ist es nur eine Nachricht ihrer Versicherung. Barbara Inderst: "Ich weiß schon, dass ich krank bin aber es ist trotzdem ab und zu komisch."

Sie ist eine begeisterte Sportlerin, egal, ob laufen, wandern, Zumba oder Rad fahren, Hauptsache Bewegung. Zwischen zwei und drei Mal die Woche trainierte sie zudem mit der Tanzgarde des Faschingsvereins in Pöcking. Im Ort ist "Babsi", wie sie meist nur genannt wird, deshalb auch keine Unbekannte. Momentan allerdings ist das Höchstmaß an Bewegung ein Spaziergang im Klinikpark.

In Pöcking kennen viele Leute Barbara Inderst (rechts) - sie arbeitet schließlich nicht nur in einer Kita, sondern tanzt auch beim Faschingsverein. (Foto: privat/oh)

Sie erhält viele Anrufe, Besuche und Unterstützung von ihren Freunden und ihrem Umfeld. Anfangs wusste Inderst nicht genau, wie ihr Umfeld auf die Nachricht reagiert. Sie war sich sicher, dass es ein riesengroßer Schock wird: "Aber ich weiß, dass sie da sind und mich unterstützen." Bei der Unterhaltung mit Inderst fällt besonders ihre optimistische und lebensbejahende Einstellung auf, trotz ihrer Krankheit. Sie ist selbst fest davon überzeugt, dass dies ausschlaggebend für einen erfolgreichen Verlauf ist. "Ich schaffe den Kampf ", sagt sie und lächelt. Auch ihr Umfeld bewundert sie für diese Einstellung. Die 24-Jährige schmiedet bereits mit ihren Freunden Pläne für die Zeit nach ihrem Klinikaufenthalt. Der Satz "Wir holen alles nach" gibt ihr Kraft. Ganz besonders freut sie sich auch schon darauf, wieder als Erzieherin arbeiten zu können. Die Kinder und den Sport vermisse sie sehr. "Ich mache das durch und dann mache ich weiter im Leben."

Bei ihrem Typus von Leukämie sieht die Therapie wie folgt aus: Der Patient wird zuerst mit Hilfe einer hoch dosierten Chemotherapie behandelt, so dass im Idealfall alle Leukämiezellen zerstört werden. In der sich anschließenden Phase werden dem Patienten mittels Infusion gesunde Stammzellen von einem Spender übertragen, da durch die Chemotherapie nicht nur Krebszellen sondern auch gesunde Zellen zerstört werden. Hierfür muss ein passender Spender gefunden werden. Sobald nach der Chemotherapie ein Spender gefunden wird, prognostizieren die Ärzte Inderst eine hohe Heilungschance durch die Stammzellentherapie. Für viele Patienten, wie auch für Inderst ist eine Stammzellenspende meist das einzige Mittel zur Heilung.

Mit einem Wangenabstrich Leben retten

Von 14 bis 18 Uhr besteht am kommenden Sonntag, 18. Juni, im Beccult in Pöcking die Gelegenheit, sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) als potenzieller Stammzellenspender zu registrieren. Wer einmal in die Datenbank aufgenommen wurde, kommt nicht nur für Barbara Inderst, sondern auch für viele weitere Patienten als Spender in Frage. Als potentielle Spender eignen sich alle gesunden Menschen im Alter zwischen 17 und 55 Jahren. Nach dem Ausfüllen einer Einwilligungserklärung führen die Teilnehmer einen Wangenschleimhautabstrich mittels eines speziellen Wattestäbchens durch. Für die Registrierung ist, anders als früher, keine Blutabnahme nötig. Die Registrierung geht einfach und schnell.

Laut DKMS kommt es nur bei etwa einem von hundert Registrierten letztlich auch zu einer Stammzellspende. Es gibt zwei verschiedene Methoden, Stammzellen zu spenden: die periphere Stammzellentnahme und die Knochenmarkentnahme. Die periphere Stammzellentnahme kommt derzeit mit circa 90 Prozent am häufigsten zum Einsatz. Bei dieser Methode werden die Stammzellen über ein spezielles Verfahren (Apherese) aus dem Blut gewonnen. Die Knochenmarkentnahme kommt bei etwa zehn Prozent der Stammzellspenden zum Einsatz. Dabei wird den Spendern unter Vollnarkose etwa ein Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen.

Rund um die Registrierung in Pöcking wird es ein buntes Rahmenprogramm geben, an dem sich der Pöckinger Faschingsclub, die Blaskapelle, der Schützenverein und viele weitere Vereine beteiligen. Auch Geldspenden werden benötigt, da für jede Registrierung Kosten von 40 Euro anfallen. Wer an dem Termin verhindert ist kann sich alternativ auch ein Registrierungsset nach Hause bestellen.

Die DKMS, kurz für deutsche Knochenmarkspenderdatei, ist die größte Datei zur Erfassung von möglichen Spendern. In der DKMS sind nach eigenen Angaben mehr als 11,5 Millionen potenzielle Spender registriert. Daneben gibt es noch weitere Spenderdatenbanken wie beispielswiese die Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) mit Sitz in Gauting. Hier sind aktuell mehr als 335 000 Stammzellspender registriert. Alle Organisationen greifen auf das selbe weltweite Spendernetz zu, daher reicht es auch, sich bei einer einzigen Organisation zu registrieren. Beispiel: Wer schon bei der AKB ist, muss nicht zusätzlich zur DKMS oder umgekehrt. Eine Typisierungsaktion der AKB findet am Samstag, 24. Juni von 11 bis 16 Uhr im Carl-Spitzweg-Gymnasium in Germering statt.

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