Wechsel im Rathaus:Was Starnbergs neuer Bürgermeister vorhat

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Patrick Janik spricht über die Rückkehr zu alten Verhandlungstugenden, unerledigte Baustellen, Neuverschuldung und sein Bemühen um Fairness.

Interview von Peter Haacke

Ganz oder gar nicht: Einem Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden glich die Bewerbung von Patrick Janik um den Bürgermeisterposten in Starnberg. Der 44-jährige Rechtsanwalt, UWG-Stadtrat und Sohn des früheren Landrats Heiner Janik hatte sich schon vor zwölf Monaten als Kandidat in Stellung gebracht, weil es "so nicht weitergehen kann in Starnberg", wie er immer wieder betonte. Unterstützung fand er gleich bei vier politischen Gruppierungen: CSU, UWG, SPD und Bürgerliste nominierten Janik als ihren Mann fürs Rathaus. Das Vorhaben hatte seinen Preis: Janik musste für seine Kandidatur - so die Forderung seiner Unterstützer - auf eine Nominierung bei der UWG als Stadtrat verzichten und ging somit als parteifreier Herausforderer ins Rennen. Wäre er also bei der Bürgermeisterwahl gescheitert, wäre seine politische Karriere auf absehbare Zeit beendet gewesen. Doch es kam anders: Der Jurist eroberte gleich im ersten Anlauf mit 51,7 Prozent der Stimmen den Chefposten im Rathaus. Ein sensationelles Ergebnis, zumal Janik gegen drei weitere Kandidaten antrat, darunter die amtierende Bürgermeisterin Eva John. Am 1. Mai übernimmt Janik das Amt, und er weiß: Aller Anfang ist schwer.

SZ: Ihre Amtsvorgängerin übernahm 2014 eine überschaubare Reihe offener Probleme, ein Rücklagenkonto mit rund 30 Millionen Euro und eine Prioritätenliste, bei der die Seeanbindung und der Vertrag mit der Deutschen Bahn ganz oben standen. Sie übernehmen nun ein Paket mit weitaus größeren Problemen, ein abgeräumtes Konto und eine Klage der Bahn über 170 Millionen Euro. Wo wollen Sie anfangen? Welche Projekte haben Priorität?

Patrick Janik: Die Situation könnte tatsächlich schöner sein - sowohl was die finanziellen Rücklagen angeht als auch die offenen Punkte. Da gibt es viele unerledigte Baustellen, und einige stehen schlechter da als vor sechs Jahren. Priorität hat sicherlich das Thema Bahnverträge: Bei der Klage der Bahn müssen wir schnell in die Arbeit einsteigen und versuchen, ein akzeptables Ergebnis zu erreichen. Was ebenfalls hohe Priorität am Anfang haben wird, ist das Thema Einheimischenmodell Wiesengrund: Die Vergabefrage scheint zwar weitgehend gelöst zu sein, aber beim Vollzug der Bebauung und im Hinblick auf die Erschließungskosten gibt es einen gewissen Unmut unter den zum Zuge gekommenen Bewerbern. Auch müssen wir uns um eine alternative Verkehrsanbindung zur B2 bemühen.

Sie wurden von vier Gruppierungen als Bürgermeisterkandidat ins Rennen geschickt. Die Erwartungen dürften entsprechend hoch sein. Wie wollen Sie die möglicherweise verschiedenen Interessen Ihrer Unterstützer unter einen Hut bringen?

Zunächst darf ich konstatieren, dass die Interessen so verschieden gar nicht sind, sondern sich letztlich nur in Nuancen unterscheiden - was im Grund für die ganze kommunalpolitische Szene gilt. Man darf nicht vergessen: Auch der alte Stadtrat hatte über 90 Prozent einstimmige Entscheidungen. Nur die Lautstärke, mit der es bei den verbleibenden zehn Prozent geknirscht hat, war relativ hoch. Natürlich habe ich eine eigene Meinung. Das war schon so, als mich die Gruppierungen nominiert haben: Ich habe mich zum Beispiel nicht hingestellt und gesagt, eine Umfahrung ist mein oberstes und selig machendes Ziel. Dann wäre ich nicht besonders glaubwürdig. Ich werde mich bemühen, mich fair zu verhalten und eine vernünftige Entscheidungsfindung hinzubekommen. Das werden gewiss nicht nur einstimmige Entscheidungen sein, sondern auch Mehrheitsentscheidungen ohne Stimme des Bürgermeisters. Ich muss aber nicht mit allen einer Meinung sein: Manches wird man zähneknirschend vollziehen müssen, manches voller Freude. Aber man muss es vollziehen - das entspricht meinem demokratischen Verständnis.

An den Kräfteverhältnissen im 30-köpfigen Stadtrat mit acht Gruppierungen hat sich im Grundsatz nicht viel geändert. Lediglich die Grünen, die ihre Fraktionsstärke mit nunmehr sechs Mandatsträgern verdoppeln konnten, und das runderneuerte FDP-Duo gelten als unberechenbare Größen. Bei welchen Themen erwarten Sie die schwierigsten Diskussionen?

Die größten Auseinandersetzungen erwarte ich beim Thema Gewerbegebiet Schorn, da gab es schon in den letzten fünf Jahren sehr abweichende Meinungen. Die Grünen lehnen es rundheraus ab, die SPD lehnt es in der Größe ab, die UWG hat sich durch uneinheitliches Abstimmungsverhalten ausgezeichnet, die CSU und die übrigen Fraktionen sind deutlich auf der Pro-Seite. Da wird sicherlich ein gewisses Moderationsgeschick gefragt sein. Bei den Grünen mit fünf gänzlich unerfahrenen Fraktionsmitgliedern wird zunächst sicherlich ein Selbstfindungsprozess eintreten müssen. Aber mit Franz Sengl an der Spitze ist auch bei den Grünen ein durchaus gerüttelt Maß an Erfahrung und Pragmatismus vorhanden. Ich erwarte nach wie vor einen sachlichen, bis an die Grenzen des Freundschaftlichen gehenden Umgang.

Das Einheimischenmodell am Wiesengrund steht mitunter ganz oben auf der Agenda. (Foto: Nila Thiel)

Sie starten ohne abgesegneten Haushalt 2020 und ohne Finanzplanung für die Folgejahre in die Amtsperiode. Das bislang erarbeitete Paket muss voraussichtlich wieder komplett aufgeschnürt werden. Was ist beim anstehenden Streichkonzert entbehrlich, was nicht?

Die aktuelle Situation wird ganz erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmen der Stadt haben und auch zwingende Ausgabepunkte betreffen - etwa beim Defizitausgleich für den ÖPNV, bei den freien Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen oder auch bei der Kreisumlage. Da wird ja schon fleißig diskutiert, aber da wird nicht viel verhandelbar sein. Wir werden weniger investieren können, als wir uns vorgestellt haben, und dann muss man schauen: Was ist Luxus, was muss dringend sein? Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass wir die baulichen Investitionen am Gymnasium zur Disposition stellen. Streichkandidaten sind sicherlich bloße Verschönerungsaktionen wie etwa der Umbau der Josef-Jägerhuber-Straße. Auch der barrierefreie Ausbau von St. Stefan ist für mich nicht zwingend. Ohne ansteigende Neuverschuldung werden wir aber sicherlich nicht auskommen.

Starnberg hat sich in den vergangenen Jahren bei Ministerien, Behörden und Ämtern einen zweifelhaften Ruf erarbeitet, mehrfach landeten Angelegenheiten der Stadt vor Gericht. Wie wollen Sie zerstörtes Vertrauen wiederherstellen?

Ja, die Stadt muss einfach zeigen, dass sie wieder ein verlässlicher Partner ist. Es ist ja nun nicht so, dass man im Dauerclinch liegt. Aber so kleine Sticheleien kann man durchaus unterlassen: zum Beispiel dem Staatlichen Straßenbauamt seine Bannerwerbung untersagen, oder die Auseinandersetzung mit dem Landratsamt, als Ortseingangsschilder wöchentlich hin und her versetzt wurden. Da wird relativ schnell das Bewusstsein auch außerhalb der Stadt wieder einkehren, dass die Stadtverwaltung rechtmäßig handelt und ein verlässlicher Partner sein will.

Verhandlungen mit der Deutschen Bahn zu Seeanbindung und Schadenersatzklage sind ein wichtiges Thema für Patrick Janik. (Foto: Arlet Ulfers)

In der Starnberger Stadtverwaltung mit ihren rund 300 Angestellten hat es massive personelle und strukturelle Veränderungen gegeben. Verdiente Mitarbeiter verließen das Haus, nahezu die gesamte Führungsebene wechselte seit 2014. Welche Änderungen planen Sie? Wird es wieder einen Geschäftsleitenden Beamten in Starnberg geben?

Zu personellen Angelegenheiten möchte ich mich öffentlich nicht äußern.

Eine untergeordnete Rolle spielten zuletzt die beiden stellvertretenden Bürgermeister sowie die Fachreferenten. Traditionell haben die stärksten Fraktionen - in diesem Fall CSU und Grüne - das Vorrecht auf die Bürgermeisterposten. Gibt es Vorüberlegungen oder Wunschkandidaten?

Das ist eine Entscheidung des Stadtrats. Ich erkenne an, dass die CSU als stärkste Fraktion Anspruch auf den ersten Stellvertreter erhebt, ich habe grundsätzlich auch kein Problem damit, dass die Grünen als zweitstärkste Fraktion Anspruch auf den Dritten Bürgermeister erheben. Mein Wunsch wäre allerdings, dass beide Posten mit Leuten besetzt werden, die schon Stadtratserfahrung haben und nicht frisch ins Gremium gewählt wurden. Zu den Fachreferenten: Es ist zweifellos sehr viel Fachverstand im Gremium vorhanden, und es wäre töricht, den nicht nutzbar zu machen. Wenn jemand den artikulierten Wunsch hat mitzuarbeiten, dann werde ich diese Person natürlich nach Kräften einbinden. Die Referenten sollen wieder eine herausgehobene Position haben.

Auch ein konstruktiver Umgang im Stadtrat soll diskutiert werden. (Foto: Georgine Treybal)

Stefan Frey hospitiert bereits als designierter Amtsnachfolger bei Landrat Karl Roth, viele neue Bürgermeister lassen sich vom Vorgänger in die komplexe Materie der kommunalen Selbstverwaltung einarbeiten. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Bislang ist der Kontakt zur Bürgermeisterin recht spärlich. Mit der Verwaltung stehe ich dagegen schon in regem Kontakt.

In der Kommunikation zwischen Verwaltung und Stadtrat gab es wiederholt Irritationen. Was werden Sie konkret anders machen als Ihre Vorgängerin?

Ich habe in der Vergangenheit wiederholt das Defizit an Transparenz im Verhältnis zum Stadtrat kritisiert. Die vorherrschende Intransparenz hat manchmal auch zu Akzeptanzproblemen von gefundenen Lösungen geführt, die es gar nicht gebraucht hätte. Wenn der Stadtrat durch Vorbesprechungen mit den Fraktionsvorsitzenden besser in die Entscheidungsfindung der Verwaltung einbezogen worden wäre und das hätte nachvollziehen können, wäre man auch schneller zum Konsens im Gremium gekommen. Auch nichtöffentliche Tagesordnungspunkte können benannt werden, das wird in anderen Gemeinden ja auch problemlos so gehandhabt. Und ich würde gern die Übertragung von Sitzungen ins Internet in der Geschäftsordnung für den Stadtrat verankern.

Berüchtigt war der bisherige Stadtrat für seine Sitzungen in Überlänge. Wie wollen Sie solche XXXL-Formate verhindern?

Die Länge der Sitzungen ist ein Stück weit auch darauf zurückzuführen, dass erst in der Sitzung der Großteil des Diskussionsbedarfs entdeckt und artikuliert worden ist. Wenn man den Stadtrat schon vorher informiert und sich die Leute besser vorbereiten können, steigt auch die Qualität der Sitzungen und der Diskussionsbeiträge. Somit kann man die Themen auch zügiger abarbeiten. In der Summe werden die Tagesordnungspunkte nicht weniger. Die Frage ist, ob man da nicht den Sitzungstakt erhöht. Zuweilen hatte ich das Gefühl, es gab den Versuch einer Ermüdungstaktik, indem man schwierige Dinge weit hinten auf der Tagesordnung platziert hat, die dann erst um 22.30 Uhr drankommen, wenn die Leute bereits Probleme haben, noch aufrecht sitzen zu können.

Die konstituierende Sitzung des Stadtrats soll am 14. Mai stattfinden, Ihre Amtszeit beginnt aber bereits am 1. Mai. Was machen Sie in der Zwischenzeit? Was wird Ihre erste offizielle Amtshandlung sein?

Bei der Auftaktsitzung ist viel Organisatorisches zu tun: Die Bürgermeister und neuen Stadträte müssen vereidigt, Ausschussmitglieder benannt und die Referenten gewählt werden. Die eigentliche Sacharbeit in den Gremien beginnt knapp zehn Tage später. Bis dahin ist eine Bestandsaufnahme gefragt, was eigentlich an Themen so da ist. Und dann werde ich ja auch die aktuell handelnden Akteure der Verwaltung näher kennenlernen müssen. Meine erste Amtshandlung wird daher mit Sicherheit sein, Gespräche mit den verantwortlichen Abteilungsleitern zu führen. Und dann werde ich vermutlich die von meiner Amtsvorgängerin gekürzte Amtskette wieder um zwei Glieder verlängern lassen müssen.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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