Krise in der Automobilbranche:Webasto muss sich einbremsen

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Das zweite neue Gebäude auf dem Webasto-Areal soll Mitte 2025 fertiggestellt sein. Dann sollen dorthin die Mitarbeiter aus Gilching umziehen, wo der Standort aufgegeben wird. (Foto: Georgine Treybal)

Nach drastischem Gewinneinbruch kündigt der Autozulieferer Stellenabbau und Einsparungen an. Die Mitarbeiter sind beunruhigt.

Von Christian Deussing, Gauting

Es gab schon mal bessere Zeiten für Webasto. Nach einem massiven Gewinneinbruch hat der Autozulieferer aus dem Landkreis einen strikten Sparkurs und Stellenabbau angekündigt. Darüber sind die 1340 Mitarbeiter in der Firmenzentrale in Stockdorf und an den anderen Standorten informiert worden. Das ist wohl auch keine schöne Nachricht für den Angestellten aus der Zentrale, der an diesem Morgen sein Kind nebenan in die Kinderkrippe "Webastolinis" bringt. Die Einrichtung war für 1,6 Millionen Euro und mit einem Zuschuss des Freistaats in Höhe von 822 000 Euro gebaut und vor zwölf Jahren eingeweiht worden. Hiermit unterstützt die Eigentümerfamilie Baier die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Mitarbeiter. Ob nun dieser Vater um seinen Job bangt? "Keinen Kommentar", sagt er im mürrischen Ton und wendet sich ab.

Auch bei anderen Beschäftigten von Webasto scheinen derzeit die Nerven blank zu liegen. Zumindest wirken einige so, als sie sich dem Werkstor nähern. Sie wollen nicht über die angespannte Lage reden. Nur einer lächelt und sagt: "Ich nehme die Sache locker." Dann geht er aber schnell weiter.

Was ist los bei dem Unternehmen Webasto, das weltweit 16 600 Mitarbeiter beschäftigt, davon 567 auch in Gilching und weitere 350 am Standort in Utting? Zwischen Umsatz und Gewinn hat sich eine große Schere aufgetan. So musste Vorstandschef Holger Engelmann mitteilen, dass das Jahresergebnis im vorigen Jahr "enttäuschend" gewesen und man daher gezwungen sei, zu handeln. Der Gewinn soll im Jahr 2022 noch 193 Millionen Euro betragen haben - im Vorjahr jedoch auf rund 20 Millionen Euro wegen der schwierigen Situation in der Automobilbranche zusammengeschmolzen sein.

Zwar sei der Umsatz des global agierenden Unternehmens im vergangenen Jahr auf knapp 4,6 Milliarden Euro gestiegen, der Betriebsgewinn vor Zinsen und Steuern mit rund 20 Millionen Euro aber nur leicht im positiven Bereich gelegen, erklärte nun der Konzernchef. Daher würden in allen Regionen und Bereichen der Webasto-Gruppe die "Kapazitäten und Struktur hinsichtlich ungenutzter Optimierungspotenziale" überprüft - also auch jenseits der Produktion und somit auch in der Verwaltung. Engelmann kündigte an, dass "sich Webasto finanziell resilienter aufstellen" müsse und ein Stellenabbau im zweistelligen Prozentbereich voraussichtlich unvermeidbar sei. Denn sinkende Nachfragen, Kostendruck, gestörte Lieferketten und schwache Entwicklungen auf den Märkten haben das Geschäft des Herstellers von Schiebedächern und Thermosystemen erheblich abgekühlt.

Vorstandschef Holger Engelmann kündigt eine neue Strategie an, um Webasto für die Zukunft zu wappnen. (Foto: Stephan Rumpf)

Allerdings schließt die Firma für das laufende Jahr betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland derzeit aus. Doch man setze auf "natürliche Fluktuation" und es werde geprüft, ob Stellen wiederbesetzt oder ausgeschriebene Positionen wirklich dringend benötigt würden, erläutert Webasto-Sprecherin Anna Franziska Müller. Sie betont, dass die Mitarbeiter in Abstimmung mit dem Betriebsrat über die Ziele des Programms insgesamt und auch über den geplanten Stellenanbau frühzeitig informiert worden seien. "Transparenz in der Kommunikation zu unseren Mitarbeitern ist besonders wichtig", sagt Müller.

Dies bestätigt auch der Betriebsratsvorsitzende Mirco Eschrich der SZ. Aber natürlich machten "sich die Leute ihre Gedanken," sagt er. Es gebe verschiedene Überlegungen, etwa in puncto Vorruhestand, flexiblere Arbeitszeiten, Effizienz oder auf Weihnachts- und Urlaubsgeld zu verzichten, um zusätzliche Freizeit zu erhalten. Das könne dazu beitragen, Jobs zu sichern, sagt Eschrich. "Derzeit durchschreiten wir zwar ein Jammertal, aber ich bin überzeugt, dass es in zwei bis drei Jahren wieder aufwärts geht", glaubt der Vorsitzende des Betriebsrats.

Der neue Gebäudekomplex der Webasto-Zentrale an der Straße in Stockdorf konnte bereits bezogen worden. (Foto: Georgine Treybal)

Inzwischen hat sich das Familienunternehmen von seinem defizitären Geschäft mit Ladelösungen bei der Elektromobilität getrennt und konzentriert sich jetzt wieder mehr auf sein Kerngeschäft. Rund 80 Millionen Euro wurde zudem für die Erweiterung der Stockdorfer Zentrale investiert. Das zweite, neue dreistöckige Gebäude auf dem hinteren Areal ist voraussichtlich im Sommer 2025 Jahres fertig. Es sei geplant, dass dann die Mitarbeiter aus Gilching zum Hauptsitz umziehen, sagt die Webasto-Sprecherin. Das Gebäude in Gilching war vor zwei Jahren an die Beos AG verkauft worden, seither ist Webasto am Gilchinger Standort nur Mieter.

Angesichts der konjunkturellen Entwicklung hat der Autozulieferer schon im vergangenen Jahr seine Kapazitäten angepasst, unter anderem in China, und bis auf Weiteres einen weltweiten Einstellungsstopp beschlossen. In China hat Webasto elf Standorte, davon neun Werke. Vor allem aber würden sich "interessante Wachstumschancen" im asiatisch-pazifischen Raum bieten, berichtet die Firmensprecherin. So seien die Aktivitäten in Südkorea seit einigen Jahren ausgebaut worden, unter anderem mit der Erweiterung des Batteriestandorts in Dangjin. Außerdem seien zwei neue Werke in Indien eröffnet worden, so Müller.

Allerdings dürfte es die hiesigen Mitarbeiter von Webasto vor allem interessieren, wie sicher ihre Arbeitsplätze über das Jahr hinaus sind. Jedenfalls hat die Geschäftsleitung wissen lassen, dass die Beschäftigten "in den kommenden Wochen über alle weiteren geplanten Sparmaßnahmen" informiert würden.

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