Kultur:Veranstalter der Ammerseerenade treten kürzer

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Programm der renommierten Konzertserie schrumpft heuer auf zwei Veranstaltungen: den Kapellentag und das Liberation Concert

Von Armin Greune, Schondorf

Als Festival kann die Ammerseerenade heuer nicht mehr durchgehen. Wer Doris Pospischil nach dem Grund fragt, warum die von ihr ins Leben gerufene Konzertserie auf lediglich zwei Veranstaltungstage zusammengeschnurrt ist, erhält eine klare Antwort: "Weil wir es kräftemäßig nicht mehr stemmen können." Zwar gebe es noch einige ehrenamtliche oder stundenweise bezahlte Helfer - doch auf ihr und ihrem Mann Hans-Joachim Scholz, der mittlerweile im 83. Lebensjahr steht, laste ein Großteil der Organisation: vom Engagement und der Bewirtung der Künstler bis zum Kartenverkauf. Pospischil wäre erfreut, wenn sich Interessenten für die Fortführung der etablierten Marke finden ließen, man stehe einer "freundlichen Übernahme" nicht abgeneigt gegenüber.

Das 2014 gestartete sommerliche "Klassik light"-Festival konnte in den vergangenen Jahren eine beachtliche Anzahl renommierter Musiker an den Ammersee locken: The Philharmonics aus Wien, das Szymanowski Quartet aus Warschau, Kirill Troussov, Anne-Sophie Mutter und die Dießenerin Juliane Banse. Gleich vier Mal gastierte das ungemein populäre Janoska-Ensemble in Andechs , zuletzt 2021. Den hohen künstlerischer Anspruch kombinierte die Ammerseerenade mit ungewöhnlichen Spielstätten vom Dießener Marienmünster bis zum Andechser Florianstadel, vom Schweinsbraten-Konzert beim "Saxenhammer" bis zur "Happy classic hour" im Braunviehstall Achselschwang. Es sei ihr "Ziel, auch junge Leute zu erreichen", erklärte Pospischil stets. Dazu kam ein Rahmenprogramm mit Lesungen, Kunstausstellungen, Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen; sogar eine Flottenparade mit Oldtimer-Segelschiffen rundete das Festival zu Wasser ab.

Initiatoren klagten schon 2016 über mangelnde Unterstützung

Einen ersten Höhepunkt erreichte die Ammerseerenade 2016, als zu 45 Veranstaltungen 4000 Besucher begrüßt werden konnten. Die erste Talsohle war 2019 zu durchschreiten, als Pospischil und Scholz - abgesehen vom Kapellentag im Vorfeld - nur mehr vier Events auf die Beine stellen konnten, von denen zwei nicht in der Region am Ammersee, sondern in München stattfanden. Schon damals klagten die Initiatoren über mangelnde Unterstützung aus dem Verein "Kultur am Ammersee", als dessen Vorsitzende Pospischil und Scholz amtieren. In der Pandemie 2020 musste das Programm bis auf zwei Sonderkonzerte im Advent ganz in den virtuellen Raum verlegt werden. 2021 aber schien die "Seerenade" wieder im Aufwind: Zu sieben Konzerten und einer Diskussionsveranstaltung kamen insgesamt 1500 Personen. "Die Pandemie hat uns nicht den Mut genommen", sagte Pospischil seinerzeit, "wir haben gewagt und gewonnen."

Doch nun muss man sich noch mehr als 2019 auf den substantiellen Kern des Festivals beschränken: Den traditionellen Kapellentag am 28. August und das seit 2018 jährlich veranstaltete Liberation Concert in der Erzabtei St. Ottilien. Dort wird an das Konzert jüdischer Musiker nach der Befreiung 1945 im Kloster erinnert, wo ein Hospital und Lager für mehr als 5000 verschleppte und versklavte Juden eingerichtet wurde, in dem bis 1948 aber auch 418 sogenannte St. Ottilien-Babys zur Welt kamen. Zum vierten Erinnerungskonzert in der Klosterkirche werden am 1. September Isabelle Faust (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und das Mahler Chamber Orchestra unter Leitung von Matthew Truscott erwartet. Auf dem Programm stehen die Sinfonia concertante und die "Linzer" Sinfonie von Mozart. Das Kaunas String Quartet wird "Svajoné/Dream" des litauischen Komponisten Juozas Naujalis interpretieren. Vor allem aber findet die Welturaufführung von "Liberation" statt; eines Werks, das der israelische Komponist Eliav Kohl im Mai als Artist in Residence in St. Ottilien geschrieben hat. Eine elfköpfige Jury hatte im Vorjahr den 39-Jährigen aus sechs Bewerbern ausgewählt.

Welturaufführung in St. Ottilien: Das Kaunas String Quartet wird das heuer im Kloster entstandene Werk "Liberation" von Eliav Kohl vorstellen. (Foto: Jonas Danielevicius, Veranstalter/Veranstalter)

Zuvor aber darf man sich im Fünfseenland auf den siebten Kapellentag freuen, der erstmals seit 2019 mit 24 Konzerte wieder im gewohnten Umfang stattfindet. In der Pandemie musste man sich wegen der Hygieneregeln auf fünf große Kirchen beschränken. Nun haben die Organisatoren wieder vier Routen zu je sechs Gotteshäusern zusammengestellt, die am besten mit dem Rad abzufahren sind. Bei freiem Eintritt sind jeweils 45-minütige Auftritte geplant. Zum Auftakt der Nordroute etwa spielt um 11 Uhr im romanischen Jakobskirchlein Schondorf das Kaunas String Quartet; weiter geht es über Greifenberg nach St. Ottilien, unterwegs sind etwa Jazz, Motteten und Opernarien zu hören. Die Westrunde startet in Bierdorf bei Dießen mit Katharina und Christian Gruber, die den großen Songwriterinnen aus Jazz, Folk und Chanson von Ella Fitzgerald bis Joni Mitchell ihre Reverenz erweisen. Tochter und Vater sind ausgebildete Sängerin beziehungsweise Gitarrist, um 15 Uhr geben sie in entlang der Ostroute in Breitbrunn ein zweites Konzert. Beim Kapellentag ist nahezu jedes Musikgenre vertreten: Sakrale Werke, bairische Hausmusik, Gesangsimprovisation oder Tango. Ob russisches Hackbrett, Andenharfe, Knopfakkordeon, Saxofon oder Fagott-Duo: Das eingesetzte Instrumentarium ist ähnlich vielfältig wie die Spielstätten, die zusammen zehn Jahrhunderte Kirchenbauhistorie repräsentieren. Das gesamte Programm kann im Internet unter www.ammerseerenade.de eingesehen und als pdf-Datei heruntergeladen werden.

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