Die Feuerwehren im Landkreis Starnberg haben ein neues Ausbildungszentrum: Künftig sollen in Krailling rund 450 Atemschutzgeräteträger der insgesamt 43 Freiwilligen Feuerwehren im Fünfseenland ihre jährliche Belastungsprüfung bestreiten. Zum ersten Probelauf erschien auch Landrat Stefan Frey (CSU), der es sich freilich nicht nehmen ließ, die Prüfung selbst zu absolvieren.
Einsätze zu ungewöhnlichen Zeiten mit Enge und Rauch, Leben retten unter Stress - und all das unentgeltlich. Für rund 700 Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Starnberg ist das eine Ehrensache. Um in Extremsituationen richtig agieren zu können, ist jedoch Selbstschutz erforderlich, unter anderem durch Atemschutzgeräte. Um dieses technische Gerät jedoch einsetzen zu dürfen, muss eine Ausbildung absolviert werden. Und hierzu ist eine Atemschutzübungsanlage notwendig, in der die Belastungssituation eines Einsatzes realitätsnah simuliert werden kann. In der großen Halle, in der die Fahrzeuge der Bereitschaftsfeuerwehr in Krailling rund um die Uhr einsatzbereit sind, ist zum Wochenbeginn die brandneue Atemschutzübungsanlage in Krailling in Betrieb gegangen.
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Stadtrat Stefan Frey erschien pünktlich zur Eröffnung. 550 000 Euro hat der Übungscontainer neben dem Feuerwehrhaus gekostet. Hier absolvieren die Atemschutzgeräteträger der Feuerwehren künftig ihre Prüfungen - unabdingbare Voraussetzung, um ein Atemschutzgerät auch im Einsatz verwenden zu dürfen. Zudem findet hier die qualifizierte und fundierte Ausbildung für diese Ausrüstung statt. Dafür sei der Standort besonders gut geeignet, so Klaus Ringhoff, Kreisbrandmeister und Leiter der Atemschutzausbildung, in seiner Eröffnungsrede. Zum einen sei die Fläche ursprünglich ohnehin als Erweiterungsbau für die Feuerwache gedacht gewesen. Zum anderen, weil die Schulungsräume im Obergeschoss endlich genutzt würden. Bis dato sei gut 40 Jahre lang im Keller des Starnberger Landratsamtes geübt worden. Auch Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux (FDP) war laut Ringhoff von Anfang an "Feuer und Flamme" für die Idee, im Würmtal ein Ausbildungscenter zu etablieren. 2020 hatten die Planungen für die neue Anlage im Würmtal begonnen.
Den ersten Probedurchgang in der neuen Anlage bestreiten Kreisbrandmeister Ringhoff und Landrat Frey. Zwei Atemschutzgeräteträger üben stets zusammen - aus gutem Grund: Auch im realen Einsatz wird in Zweierteams gearbeitet. Zuvor hatte sich Frey noch einer Sicherheitsunterweisung und einem Gesundheitscheck unterziehen müssen. Den "G26.3", so heißt die Tauglichkeitsuntersuchung für Atemschutzgeräteträger, diese müssen die Auserwählten alle drei Jahre über sich ergehen lassen. Dabei werden unter anderem Blutdruck und Herzfrequenz geprüft, um sicher zu sein, dass der Körper der anstrengenden Übung auch gewachsen ist.
"Ich freue mich darauf, selbst ein Gefühl dafür zu bekommen", sagte Frey noch, bevor er in die gut 30 Kilogramm schwere Sicherheitskleidung schlüpfte, die eher einer Rüstung gleicht. Wenn von den anfangs 300 bar in der Druckluftflasche noch 40 bis 50 bar Restluft übrig bleiben, hat er die Prüfung bestanden. Die Flasche auf dem Rücken erinnert dabei an einen viel zu schweren Bücherrucksack für Schüler. Allein das aufrechte Stehen kann für einen untrainierten Rücken schon eine Herausforderung darstellen.
Frey begibt sich zur ersten Station im unteren Container: Hier wird die Ausdauer in voller Montur getestet. Zunächst joggt der Landrat - ein erfahrener Landkreislauf-Teilnehmer - auf einem Laufband, ohne Pause geht es auf einem Ruder-Ergometer weiter. Zum Abschluss steht mit der Endlosleiter die für Frey herausforderndste Übung auf dem Plan. Der Ausdauertest ist bestanden, wenn der Pulsmesser auf dem Kontrollmonitor des Ausbilders 80 Kilojoule anzeigt. Im unteren Bereich zeigt der Bildschirm die Werte der Trainierenden an, oben ist er in neun Kacheln aufgeteilt. Jede einzelne Kachel zeigt eine andere Kameraeinstellung aus der Anlage, damit der Prüfer den kompletten Übungsdurchgang beobachten kann - dank Wärmebildkameras sogar bei völliger Dunkelheit.
Für Frey und Ringhoff gab es keine Verschnaufpause, der Sauerstoff aus der Flasche wurde immer knapper. Also ging es schnell weiter in den nächsten Raum, der mit seiner Geruchs- und Geräuschkulisse an eine Geisterbahn auf der Wiesn erinnert. Das Schnaufen durch die Atemmasken, laut knallende Metalltüren und künstlich erzeugter Rauch legten eine süßlich schmeckende Schwere über den Raum. Die beiden Gefährten krochen, krabbelten und zwängten sich durch ein Labyrinth aus Metallgittern und Rohren. Falltüren und Wände klappten nach oben oder zur Seite. Auf der Suche nach dem rechten Weg aus dem vergitterten Kabinett blieb Frey kurz in einem Rohr stecken, doch Ringhoff kam ihm zu Hilfe - und schob den Landrat sanft an den Schultern durch. Die milchige Luft macht die Sicht selbst ohne Maske verschwommen, verbale Verständigung ist wegen der lauten Geräusche kaum möglich. "Landrat hinter Gitter" witzelte Bürgermeister Haux.
Allerdings ist der Parcours nicht fest installiert. Die Gitterkulisse kann immer wieder auf andere Art gestaltet werden. Man könne auch ganze Modulteile kaufen und einsetzen, berichtete Ausbilder Florian Knappe. Da es bei der Stresssimulation immer wieder zu Panikreaktionen bei den Prüflingen kommen kann, ist jedes Segment zur Sicherheit jederzeit von außen zugänglich.
Nachdem sich Frey und Ringhoff aus der Enge der Gitterstäbe befreit hatten, mussten sie über eine schmale Leiter in die nächste Etage klettern. Hier gibt es Möglichkeiten für diverse Übungsszenarien. Zur Probe stand diesmal ein "brennender Topf" auf dem Herd, den es zu löschen galt. Der Raum kann zudem auf 80 Grad Celsius aufgeheizt werden, damit die Übung realitätsnäher wird. Nachdem das Duo auch diese Hürde gemeistert hatte, ging es über die letzte Leiter in die kleinste und oberste Etage. Hier stehen Selbstrettungsübungen wie das Abseilen aus dem Fenster auf dem Programm. Von dort aus mussten Frey und Ringhoff nur noch ins Freie treten - gerade noch rechtzeitig, denn kurz darauf ertönte ein durchdringender Piepton aus Ringhoffs Gerät: Die sogenannte Restluftwarneinrichtung zeigte an, dass man das Gebäude schnell verlassen müsse. Ertönt es während der Prüfung, ist man durchgefallen und muss erneut antreten, um weiterhin ein Atemschutzgerät benutzen zu dürfen.
"Ich fühle mich wie in einer Sauna", scherzte Frey nach der Übung erschöpft, aber erleichtert. Man müsse sich auf seinen Partner verlassen können, sagte Frey - und erinnerte sich an die Röhrensituation. Er wolle sich gar nicht vorstellen, wie es im Ernstfall wäre, mit einer solchen Ausrüstung agieren zu müssen. Denn dann käme noch die größere psychische Belastung hinzu: "Hier weiß ich, dass ich eigentlich sicher bin", sagte der Landrat. Die Übung ist allerdings auch nicht ganz ohne, weil sie eben darauf abzielt, Stressgefühle hervorzurufen. Es habe schon professionelle Bergläufer gegeben, die mit der Luft in der Übungssituation nicht ausgekommen seien, weil sie die dunkle, beengende Situation nicht gewohnt waren, so Ringhoff.
Zum Abschluss schlüpften zwei Experten in ihre Ausrüstung: Dennis Rubinstein und Vroni Echtler haben langjährige Erfahrung als Atemschutzgeräteträger und waren schon oft gemeinsam im Einsatz. Das merkte man sofort: Flink kletterten sie durch den komplett dunklen Hindernisparcours. Wieder hing schwüle Feuchtigkeit zwischen den Eisenstäben und umhüllte die Körper. Nur die Helme leuchteten leicht in einem fluoreszierenden Grün, ansonsten war von den beiden nicht viel zu erkennen. So schnell wie sie reingehuscht waren, waren die beiden auch wieder draußen an der frischen Luft. Die neue Übungsanlage gefällt ihnen, habe allerdings eine Tücke: Echtler wies auf die Röhre, an der auch Frey hängenblieb, als besonders schwierige Stelle hin. Da es sich aber um eine definierte Belastung handele, könne man das nicht mit einem echten Einsatz vergleichen, bei dem man mit allerlei Unvorhersehbarem rechnen müsse.
Voraussichtlich im März startet in der neuen Kraillinger Anlage der erste von vier Lehrgängen, in denen Feuerwehrleute aus dem Landkreis Starnberg dann für den Ernstfall ausgebildet werden.