SZ-Adventskalender:Zu siebt auf 50 Quadratmetern

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In diesem Containerdorf wohnt die Familie A. (Foto: Nila Thiel)

Eine afghanische Familie lebt seit sieben Jahren in der Herrschinger Containerunterkunft. Ein Führerschein für den Papa würde helfen, bei der Wohnungssuche flexibel zu sein - und einen Job zu finden.

Von Viktoria Spinrad, Herrsching

Hoch türmt sich der Wäscheberg auf dem Stockbett im Kinderzimmer. Nebenan, im Flur, reihen sich helle Spinde scheinbar endlos den Gang hinunter. Im Schlafzimmer liegen Puzzleteile auf dem Schreibtisch, über dem Bett trocknet die Wäsche am Fenster. Darunter: ein Baby, noch kein Jahr alt. Ein Schwenk mit der Handykamera. Der digitale Wohnungsrundgang führt ins Wohnzimmer. Zwei Matratzen liegen auf dem Boden. Dazwischen sitzt die Familie Hamidi (Name geändert*) im Schneidersitz. Vater Najib*, genügsamer Blick trotz Augenringen, Vater Najib*, genügsamer Blick trotz Augenringen, sagt: Er sei so dankbar für alles. "Aber wir müssen unbedingt hier raus."

Seit sieben Jahren lebt seine Familie nun auf etwa 50 Quadratmetern im Herrschinger Containerdorf - mittlerweile zu siebt. Die zwei Jüngsten kennen kein anderes Zuhause. Und auch die drei Älteren haben den Großteil ihres bisherigen Lebens zwischen Einlasstor und Security-Männern verbracht. Die afghanische Familie ist eine krasse Zuspitzung dessen, was Behörden als "Fehlbeleger" in der Regierungsunterkunft bezeichnen: mit Aufenthaltsgenehmigung, aber ohne eigene Wohnung.

Oben drüber machten die Nachbarn oft bis spätnachts Lärm, klagt die Familie

Notgedrungen wohnen sie also weiter im Containerdorf, zusammen mit um die 100 anderen aus aller Welt. Anziehen, Kochen, Essen, Hausaufgaben, Schlafen - der ganze Alltag findet hier statt. Schwierig sei das, sagt Amir. Er ist der älteste Sohn, ein 13-Jähriger mit dichtem dunklen Haar und geschliffenem Deutsch. Die Hausaufgaben würden die Kinder oft auf dem Boden machen, und wenn dann die kleine Schwester dazwischenkommt, sei es oft vorbei mit der Konzentration. Oder auch mit dem Schlaf, wenn die Nachbarn obendrüber wieder nachtaktiv sind. Die Mutter leide unter Kopfschmerzen, sagt er.

Sieben Jahre ist es her, dass sich der Vater und Mutter zusammen mit drei Kindern und der Großmutter von Herat, der zweitgrößten afghanischen Stadt aus gen Deutschland aufmachten. Der Vater hatte dort für die Amerikaner als Leibwächter gearbeitet. Doch als ihn die Taliban bedrohten, packten sie die Sachen. Über Umwege landete die Familie 2015 erst in einer Weßlinger Zeltstadt, dann in den Herrschinger Containern. Stockbetten, Einlasskontrollen, Fehlalarm: Was als Zwischenlösung gedacht war, wurde zum Dauerzustand.

Dass er seiner Familie nicht mehr bieten kann, nagt am Stolz des Vaters

Ständig, sagt Hamidi, fragten seine Kinder, wann sie denn umzögen. "Immer muss ich sagen: Ich weiß es nicht." Große Sprünge sind nicht drin. Bei der Flucht durch Ungarn erwischte ihn ein Zug am Rücken, in München musste er sieben Mal operiert werden. Seitdem kann er nur eingeschränkt arbeiten. Deutschland habe ihm so viel gegeben, sagt er, da möchte er auch etwas zurückgeben. Regelmäßig hilft er bei der Tafel und der Herrschinger Insel aus. Bei der Anlaufstelle für Menschen mit sozialen, psychischen und finanziellen Problemen assistiert auch die Mutter als Dolmetscherin. Die Familie, sagt die Leiterin Barbara Maier-Steiger, "ist eine große Bereicherung."

Dass er seiner Familie nicht mehr bieten kann, nagt am Vater. Als Familienoberhaupt steht er unter großem Druck. Selbst eine Zwei- oder Drei-Zimmer-Wohnung würde reichen, sagt er - die Hamidis sind genügsam. Für einen Sieben-Personen-Haushalt würde das Jobcenter bis zu 135 Quadratmeter und 1844,10 Euro Bruttokaltmiete für angemessen erachten. Doch eine Bleibe für sieben Leute ist kaum zu bekommen. Zumal, wenn man kein Auto hat und an Herrsching gebunden ist. In Afghanistan ist der Vater als Fahrer für die Amerikaner viel unterwegs gewesen. Hier müsste er den Führerschein neu machen, so sieht es die Rechtslage vor. Das kann er sich nicht leisten. "Leider", sagt er.

Mit einem Führerschein, hofft Hamidi auch, wieder arbeiten zu können, zum Beispiel als Kurierfahrer. Eine Spende des SZ-Adventskalenders würde ihm also ein Stück Unabhängigkeit geben - und ein Stück Stolz zurück. Die Familie könnte sich endlich ein eigenes Leben aufbauen. Fragt man die Kinder, dann kommt da noch ein weiterer Wunsch auf. Ein Besuch bei den Verwandten in Hamburg, sagt Amir, "das wäre toll."

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