Kultur im Landkreis Starnberg:Mozart und Saxophon sind kompatibel

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Gastspiel im Herrschinger Haus der bayerischen Landwirtschaft: das "Arcis Saxophon Quartett", bestehend aus Claus Hierluksch, Ricarda Fuss, Anna-Marie Schäfer und Jure Knez (von links). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Den vier Musikern des "Arcis Saxophon Quartetts" merkt man die Liebe zu ihren Instrumenten an. Was aus dieser Bindung entstehen kann, lässt sich beim Auftritt in Herrsching bestaunen.

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Die Liaison zwischen Jazz und dem Saxophon ist eine verhängnisvolle Affäre - zumindest für Letzteres. Ohne Jazz wäre das Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte Instrument wohl kaum so populär geworden. Andererseits war dadurch die ursprüngliche Bestimmung, in der Ernsten Musik eingesetzt zu werden, schnell in den Hintergrund geraten. Nur wenige Komponisten ließen sich noch darauf ein, auch nachdem Maurice Ravel mit seiner klangexperimentellen Ballettmusik "Boléro" schließlich die Feinheiten des Instruments sehr eindrucksvoll demonstrieren konnte.

Die Arbeit des Arcis Saxophon Quartetts kann daher nicht hoch genug bewertet werden, zumal die vier klassisch ausgebildeten Instrumentalisten sowohl spieltechnisch und musikalisch Großartiges zu bieten haben, als auch ein überaus homogenes Ensemble bilden. Selbst nach der kürzlichen Neubesetzung in der Tenorlage bleibt der wohl ausbalancierte Klangkörper stimmig wie zuvor. Es ist sicher nicht zu weit hergeholt, wenn man seine Ensemblequalitäten mit denen eines Streichquartetts vergleicht, da ja auch die Tonerzeugung der Instrumente von Claus Hierluksch (Sopran-), Ricarda Fuss (Alt-), Anna-Marie Schäfer (Tenor-) und Jure Knez (Britonsaxophon) untereinander wie bei Streichern identisch ist.

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Mit der besseren Tragweite kam das Arcis Saxophon Quartett im großen Saal des Hauses der bayerischen Landwirtschaft in Herrsching auf Einladung des Kulturvereins von der Akustik her sogar begünstigt weg. Vom großen Vorteil war dies vor allem in Mozarts Streicherdivertimento F-Dur KV 138, in dem das Quartett mit plastischer Modellierung die breite Palette der Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Holzbläser demonstrieren konnte, sodass man klar feststellen musste: Mozart und Saxophon sind kompatibel. Der warme, weiche Klang vertrug sich erst recht mit der barocken Diktion Bachs in der wohltemperierten C-Moll-Fuge (BWV 847), für die das 1973 geborene sowjetische Multitalent Aleksey Igudesman im Auftrag ein originalnahes Präludium geschaffen hatte, das vor allem mit Gestaltungsmitteln wie Beschleunigung, Verlangsamung oder Intensivierung seine zeitgemäße Freiheit findet.

Die Nähe zum Streichquartett bestätigte sich auch in den fünf Stücken von Erwin Schulhoff, wobei die Interpretation der Bläser mit ihrem großen Spielraum in Sachen Klangfülle und -intensität den Tänzen weit mehr Eindringlichkeit entlockte. Schostakowitsch rückte indes mit den Nummern eins und fünf aus seiner Sammlung der Präludien und Fugen (op. 87) mit der schlanken und leichten Interpretation der zum Teil schönmelodischen Stückpaare bisweilen ungewöhnlich nah an die Romantik heran, was stilistisch der behutsamen Modernität des Komponisten durchaus Rechnung trug. Das Beschwingte der Polka wie der Bigband-Sound des Foxtrotts rechtfertigten aber auch deutlich die Verbindung zum Jazz. Noch deutlicher - vor allem bluesiger - gelang es Gershwin in seiner Porgy-and-Bess-Suite, auch wenn einer Oper entstammend. Selbstredend im stimmungsvollen "Summertime".

Das Urteil der überzeugendsten Darbietung, die auch viel Begeisterung auslöste, gilt der Originalkomposition des Niederländers Jacob Ter Verdhuis (geb. 1951). "Jesus is coming" mit Lichteffekten und einem Zuspieler reeller Klänge wie Babyhusten, Kinderstimmen oder den Elogen eines Straßenpredigers entwickelte eine stark emotionale Atmosphäre, in der auch härtere Klänge fallen durften, die überraschend gut ankamen. Behutsam klangexperimentell und erzählerisch ließ sich das Arcis Saxophon Quartett auf dieses Abenteuer mit Leidenschaft und Hingabe ein. Eine fesselnde Darbietung bis in die Zugabe hinein.

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