Obdachlosigkeit im Landkreis Starnberg:Warmes Plätzchen in kalten Zeiten

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Probesitzen auf soliden Stockbetten: Beim Rundgang durch die neue Herrschinger Obdachlosenunterkunft besichtigen Bürgermeister Christian Schiller (Mitte) gemeinsam mit (v.li.) Ludwig Darchinger (Rotary Club), Christoph Welsch (Architekt), Bernhard Kern (Präsident Rotary Club) und Guido Finster (Bauamtsleiter Herrsching) das neue Gebäude in der Gewerbestraße 78. (Foto: Arlet Ulfers)

Wer keine Wohnung hat, lebt in der kalten Jahreszeit möglicherweise gefährlich. Die Gemeinde Herrsching hat pünktlich zum Herbstbeginn eine neue Unterkunft für Obdachlose eröffnet.

Von Tim Graser, Herrsching

Pünktlich zum Herbstbeginn wird in Herrsching die neue Obdachlosenunterkunft eröffnet: Am Mittwochabend führte der Bürgermeister feierlich durchs neue Gebäude an der Gewerbestraße 78, das sich die Gemeinde einiges hat kosten lassen. Die alte Unterkunft im Martinsweg muss derweil Platz machen für den Ausbau der Grund- und Mittelschule.

Das neue Haus in der Gewerbestraße hat die Gemeinde rund 930 000 Euro gekostet

"Andere Gemeinden werden uns beneiden", sagte der Herrschinger Bürgermeister Christian Schiller stolz, als er am Mittwochabend das neue Haus vorstellte. Stolz kann die Gemeinde auf das moderne Gebäude im Gewerbegebiet durchaus sein: Nachhaltiger Holzbau, Wärmepumpe, und erst am Dienstag hat der Gemeinderat beschlossen, zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage auf dem Flachdach zu installieren. Also alles auf dem Stand der Zeit. Anders geht es wohl auch nicht mehr. Man müsse heutzutage "ökologisch und ökonomisch bauen, damit das funktioniert", erklärte der Bürgermeister. Knapp 930 000 Euro wurden investiert, zusätzlich legte der Rotary-Club Ammersee noch einmal 5000 Euro für Einrichtungsgegenstände drauf.

Stockbetten, ein Tisch mit drei Stühlen, eine kleine Anrichte und ein Badezimmer: Das Wichtigste ist in der neuen Obdachlosenunterkunft vorhanden. (Foto: Arlet Ulfers)

Dennoch: Auf Dauer will wohl kaum jemand in den kargen Räumen mit den einfachen Stockbetten leben. Ein Tisch, zwei Stühle, ein Spindfach und eine kleine Arbeitsfläche, alles auf 13,5 Quadratmeter - mehr gibt es nicht. Immerhin verfügt jedes Zimmer über ein eigenes Bad mit Dusche, Waschbecken und Toiletten. "Es ist kein Luxus, es ist der minimale Standard", sagte Schiller. Das Haus bietet Platz für 16 Personen, deren Zimmer einzeln von außen zugänglich sind. "Dezentrales Gebäudekonzept" nennt Gemeinderat und Architekt Christoph Welsch diese Raumaufteilung, die Bewohnern ein Mindestmaß an Privatsphäre ermöglichen soll. "Hier hat jeder im Prinzip sein eigenes kleines Appartement", sagte Welsch. Sogar Familien könne man notfalls unterbringen.

Die veraltete Unterkunft am Martinsweg weicht dem Schulhof der Herrschinger Volksschule

Herrschings bisherige Obdachlosenunterkunft neben der Christian- Morgenstern-Volksschule im Martinsweg soll Platz für den Schulhof machen. Das Einfamilienhaus sei "in die Jahre gekommen". Es habe Probleme mit der Heizung und der Stromversorgung gegeben. "Die Zustände waren in dem Haus einfach nicht mehr tragbar", sagte Schiller. Zwischenzeitlich mussten betroffene Personen aus Herrsching sogar in die Unterkunft nach Fürstenfeldbruck umziehen. Zu Höchstzeiten waren im Martinsweg 17 Personen untergebracht - eine mehr als das neue Haus aufnehmen kann. Die Unterkunft könnte also im Zweifelsfall schnell an ihre Grenzen geraten. In dem Fall könne man aber kurzfristig überbelegen oder auch andere Übernachtungsmöglichkeiten anmieten, bestätigte Julia Schmidbauer vom Sozialamt.

Die neue Obdachlosenunterkunft ist eine Möglichkeit, Wohnraum für sozial Benachteiligte zu schaffen. Doch echte Wohnungen wären wohl die bessere Variante. (Foto: Arlet Ulfers)

"So kurz wie möglich, so lange wie nötig" sollen Menschen in der Unterkunft in der Gewerbestraße unterkommen können, erklärte Gemeindemitarbeiterin Patricia Göser. Tatsächlich gibt es in Herrsching aktuell keine einzige Personen "OFW", wie man obdachlose Menschen "ohne festen Wohnsitz" im Fachjargon nennt. Das könne sich aber tagesaktuell ändern, weiß auch Julia Schmidbauer. Der Wohnungsmangel in der Region verschärfe das Problem zusätzlich.

Obwohl Bürgermeister Schiller vor fünf Jahren noch nicht so euphorisch für einen Neubau war - er befürchtete damals "viele Probleme für ein Vielfaches des Preises" und wollte lieber die alte Einrichtung sanieren lassen - freut er sich nun über das neue Gebäude. Dass zur Einweihung noch keine Bedürftigen zugegen waren, freue ihn allerdings noch mehr: Erst im Oktober soll der Betrieb starten. Abschließend wünschte er dem Gebäude, "dass es möglichst lange so ausschaut, wie es jetzt ausschaut."

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