Amtsgericht Starnberg:Polizeieinsatz läuft aus dem Ruder

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Die Angeklagte hatte offenbar zuerst gedacht, von fremden Männern in ihrem Haus in Gilching überfallen zu werden. Doch es waren Kripobeamte, die nach Drogen suchten. (Foto: Arlet Ulfers)

Bei einer Hausdurchsuchung in Gilching soll die Bewohnerin einem Kripobeamten zweimal in die Hand gebissen haben. Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

Von Christian Deussing, Gilching

Zuerst klingelten und klopften die vier Kripobeamten morgens an der Tür in Gilching. Sie wollten in dem Haus nach Drogen des Sohnes suchen. Nachdem niemand geöffnet hatte, wurde verständigten die Beamten einen Schlüsseldienst. Bald darauf traf der erste Polizist die Mutter im oberen Stockwerk an, die wegen des Lärms wach geworden war und offenbar dachte, von fremden Männern überfallen zu werden. Laut Anklage wehrte sich die Frau wild gestikulierend und biss einem Beamten zweimal in die linke Hand, um eine Fesselung zu verhindern. Am Dienstag musste sich die 64-Jährige wegen Widerstands, tätlichen Angriffs und vorsätzlicher Körperverletzung vor dem Starnberger Amtsgericht verantworten.

Die Frau habe "durchgehend hysterisch geschrien und Schaum und Speichel am Mund gehabt", sagte einer der Kripobeamten im Prozess. Der Einsatz war vor drei Jahren während der Pandemie gewesen, weswegen der Beamte der Frau einen Mund-Nasen-Schutz überziehen wollte. "Dabei biss sie mir zweimal in meinen dicken Handschuh und ich verspürte einen Druck", sagte der 41-jährige Fahnder. Danach habe sie sich "kopfüber mit einem Hechtsprung die Treppe hinunterfallen lassen", sei aber von einem Kollegen aufgefangen worden.

Die Verteidigerin zweifelte erheblich an den Aussagen des Beamten und erklärte für ihre Mandantin, die nur gebrochen Deutsch spricht, dass die Vorwürfe nicht stimmten. Der erste Zivilbeamte habe seine Polizeiweste unter seiner Jacke getragen und sei daher für die Frau nicht als Ermittler erkennbar gewesen. Die Angeklagte habe gedacht, ohne ersichtlichen Grund angegriffen und zu Boden gebracht worden zu sein und habe daher um Hilfe geschrien, sagte die Anwältin. Aus ihrer Sicht sei der Einsatz gegen die zierliche kleine Frau "unverhältnismäßig" abgelaufen.

Auch die Staatsanwältin war sich nicht mehr so sicher. Zwar glaubte sie den Aussagen des Kriminalpolizisten, andererseits hielt sie es auch für möglich, dass die Angeklagte damals nicht begriffen habe, was eigentlich in ihrem Haus geschah. Dieser Ansicht folgte ebenso der Amtsrichter, der zudem davon sprach, dass sich die Frau in einer "kompletten Ausnahmesituation" befunden habe. Das Gericht stellte das Verfahren ohne Auflagen ein. Der Sohn wurde übrigens an dem Morgen nicht in dem Haus angetroffen.

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