Kulturpreisträgerinnen im Landkreis Starnberg:Malen und malen lassen

Lesezeit: 8 min

Kulturpreisträgerinnen Ursula Steglich-Schaupp (links) und Rosemarie Zacher (rechts). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ursula Steglich-Schaupp aus Herrsching und Rosemarie Zacher aus Gauting prägen seit drei Jahrzehnten das Kultur- und Ausstellungsgeschehen. Nun werden die beiden Künstlerinnen ausgezeichnet.

Von Armin Greune, Starnberg

Ursula Steglich-Schaupp und Rosemarie Zacher prägen seit drei Jahrzehnten das Kultur- und Ausstellungsgeschehen im Landkreis Starnberg mit. Ihr künstlerisches Schaffen zeugt von hoher Originalität und Vielseitigkeit in der Wahl der Themen und Techniken. So unterschiedlich das jeweilige Werk auch ist und trotz ihres Altersunterschieds haben die zwei Künstlerinnen doch Einiges gemeinsam. Beide bewegen sich von Anfang an munter zwischen den Polen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Neben der Selbstverwirklichung durch die eigene schöpferische Arbeit ist es ihnen auch ein Anliegen, die Freude an kreativer Gestaltung auf andere zu übertragen. Beide haben vor vielen Jahren als Kunstpreisträgerinnen der Stadt Starnberg zwei Jahre das Paul Thiem-Atelier nutzen können - mit großem Gewinn für die eigene Entwicklung. Und an diesem Donnerstag werden Rosemarie Zacher und Ursula Steglich-Schaupp mit dem Kulturpreis des Landkreises Starnberg ausgezeichnet, der mit je 4000 Euro dotiert ist. Die gleichzeitige Ehrung ist auf die Pandemie zurückzuführen: Die Verleihung musste gleich zweimal ausfallen. Deshalb werden heuer ausnahmsweise zwei Kulturpreise vergeben. Außerdem erhält die Berger Kulturjournalistin, Buchautorin und Kuratorin Katja Sebald den mit 2000 Euro dotierten Anerkennungspreis des Landkreises für ihr Engagement bei der Vermittlung von lokaler Kunst und Kulturgeschichte.

Papier, Schnee und Stahl: Ursula Steglich-Schaupp

Eindringlich: Ursula Steglich-Schaupp 'Amour Fou' (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein eindringliches Tischdenkmal für die hungernden Kinder der Welt in der Schalterhalle des Starnberger Bahnhofs. Die herrlich witzige Installation "Mäusespektakel" mit Musik und Heerscharen tönerner Nagetiere in ihrem Possenhofener Atelier, in der sich die Nagerplage eben dort widerspiegelte. Riesige Papierfahnen als Illustration zu einer Erzählung von Kafka. Kleinformatige Tusche-Bleistift-Kreide-Zeichnungen, die auf Sylt entstanden sind. Ein vielfach durchbrochener und mit Brandspuren überzogener "Torso" aus Keramik, ein im Pop-Art-Stil verfremdetes Hirschgeweih als "Hubertuslicht".

Münchner Umland-Newsletter
:SZ Gerne draußen!

Die besten Geschichten, spannende Menschen und Veranstaltungen für Groß und Klein in den Landkreisen rund um München und darüber hinaus - immer donnerstags in unserem kostenlosen Newsletter.

Wer Ursula Steglich-Schaupps umfangreiches Schaffen im Rückblick über drei Jahrzehnte betrachtet, ist immer wieder verblüfft über die unglaubliche Vielfalt der Themen und Techniken in ihrem Werk. Und den erfrischenden Ideenreichtum, der daraus spricht. Mal tritt sie als Märchenerzählerin auf, dann wiederum stellt sie mit blau übermalten Seekarten symbolisch dar, wie sich die "Festung Europa" gegen jeglichen Landungsversuch verbarrikadiert.

Die Künstlerin hat eine Serie mit "Culinaria" gestaltet und kann ziemlich komisch sein, wie sie etwa mit ihrer ironischen Postkartenserie "Unser schönes Starnberg" bewiesen hat: Anlässlich der 100-Jahr-Feier zur Stadterhebung verschmolz sie Starnberger Motive mit pittoresken Ansichten von Garda- und Bodensee.

Steglich-Schaupp bezieht in manchen ihrer Werke klar politisch Position und sieht sich einen Schritt weit auch als feministische Künstlerin - schon weil es für sie selbst ein Akt der Emanzipation war, aus dem Schatten ihres Mannes herauszutreten. In der Ehe mit Ekke Steglich, der als begeisternder Kunsterzieher vielen ehemaligen Starnberger Gymnasiasten in Erinnerung geblieben ist, hatte ihr künstlerischer Ausdruckswillen immer hinter familiären Aufgaben und dem Ehrgeiz des Mannes zurückzustehen. "Meine Beschäftigung mit Keramik wurde im Hintergrund toleriert, für Malerei und Zeichnung aber fühlte er sich in erster Linie zuständig", erinnert sich Steglich-Schaupp.

Erst nach der Trennung konnte sie sich freier entfalten, trotz der damit einhergehenden Einschränkungen als Alleinerziehende. Später setzte sie sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit diesem Aspekt der eigenen Biografie auseinander, als sie unfertige Bilder ihres Ex-Mannes nach dessen Tod partiell übermalte.

Mit der Auszeichnung durch den Kulturpreis der Stadt Starnberg 1995 ergab sich als Stadtmalerin im historischen Atelier von Paul Thiem "die großartige Gelegenheit zwei Jahre lang nächtens arbeiten zu können", sagt Steglich-Schaupp. Tagsüber war die Zeit knapp: Nachmittags forderte der Nachwuchs ihre Aufmerksamkeit, vormittags war sie als Kunsterzieherin am Pasinger Max-Planck-Gymnasium tätig. Dort hat Steglich-Schaupp mit den Schülern beispielsweise "Siebdruck praktiziert, geschweißt oder im Pausenhof Schneefrauen gebaut", erinnert sie sich mit spürbarem Vergnügen. Die Begeisterung für die Pädagogik wurzelt bei ihr in der eigenen Schulzeit: "Ich habe selber eine Super-Kunsterzieherin gehabt."

Ihr Studium der Malerei und Graphik an der Akademie der Bildenden Künste München fiel in die zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Steglich-Schaupp wurde dabei weder von der politischen Bewegung noch der Schwabinger Boheme infiziert: "Ich kam ja vom Land und war dazu viel zu bieder." Und ihr Professor war ausgerechnet der Nazi-Günstling Hermann Kaspar, der als "Gottbegnadeter" die nie fertiggestellte Neue Reichskanzlei des Führers gestalten sollte. Kaspar durfte zum "Tag der Deutschen Kunst" in München 1937 und 1938 beim Aufmarsch seiner kitschtriefenden Festwagen direkt neben Hitler sitzen. Dessen ungeachtet war er 30 Jahre später Vizepräsident der Akademie der Bildenden Künste. Folgerichtig geriet er ins Schussfeld der Studentenrevolte, blieb aber bis 1972 Professor. In dieser Funktion habe er viel Wert auf Tradition und handwerkliches Grundwissen gelegt. "Wenn ihm was nicht passte, hatte er direkt in die Arbeiten der Studenten hineingezeichnet", erinnert sich Steglich-Schaupp. Für so manche sensible Künstlerseele war das schlimmer als jede körperliche Misshandlung.

Für sie hat der Kontakt und Austausch mit den Berufskollegen hohen Stellenwert: Sie ist Mitglied der "Gemeinschaft deutscher und oesterreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen GedoK", im Verband Bildender Künstler München und im Künstlerkreis Ammersee. Zwanzig Jahre lang war sie Kuratorin der Ausstellungen in der Politischen Akademie Tutzing. Von 2013 bis 2021 betreute sie mit Katharina Kreye und Ulrike Prusseit die Ausstellungsreihe "nah - fern" in der Schalterhalle im Bahnhof See Starnberg. Und als seinerzeitige Stadtmalerin war Steglich-Schaupp 1997 Gründungsmitglied der Offenen Ateliers in Starnberg, Pöcking,Feldafing, an denen sie selbstverständlich nach wie vor jährlich teilnimmt.

Bei dieser Vielzahl von Aktivitäten lassen sich im Zeitungsarchiv für sie gleich ein halbes Dutzend Heimatorte finden: In Artikeln wird sie wahlweise als Münchnerin, Starnbergerin, Possenhofenerin, Pöckingerin, Herrschingerin oder Breitbrunnerin gehandelt. Um das klarzustellen: Steglich-Schaupp hatte lange Jahre ein Atelier in Possenhofen, jetzt arbeitet sie im Starnberger Teil von Niederpöcking. Und ihr Wohnsitz ist seit langem in Breitbrunn.

Als "Artist in Residence" war sie Gast in Bulgarien, Frankreich und auf Sylt. Trotz der großen Anerkennung und öffentlichen Ankäufen war es ihr nie vergönnt, vom Erlös ihrer Werke allein leben zu können. Was sie keineswegs bedauert: "Ich danke jeden Monat dem bayerischen Staat, dass ich auch jetzt noch ein Auskommen habe. Wie meine Großmutter, die auch ausgebildete Künstlerin war, habe ich Kunst immer als bereichernd genug empfunden."

Steglich-Schaupps Malerei enthält häufig Momente explosiver Energie, sie verarbeitet darin Vergangenes, Impressionen und Emotionen, oft auf großformatigen Leinwänden. Sie habe "keine Scheu davor, die verwegensten Techniken, Farbträger und Malgründe zum Einsatz zu bringen", heißt es in der Begründung zur Preisverleihung. Die Künstlerin malt und übermalt, zeichnet, bestempelt, formt, schweißt, collagiert, arrangiert, druckt, betextet und noch einiges mehr. "Das ist nach wie vor eine meiner besten Beschäftigungen. Anfangs wollte ich nur schöne, dekorative Sachen machen." Inzwischen sei für sie zuvor die innere Auseinandersetzung mit Motiv und Material wichtig: "Man darf auch nicht zu viel wollen".

Meisterhafter Strich: Rosemarie Zacher

Heiterkeit und subtile Ironie sind häufig in Rosemarie Zachers Bildern zu finden wie hier mit "Zuag'roasta und Autochthon". (Foto: Georgine Treybal)

Also diese Examensarbeit hätte man ihr wohl eher nicht zugetraut. "Kapitalkonsolidierung im Konzern" lautete der Titel, mit dem sie das Studium der Betriebswirtschaft erfolgreich abschloss. Das passt so gar nicht zu der Rosemarie Zacher, wie sie viele Kunstinteressierte im Fünfseenland und weit darüber hinaus kennen: Der Künstlerin und Illustratorin, deren Arbeit meist verspielte Heiterkeit und subtile Ironie ausstrahlt. Und die mit viel ehrenamtlichem Engagement in der Gautinger "Schule der Fantasie" seit mehr als drei Jahrzehnten kreative Kurse für Grund- und Vorschüler anbietet - um nur einen Aspekt ihrer vielen kulturpädagogischen Aktivitäten zu nennen.

Als sie Ende der 1980er Jahre das Studium der Kunstpädagogik und Kunstgeschichte in München aufnahm, sei sie noch stark im Sicherheitsdenken verhaftet gewesen - deshalb zog sie nebenher noch ein BWL-Studium durch. Die profunden theoretischen Kenntnisse der Ökonomie hätten ihr dann auch im praktischen Berufsleben geholfen, findet Zacher: "Mir ist klar geworden, dass ich im Ein-Frau-Unternehmen mit Abteilungen wie Absatz, Produktion, Akquise und Finanzen immer nur eine Position wahrnehmen kann." Und dem Wirtschaftsstudium verdankt sie auch die Erkenntnis, dass sie als Workaholic auch bereit ist, "für einen lächerlichen Stundenlohn zu arbeiten, während Körper und Geist dabei erschlaffen".

Ein mitentscheidender Grund dafür, dass sich Zacher dankenswerterweise nicht der BWL sondern der Kunst zuwandte, war die für sie völlig überraschende Auszeichnung mit dem 1989 erstmals vergebenen Kunstpreis der Stadt Starnberg: "Bis dahin hätte ich mir gar nicht zugetraut, als Berufsperspektive selbst zu produzieren." Ihre Bewerbung hatte sie nur wegen der Aussicht eingereicht, dass die Arbeiten aller Kandidaten ein Wochenende lang öffentlich ausgestellt werden sollten. Mit 23 Jahren lebte sie noch im Gautinger Elternhaus, als sie telefonisch vom Preisgewinn erfuhr: "Ich war erst mal entsetzt und dann beschäftigt, mir die verheulten Augen bis zum Empfang zwei Stunden später zuzuschminken". In die Rolle als Stadtmalerin musste sie "erst einmal reinwachsen", sagt Zacher. Jedenfalls habe sie "jetzt beim Kreiskulturpreis ein sichereres Gefühl". Und Routine: Inzwischen stehen unter anderem auch der Günther-Klinge-Preis der Gemeinde Gauting oder der Pasinger Kunstpreis im Regal.

Zachers künstlerischem Wirken kann und konnte man an vielen Orten im Landkreis begegnen: beim Kulturspaziergang der Gemeinde Berg, beim Hochstadter Stier oder den Oberbayerischen Kulturtagen in Starnberg. Gerade hat sie den historischen Schaukasten im Museum Starnberger See bespielt. Überregional ist Zacher etwa mit einer Wappenstele in der Bayerischen Vertretung in Berlin vertreten. In Bamberg hat sie fünf Stolperstein-Stationen gestaltet und für die Bayrische Landesausstellung zum Thema "Kaiser Heinrich II." 65 Keramikfiguren gefertigt.

Vor allem aber haben ihre Illustrationen zum Bekanntheitsgrad beigetragen: Zwölf Jahre lang zeichnete sie für die Bayerische Staatszeitung, sie hat zahlreiche Plakate, Flyer und Bücher mitgestaltet. Gemeinsam mit Susanna Partsch entstand eine Reihe von kunstpädagogischen Büchern und an den Bedürfnissen von Kindern orientierte Reiseführer; 2009 waren die beiden Autorinnen für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Im Würmtal aber ist der Name Rosemarie Zacher vor allem wegen der "Schule der Phantasie" geläufig, die sie vor 33 Jahren mitbegründet hat. Auf Initiative von Gautinger Eltern und des damaligen Bürgermeisters sei diese ehrenamtliche Aufgabe "zu mir gekommen und ich bin sie nicht mehr losgeworden", sagt sie selbst lachend. Mittlerweile ist daraus eine Institution der außerschulischen Kunsterziehung gewachsen, die 23 Honorarkräfte beschäftigt. "Ich unterrichte nicht, um Geld zu verdienen, sondern weil es mir Spaß macht, mehrere Leben zu führen", stellt Zacher klar. Sie könne sich am Ergebnis "mitfreuen, wenn sie Ideen an andere weitergibt".

Das gilt ebenso für Kinder wie für Kunststudenten: Von 1991 bis 2003 war sie Lehrbeauftragte an der LMU München für Malerei, Zeichnung und Figurentheater. Seit 1994 erstellt sie museumspädagogische Konzepte für das Haus der Bayerischen Geschichte, gibt Workshops für das Max-Plank-Institut oder die Bayerische Schlösserverwaltung. Erst Anfang diesen Monats fand an der Kunstakademie "Eigenart" in Bad Heilbrunn ihr Kurs "Ein Hoch auf die Fläche" statt. Im Landkreis Starnberg hat sie unzählige Kunstprojektwochen in Kindergärten und Grundschulen geleitet oder auch auf der Roseninsel. In Gauting, wo sie seit der frühen Kindheit lebt, war sie 15 Jahre im Vorstand des Kunstvereins aktiv; als leidenschaftliche Sammlerin stellte sie mit Sybille Sommer das "Musée Sentimentale" mit Alltagsgegenständen zur Geschichte ihrer Heimatgemeinde zusammen.

Die eigene Malerei und Grafik durchzieht wie ein roter Faden ein scheinbar federleichter und doch technisch perfekter Strich, der sich am Rand in Abstraktionen verlieren kann. Im Mittelpunkt steht oft eine oder mehrere Personen, die einem auf merkwürdige Weise bekannt vorkommen, selbst wenn Zacher sie bloß mit ganz wenigen Strichen vorstellt. Die Konturen und Visagen können sich schon einmal fratzenhaft verzerren, wie bei George Grosz, der dem selbstgefälligen Bürger einen entlarvenden Spiegel vorhält.

Öfter - und vor allem in den Illustrationen und plastischen Figuren - wird ein eher verständnisvoll-spöttischer Blick auf die Karikierten geworfen. Zacher ist nicht auf Diffamierung und Vernichtung, sondern eher auf Versöhnung aus: "Die Welt ist unvollkommen, man selbst ist unvollkommen. Aus diesem Leid heraus kann man es nur mit Humor nehmen, Humor und Ernsthaftigkeit schließen sich ja nicht aus." Der augenzwinkernde Witz und die Fähigkeit, die Einzigartigkeit des Individuums möglichst reduziert freizulegen, verschaffen ihren Arbeiten einen hohen Widererkennungswert. Aber Zacher ist auch stets zur Abschweifung, etwa in die Objektkunst oder zur reinen Abstraktion bereit.

Sie arbeitet meist parallel an verschiedenen Werken, springt dann in ihrer Werkstatt - der Begriff Atelier ist ihr zu eitel und elitär - von der Staffelei zu den Tischen, an denen die einzelnen Arbeiten entstehen. Dabei will sie offenbleiben für die Inspiration, die eine leere Leinwand oder ein Klumpen Ton vermitteln können: "Das Material spricht mit mir, man darf nicht zu viel wollen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKönig Ludwig II.
:"Ich glaube an Königsmord"

Die Geschichte und der ungeklärte Tod des bayerischen Märchenkönigs beschäftigte ihn schon sein Leben lang. Nun hat der Pasinger Künstler Moses Wolff seine Theorie in einem Roman verarbeitet. Im Gespräch mit der SZ erklärt der Autor, was den Reiz des Ludwig-Mythos ausmacht.

Interview von Tim Graser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: