Indienhilfe:Die Engagierte

Lesezeit: 3 Min.

Elisabeth Kreuz mit einer handgemachten Arbeit aus Indien im Weltladen in Herrsching. (Foto: Nila Thiel)

Seit bald 45 Jahren setzt sich Elisabeth Kreuz für Kinderrechte in Indien ein. Wie die Herrschingerin dazu kam - und wieso sie nur ein Klapphandy benutzt.

Von Leopold Beer, Herrsching

Minimalistisch sieht es aus, das Handy von Elisabeth Kreuz: ein Klapphandy mit einem Bildschirm gleich einem Post-it und Tasten so groß wie Smarties. In seinem Funktionsumfang ist es im Vergleich zu herkömmlichen Smartphones stark eingeschränkt. Doch die Vorsitzende des Vereins Indienhilfe aus Herrsching nimmt das gerne in Kauf. Denn bei der Herstellung moderner Smartphones werden teure Metalle und seltene Erden wie Kobalt verbaut. Oft werden für den Abbau dieser Stoffe im Ausland Kinder und Jugendliche missbraucht.

Schon seit Jahrzehnten kämpft die studierte Medizinerin Kreuz gegen Kinderarbeit in dem Bundesstaat Westbengalen im Osten Indiens. Begonnen hat das Engagement der 69-Jährigen nach dem Besuch eines Pfarrers bei ihren Eltern. Dieser erzählte von seiner Indienreise, der Arbeit von Mutter Teresa in Kalkutta und stellte den ersten Kontakt zu einem lokalen Priester her. Kurz darauf reiste Elisabeth Kreuz gemeinsam mit ihrer Schwester nach Indien, um dort als Freiwillige ein Projekt von Mutter Teresa zu unterstützen.

Es sprudelt nur so aus ihr heraus, wenn sie sich an diese prägende Zeit erinnert. Sie arbeitete viel mit behinderten Kindern und Waisen. Besonders in Erinnerung geblieben ist Kreuz ein Kind, das nach einem Unfall jahrelang nicht mehr geredet hat und plötzlich wieder anfing zu sprechen. Als die Abreise näher rückte, fiel es ihr schwer, die Kinder von einem Tag auf den anderen wieder allein zu lassen. Also versuchte sie, Schritt für Schritt Abschied zu nehmen.

Zurück in Deutschland sammelte die gebürtige Herrschingerin im Freundes- und Bekanntenkreis Spenden, um indischen Familien den Erwerb eines eigenen Grundstückes zum Anbau von Reis und damit der Schaffung eines Lebensunterhalts zu ermöglichen. Das Geld dafür war schnell gesammelt, doch die Spendenbereitschaft nahm nicht ab. Also gründete Kreuz im Juli 1980 die Indienhilfe.

Inzwischen hat der Verein viele Entwicklungsprojekte in Westbengalen unterstützt und ein eigenes Team in Kalkutta aufgebaut, das die soziale Arbeit vor Ort koordiniert. Denn die Indienhilfe möchte die Dörfer unterstützen, in denen der Bedarf am Größten ist. Inmitten der Bücher aus der Bibliothek der Indienhilfe freut sich Elisabeth Kreuz: "So können wir wirklich etwas bewegen." Zuletzt ermöglichte der Verein den Bau einer Trinkwasseraufbereitungsanlage in Chatra, der Partnerstadt von Herrsching.

Elisabeth Kreuz (Mitte, mit Brille) auf ihrer ersten Reise nach Indien im Jahr 1979 vor dem Nirmala Kennedy Center in Kalkutta. (Foto: privat)

In diesem Jahr liegt einer der Schwerpunkte des Vereins auf der Sammlung alter Handys zur Wiederverwertung der verbauten Rohstoffe. So möchte der Verein Nachhaltigkeit fördern. Elisabeth Kreuz deutet auf nachhaltigen Kaffee und fair gehandelte Schokolade im Weltladen. Sie ist überzeugt, dass "wir nicht höhere Ansprüche an den Verbrauch von raren Ressourcen stellen können als andere Menschen auf der Welt". Als älteste Tochter eines Künstlerpaares war sie es von ihrer Kindheit an gewöhnt, wenig zu verbrauchen und das Vorhandene optimal zu nutzen.

Ihr letztes Handy beispielsweise nutzte Elisabeth Kreuz zehn Jahre lang. Um nachhaltig zu konsumieren, rät sie: "Jeden Kauf möglichst lange aufschieben. Oft merkt man dann, dass man manche Dinge gar nicht benötigt." Sie ist überzeugt, dass die Menschen im Westen in dieser Hinsicht viel von den Adivasi lernen können, der indigen Bevölkerung Indiens. Diese hätten eine sehr nachhaltige Mentalität und kämen mit wesentlich weniger technischen Hilfsmitteln zurecht.

Die Spenden sollen Bildung ermöglichen

Hierzulande ist die Einstellung eine andere, die Probleme Indiens sind weit weg. Doch Kreuz möchte das Thema in die Bevölkerung holen - schließlich ist sie auf deren Spenden angewiesen. Daher hat sie ein Benefizkonzert organisiert, um die Initiative "Kommunen ohne Kinderarbeit" zu finanzieren. Bei dem Projekt arbeitet die Indienhilfe Herrsching mit dem "Seva Kendra Calcutta" zusammen.

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Zugang zu Bildung. Denn Kinderarbeit ist in Indien gesetzlich längst verboten, doch ohne die Möglichkeit eines schulischen Abschlusses sieht die Realität häufig anders aus. Durch Hausaufgabenbetreuung fördert der Verein joyful learning, die Freude am Lernen und damit auch an der Schule. Auf diese Weise möchte Elisabeth Kreuz mit der Indienhilfe Kinderarbeit in Westbengalen beenden - egal, ob für Smartphones oder andere Produkte.

Das Benefizkonzert findet am Freitag, 19. April, um 20 Uhr in der Herrschinger Sankt-Nikolaus-Kirche statt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusLiteratur
:"Ich hadere mit der Mentalität"

Philosoph Björn Vedder fühlt sich grundsätzlich wohl am Ammersee. Doch hat das Landleben auch Nebenwirkungen, wie er festgestellt hat. Ein Gespräch über Statuskonsum, Anpassungsdruck und soziale Kontrolle.

Interview von Carolin Fries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: