Weßlinger Umfahrung:Die große Krötenzählung

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Die gefährdeten Springfrösche werden von den Biologen markiert. So können sie mehr über deren Wanderung herausfinden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein Umweltbüro muss jede Amphibie auf Wanderschaft nach Art, Geschlecht und Alter registrieren. So will man herausfinden, ob die Tiere die nachgebesserten Tunnels auch wirklich nutzen.

Von Sabina Zollner, Weßling

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kommen die Kröten, Frösche und Molche nur schwerfällig aus ihrem Versteck. Die Amphibien sind wegen der Kälte zusammengerückt. Die Kaltblüter befinden sich gerade im Energiesparmodus: Da sie sich den Außentemperaturen anpassen, bewegen sie sich an diesem Morgen kaum fort.

Bevor die zwei Kröten und der Springfrosch weiter zu ihren Laichgewässer wandern, warten sie in ihrem Unterschlupf. Der besteht aus einer Grube unter einer weißen Kunststoffplane und ist eigens für die Tiere eingerichtet worden - der nächste Versuch, dem Schutz der Amphibien an der Weßlinger Umfahrung gerecht zu werden. Im vergangenen Jahr verendeten Tiere qualvoll etwa am klebrigen Beton, das Staatliche Bauamt besserte nach. Nun lässt die Behörde erforschen, ob Kröten und Co. die Tunnels auch nutzen.

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Während der Wanderzeit von acht Monaten kommt das Team des Münchner Umweltbüros GFN jeden Tag, um die Amphibien zu zählen. "Die Kröten wandern ja auch am Wochenende", scherzt der Inhaber des Umweltbüros, Bahram Gharadjedaghi. Jeden Morgen von sieben Uhr an geht das Team auf beiden Straßenseiten die 1,8 Kilometer lange Anlage ab, an der die Tiere an einem Zaun entlang in 200 Fangeimer geleitet werden. Jeder Eimer wird auf Amphibien geprüft und die Tiere registriert.

Auf einer Liste tragen die Mitarbeiter ein, ob es sich um Springfrosch, Grasfrosch, Erdkröte, Kammmolch, Teichmolch oder Bergmolch handelt. Auch wird zwischen Männchen, Weibchen und Jungtier unterschieden und der Standort des Eimers festgehalten. Danach werden die Tiere hinter dem Zaun in die Tagesverstecke gesetzt, die vor Raben und Mäusen schützen sollen. Dann können sie durch die Tunnels auf die andere Seite der Umfahrung wandern. Das nenen die Experten "Akzeptanzkontrolle".

Im Auftrag des Bauamts Weilheim - rechts Mitarbeiter Raphael Zuber - überprüft das Umweltbüro GFN, ob die Durchlässe an der Weßlinger Umfahrung funktionieren. Bahram Gharadjedaghi (links) wird dabei von seinen Mitarbeiterinnen Anja Biging (Mitte) und Simone Zimmermann unterstützt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Vorsichtig holt Bahram Gharadjedaghi einen Springfrosch unter der Plane hervor. "Es ist zu kalt zum Wandern. Die chillen heute", beschreibt er. Am Donnerstagmorgen finden Gharadjedaghi und sein Team zunächst kein Tier in den Eimern. Bei wärmeren Temperaturen sind die Behälter voll. Bei besonders viel Amphibienverkehr muss sogar ein zweites Team anrücken. Ein Einsatz kann bis zu vier Stunden dauern. Über zwei Saisons wird gezählt und registriert. So hoffen die Biologen feststellen zu können, wie viele und welche Amphibien den Durchlass genutzt haben.

Unter der weißen Kunststoffplane versteckt sich auch ein Kammmolch. "Den kann man an diesem orange-schwarzen Fleckenmuster an deren Unterseite erkennen. Jedes Muster ist einzigartig", beschreibt der Biologe. Die Tiere werden von Gharadjedaghi und seinem Team besonders genau beobachtet. An beiden Seiten der Durchlässe werden sie in eine Plastikbox gelegt und dann fotografiert. Die Bilder werden dann später abgeglichen, die Umweltplaner können die Wege der Kammmolche verfolgen. Auch die Springfrösche sind gefährdet - und werden deshalb mit einem Nummernschild markiert.

Doch manchen reicht der Einsatz nicht: Amphibienschützerin Daniela Brombach und Gerhild Schenck-Heuck vom Bund Naturschutz hatten im Gemeinderat Alarm geschlagen, weil die Tiere in überfüllten Eimern verenden könnten. Die Lokalpolitiker hatten dem Staatlichen Bauamt mit juristischen Schritten gedroht. Helfer wollten Amphibien sogar eigenhändig aus den Eimern fischen, was die Erhebung zunichte machen würde. Es müssten mehr Behälter aufgestellt werden, die Mitarbeiter müssten zweimal statt einmal am Tag kommen und das Wasser häufiger tauschen, forderte Brombach.

Bahram Gharadjedaghi nimmt die Kritik gelassen. Er betont, dass er noch kein einziges totes Tier gefunden habe. Zudem führt sein Team 15 Nachteinsätze durch, um zu sehen, wie Tiere die Durchlässe nutzen. "Ich glaube, die Menschen sollten aufhören, die Tiere zu sehr zu vermenschlichen", sagt er während er einer Kröte sanft über den Kopf streichelt.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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