Protest gegen Gesetzesänderung:"Aus Starnberg ein klares Nein"

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Viele Landkreise erklären ausdrücklich den Verzicht auf Gentechnik in der Landwirtschaft. Das gilt auch für Starnberg. (Foto: Marco Einfeldt)

Eine EU-Reform könnte das in Bayern herrschende Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft aufweichen. Das stößt auf Widerspruch im Landkreis, der sich dezidiert gegen den Einsatz solcher Verfahren im Agrarsektor ausspricht.

Von Tim Graser, Starnberg

Erst vergangenen August hatte der Starnberger Kreistag sein Bekenntnis erneuert: Die Landwirtschaft im Landkreis Starnberg bleibt gentechnikfrei. Schließlich schreibt auch das bayerische Naturschutzgesetz fest: "Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist in Bayern verboten." Nun hat der Landwirtschaftsausschuss im Europäischen Parlament allerdings einem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, wonach Pflanzen, die mit einem neuen Gentechnik-Verfahren gezüchtet wurden, weder überprüft noch gesondert gekennzeichnet werden müssen. Am Mittwoch soll das Gesetz das EU-Parlament passieren. Christiane Lüst aus Gauting sieht darin den Versuch, die Gentechnik "am Verbraucher vorbei im EU-Parlament und in der Kommission durchzudrücken".

Die Umweltaktivistin Lüst ist über die Pläne aus Brüssel sichtlich aufgebracht. Im Namen des Vereins "Zivilcourage gegen Agro-Gentechnik für den Landkreis Starnberg" widmet sie sich seit Jahren dem Thema und erklärt: "Wir sind seit 2009 gentechnikfreier Landkreis". Schon damals hatte es diesbezüglich einen Kreistagsbeschluss gegeben, vergangenes Jahr habe man ihn erneuert. Ihr Verein ist mittlerweile aufgelöst, seit diesem Jahr setzt die Gautingerin ihr Engagement privat fort.

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Bei der neuen Gentechnik-Methode mit dem Namen "CRISPR/Cas" handelt es sich um eine sogenannte Genschere. Dabei wird der DNA-Strang im Genom einer Pflanze an einer bestimmten Stelle aufgetrennt, beziehungsweise einzelne Teile aus der DNA entfernt. An der entsprechenden Stelle kommt es dann zu einer Mutation im Pflanzengenom, die die Eigenschaften der Pflanze verändern können. Pflanzen, so das Argument der Verfechter, könnten so widerstandsfähiger gegenüber Trockenheit, Schädlingen oder Pflanzenkrankheiten gemacht werden; gerade im Hinblick auf die Klimaerwärmung und immer häufigere Dürreperioden könne das hilfreich sein.

Die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaft Leopoldina sprachen sich im vergangenen Oktober in einer gemeinsamen Stellungnahme für den Vorschlag der EU-Kommission aus. Demnach hätten die mit der neuen Methode gezüchteten Pflanzen "ein vergleichbar geringes Risikoprofil." "Zahlreiche Studien", heißt es dort, "haben keinerlei Hinweise gebracht, dass die neuen genomischen Techniken oder damit erzeugte Pflanzen mit einem höheren Risiko für Mensch und Umwelt verbunden sein könnten als natürliche Mutationen oder die klassische Kreuzzüchtung."

Gemeinsam gegen Gentechnik (von links): Bauern-Kreisobmann Georg Holzer, Umweltaktivistin Christiane Lüst, Naturkosthändler Günther Haidl aus Pöcking, Bienenzüchter Hubert Dietrich, Michael Friedinger von der Initiative Zivilcourage gegen Agrogentechnik im Landkreis Starnberg, Rosi Raindl von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Ronny Köhler, Vorsitzender des Bienenzuchtvereins Starnberg. (Foto: Arlet Ulfers)

Dennoch: "Wir sind definitiv der Überzeugung, dass wir das nicht brauchen", sagte Georg Holzer, Starnberger Kreisobmann des bayerischen Bauernverbandes, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Gauting. "Diese neue Methode bringt uns keinen Vorteil." Im Gegenteil: Wind und Bienen würden die Pollen der gentechnisch veränderten Pflanzen in die Welt tragen, so könne sich nach seiner Überzeugung auch das Unkraut die extra angezüchteten Resistenzen aneignen. Als Folge müssten die Landwirte dann "immer mehr und immer giftiger" mit Pestiziden spritzen, meint Holzer.

Außerdem: Pestizide, wie das von der Firma Bayer produzierte und umstrittene Glyphosat, stammten nach seinen Worten meist von den gleichen Herstellern wie das genmodifizierte Saatgut. Die Abhängigkeit kleiner und mittelständischer Landwirte von großen Firmen wie Bayer würde damit erhöht. "Letztendlich geht es um die großen Konzerne, die wollen damit Geld machen", sagte Holzer.

Deswegen hat das "Bündnis für ein Gentechnikfreies Bayern", zu dem etwa 30 Organisationen zählen, darunter auch Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) oder Greenpeace, über eine Online-Aktion mehr als 88 000 Unterschriften gesammelt, die am Freitagvormittag bei einem Protest vor der Bayerischen Staatskanzlei an Europaminister Eric Beißwenger (CSU) übergeben wurden.

Bayerns Abgeordnete in Brüssel sollten vor allem Bayerns Interessen vertreten, so Lüst

Bayerische Europaabgeordnete sollten nach Lüsts Ansicht in Brüssel vor allem bayerische Interessen vertreten, allen voran der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP im EU-Parlament, Manfred Weber. Eine Aufweichung des Gentechnik-Verbots nütze weder Landwirten noch Verbrauchern, sondern nur den großen Saatgut- und Pestizidherstellern, meint Lüst. Da passe es nicht zusammen, wenn sich CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag auf die Gentechnikfreiheit Bayerns verständigten, während CSU-Politiker in Brüssel die Gentechnik voranbrächten. "Herr Weber macht seit Monaten massiv Lobbyarbeit für die Deregulierung. Das ist eigentlich Verrat an den Wählern", kritisiert Lüst.

Auch der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) steht den Plänen der EU kritisch gegenüber. "Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die Möglichkeit haben, auf neue Züchtungsmethoden verzichten zu können. Ich stehe zum gentechnikanbaufreien Bayern", teilte der Minister auf SZ-Anfrage mit.

Ob das neue EU-Gesetz das bayerische Verbot von Gentechnik tatsächlich kippen wird, muss sich noch zeigen. "Für die genaue Ausgestaltung der neuen EU-Regelungen bleiben zunächst die endgültigen Positionen des Europaparlaments und des EU-Rates abzuwarten", teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Die Botschaft aus dem Fünfseenland an die EU-Abgeordneten ist jedenfalls klar: "Aus Starnberg ein klares Nein", sagt Georg Holzer.

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