Regenerative Energie:Wie die Wärme aus der Tiefe nach Gauting kommt

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Der Geothermie-Bohrplatz bei Geretsried: An der Straße zwischen Unterbrunn und Gilching sowie in Gräfelfing soll nächstes Jahr gebohrt werden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Wirtschaftsförderer entwickelt zusammen mit einer Partnerfirma einen detaillierten Netzplan. Der Bohrplatz für die Tiefen-Geothermie liegt nun auf Kraillinger Flur.

Von Michael Berzl, Gauting

Vom Westen aus soll das Fernwärmenetz nach Gauting hineinwachsen, angefangen vom Gelände der Asklepios-Klinik über die Wohngebiete an der Ammerseestraße bis zum Schulgelände an der Germeringer Straße. So sieht es ein Konzept des Rathauses und seiner Geschäftspartner vor, das so detailliert erstmals am Dienstag im Gemeinderat vorgestellt wurde. Bisher ist noch kein Stück Rohr verlegt, das heiße Wasser aus der Tiefe noch lange nicht erschlossen, doch lockt die Geothermie als attraktive Alternative zu Gas und Öl. Ein gutes Dutzend Zuhörer ist in die Sitzung gekommen, um sich über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren. Beim Wirtschaftsförderer Fabian Kühnel-Widmann sind etwa 200 Interessenbekundungen eingegangen. Auch in der Nachbargemeinde Gilching ist die Nachfrage groß.

Es dürfte aber noch mehr als zwei Jahre dauern, bis Gebäude mit Wärme aus der Tiefe beheizt werden können. Über den zeitlichen Rahmen gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Patrick Schulte-Middelich, der das Projekt mit der Firma Silenos federführend vorantreibt, kündigte an, man sei voraussichtlich im Winter 2025/2026 "lieferbereit". Etwas später, nämlich erst im zweiten Quartal 2026 rechnet Dominik Reingruber mit der ersten Wärmelieferung. Er arbeitet bei der Stuttgarter Firma KWA, die in Gauting für den Betrieb des Netzes zuständig sein soll.

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Dieses Netz nimmt auf dem Papier Gestalt an. Beim Handwerkerhof soll sich demnach der Übergabepunkt von der Leitung vom Bohrplatz ins Gautinger Netz befinden. Die ersten wichtigen Kunden wären außer der Lungenklinik auch das kleine Gewerbegebiet im Westen sowie das künftige Wohnviertel zwischen Ammerseestraße und Pötschener Straße, das in der Gemeinde unter der Bezeichnung "Patchway-Anger" läuft - benannt nach der englischen Partnerstadt. Die meisten Interessenten, die sich bisher gemeldet haben, wohnen ebenfalls im Westen des Ortes.

Später soll dann auch das Zentrum Gautings erschlossen werden. Wirtschaftsförderer Kühnel-Widmann visiert dafür das Jahr 2027 an. Allerdings betonte Bürgermeisterin Brigitte Kössinger, das sei "alles unverbindlich, nach derzeitigem Stand". Es gebe noch viele Unwägbarkeiten.

Die Preise für heißes Wasser aus der Erde können sich doch nicht derart erhöhen, glauben viele Kunden der Geothermie. (Foto: Florian Peljak)

Wie leicht etwas dazwischenkommen kann in dem langwierigen und aufwendigen Genehmigungsverfahren musste das Geothermie-Firmenkonsortium schon erfahren. Nach Einwänden aus dem Wasserwirtschaftsamt Weilheim wurde der ursprünglich vorgesehene Bohrplatz aufgegeben, weil er im Einzugsbereich des Germeringer Wasserschutzgebiets liegt. "Das hat uns ein Jahr gekostet", sagte Patrick Schulte-Middelich. Der neue Bohrplatz liegt in der Nähe, direkt an der Unterbrunner Umgehungsstraße, aber nicht mehr auf Gautinger sondern auf Kraillinger Gemeindegebiet.

Nun beginne die Untersuchung des Baugrundes, kündigte Schulte-Middelich an. Die Bohrung bis in eine Tiefe von fast 3000 Metern soll nächstes Jahr beginnen und dann sechs bis zwölf Monate dauern. Danach beginnen eingehende Untersuchungen, ehe die Nutzung des fast 100 Grad heißen Wassers beginnen kann. Die Kosten für die zwei dafür nötigen Bohrungen, die sogenannte "Dublette", liegen laut Bernd Schulte-Middelich bei 25 Millionen Euro.

In Gilching werden bald 460 Haushalte mit Fernwärme versorgt

Auf lange Sicht könnte das einer von mehreren Bohrplätzen sein. Silenos habe sich auch die Rechte für Gauting Ost gesichert, berichtete Patrick Schulte-Middelich: "Über die nächsten 20 bis 30 Jahre wird es sicher vier bis fünf Bohrdubletten geben". Die Gemeinde Gauting hat soeben zusammen mit der KWA Contracting AG ein neues Unternehmen gegründet, die Geothermie Gauting GmbH, die einmal als Netzbetreiber und Wärmelieferant fungieren soll. Im Juni wurde das Unternehmen ins Handelsregister eingetragen, berichtete Wirtschaftsförderer Kühnel-Widmann.

Die Nachbargemeinde Gilching ist unterdessen schon ein gutes Stück weiter. "Gilching ist sehr mutig. Die sind vorangegangen und haben schon ein kleines Netz aufgebaut", sagte Bernd Schulte-Middelich, Geschäftsführer der Asto-Gruppe. Dort wächst das Leitungsnetz schon Stück für Stück. Bis Ende dieses Jahres sollen etwas sieben Kilometer verlegt sein, berichtete am Mittwoch Jan Haas der SZ. Etwa 460 Haushalte würden dann versorgt, rund 870 Interessenten hätten sich schon bei ihm gemeldet. Vorerst liefert eine Pelletheizung in blauen Containern im Gewerbegebiet Ost die Energie; wenn einmal heißes Wasser aus dem Boden kommt, kann relativ leicht umgestellt werden.

In Gräfelfing ist ein weiteres Geothermie-Projekt geplant. Der vorgesehene Bohrplatz befindet sich auf einem bisher als Pferdekoppel genutzten Grundstück an der Würmtalstraße. Laut Zeitplan soll die Bohrung dort im kommenden Frühjahr beginnen. Die Gräfelfinger haben im Internet bereits ein Preisblatt veröffentlicht, in dem die Kosten vom Hausanschluss bis zum Arbeitspreis je Kilowattstunde detailliert aufgeschlüsselt sind. Solche Angaben über die zu erwartenden Preisen fehlen den Gautingern bislang noch.

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