Nachhaltiges Leben:Von Lehmhäusern und Konsumverzicht

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Dicke Holzwände, begrünte Dächer und Fassaden: So stellt sich Florian Weller sein Haus der Zukunft vor. Das Modell ist in einem Praxis-Seminar am Gautinger Gymnasium entstanden. (Foto: Nila Thiel)

Gautinger Gymnasiasten haben sich in einem Praxis-Seminar mit nachhaltiger Architektur beschäftigt und ihre Arbeiten im Bosco ausgestellt. Ein Gespräch mit den Schülern über Klimafreundlichkeit, Berufswünsche und Zukunftssorgen.

Interview von Michael Berzl, Gauting

Lehm und Holz hat es ihnen angetan: Damit würden drei Gautinger Gymnasiasten am liebsten bauen. Im Frühjahr machen sie am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting ihr Abitur. Danach - da sind sich die Drei schon sicher - wollen sie Architektur studieren. In ihren Wunschberuf haben sie bereits hineingeschnuppert: Im Rahmen eines Praxis-Seminars beschäftigten sie sich mit nachhaltiger Architektur. Ihre Arbeiten haben sie jetzt im Kulturhaus Bosco ausgestellt. Insgesamt elf Schüler der zwölften Jahrgangsstufe hatten sich im Leitfach Kunsterziehung zwei Jahre lang dem Thema gewidmet, darunter Florian Weller und Bela Streck aus Gauting sowie Elllinor Draf aus Krailling; sie sind 17 und 18 Jahre alt. Ein Gespräch über klimafreundliche Baustoffe, Träume und Sorgen.

SZ: Ihr habt euch gründlich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, welches Generationen zuvor wohl zu wenig beachtet haben. Die Folgen werdet ihr in Form eines von Menschen gemachten Klimawandels zu spüren bekommen. Wie fühlt sich das an?

Florian Weller: Das nimmt man als große Gefahr wahr. Man kommt aus der Schule raus, will sich sein Leben aufbauen und vielleicht auch mal Kinder haben, die dann in dieser Welt leben, die zerstört wird, wenn man nicht sorgfältig damit umgeht. Da macht man sich schon seine Gedanken.

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Bela Streck: Da muss ich widersprechen. Ich bin der Meinung, dass das auch in unserer Generation zu wenig thematisiert wird. In ihrem jugendlichen Leichtsinn haben die Leute andere Dinge im Kopf. Ich gehe nicht jeden Tag durch die Gegend und denke an den Klimawandel. Das beschäftigt mich vielleicht, wenn etwas in den Nachrichten darüber kommt. Da wird einem schon klar, wie krass das eigentlich ist. Aber das ist kein alltägliches Thema in meinem Leben. Wir achten schon darauf, dass man nicht seinen Müll in der Gegend liegen lässt oder Kippen irgendwohin schmeißt. Aber der Großteil der Jugend will sich die Lebensqualität nicht einschränken lassen, auf keinen Fall.

Ellinor Draf aus Krailling mit ihrer Arbeit fürs P-Seminar: ein Schulhaus aus Lehm. (Foto: Nila Thiel)
Und auch der 18-jährige Bela Streck aus Gauting will einmal Architekt werden. (Foto: Nila Thiel)

Ellinor Draf: Ich würde schon sagen, dass ein Bewusstsein für dieses Problem da ist; bei mir spielt das auch bei der Berufswahl eine Rolle. Ich will in Richtung Architektur gehen, etwas verändern und besser machen. Aber ich höre auch von vielen Leuten, die jetzt 18 geworden sind, ihren Führerschein gemacht haben und dann am liebsten mit dem Auto zur Schule fahren wollen. Man genießt halt die Bequemlichkeit.

Bela Streck: Das glaube ich auch: Hauptsache, der eigene Komfort wird nicht eingeschränkt. Wenn ich nach Hamburg mit dem Zug sieben Stunden brauche und mit dem Flugzeug nur eine Stunde, dann nimmt man halt den Flieger, vor allem hier in Gauting. Umweltschutz spielt bei mir bei der Berufswahl schon auch eine große Rolle. Mein Vater beschäftigt sich viel mit nachhaltiger Architektur.

Ihr habt euch in der Q12 in dem Leitfach Kunsterziehung mit dem Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Architektur beschäftigt. Wie geht das?

Ellinor Draf: Man muss sich vorstellen, dass 70 Prozent aller Rohstoffe in Deutschland im Bausektor verwendet werden. Etwa 37 Prozent des gesamten CO₂-Stoßes entsteht beim Bauen. Deswegen würde ich gerne mithelfen, das zu verändern. Früher hat man so gebaut, dass die Häuser möglichst lange hielten und dabei nicht an Wiederverwertung gedacht. Mittlerweile spielt es eine immer größere Rolle, dass man Materialien nach einem Abriss wieder verwerten kann. Aber das sollte sich noch mehr durchsetzen.

Spielt dieser Gedanke auch eine Rolle bei dem Modell, das beim Praxis-Seminar entstanden ist?

Ellinor Draf: Ja, denn bei meinem Modell handelt es sich um eine Schule, die aus Lehm gebaut ist. Lehm als natürlicher Baustoff ist diffusionsoffen, reguliert also Feuchtigkeit und sorgt für ein gutes Raumklima. Und Lehm ist komplett wiederverwertbar.

Bela Streck: Bei mir ist es ein Wohnhaus, ebenfalls aus Lehm. Vor allem deshalb, um auf Beton zu verzichten, weil das ein Baustoff ist, der bei der Herstellung extrem Energie benötigt und trotzdem noch viel zu oft verwendet wird. Alte Häuser aus der Gründerzeit etwa sind zwar verziert und geschmückt, aber eigentlich sehr simpel aufgebaut. In der Nachkriegszeit ist dann möglichst schnell gebaut worden; da hat man nicht mehr so auf die Qualität geachtet. Darum hat man sehr viele verschiedene Stoffe in einem Bau verwendet, darunter auch Styropor und alle möglichen Dämmmaterialien. Das Problem ist, dass es sich um sehr umweltschädliche Stoffe handelt und man das Zeug bei einem Abriss schlecht loswird. Jedenfalls bin ich der Meinung, dass man so simpel wie möglich bauen sollte und habe mich auch für Lehm und Holz entschieden; das sind naturbelassene und regenerative Materialien. Zur Dämmung nach außen wäre Schafwolle möglich.

Ellinor Draf: Ein Vorteil von Lehm ist auch, dass Transportwege wegfallen. Lehm gibt es überall auf der Welt.

Florian Weller: Ich habe ein Geschäftshaus konzipiert und mich dabei auf drei Faktoren der Nachhaltigkeit konzentriert: ökologisch, ökonomisch und sozio-kulturell. Ich habe vor allem Holz eingesetzt als ressourcensparenden Baustoff, das Gebäude soll kompakte dicke Wände bekommen, Fassaden und Dächer werden begrünt. Zur Wärmeversorgung stelle ich mir Geothermie vor.

Das P-Seminar im Leitfach Kunsterziehung mit der Lehrerin Svantje Munzert (rechts). (Foto: Nila Thiel)

Soweit die Theorie. Kennt ihr Beispiele für gelungene nachhaltige Architektur?

Bela Streck: Bei dem Architekturbüro, in dem ich mein Modell entworfen habe, bei Florian Nagler in Pasing, wurde im Hinterhof angebaut. In Holzbauweise, komplett ohne Beton, die Zwischendecken und Böden aus Lehm. Das hat mir sehr gut gefallen. Beeindruckend ist auch ein Wohnhaus aus Lehm von dem Architekten Martin Rauch; das steht in Linz.

Florian Weller: Das Elementum-Gebäude von Imfarr aus Österreich beim Hauptbahnhof in München. Das kriegt ungefähr 40000 Quadratmeter Bürofläche und wird komplett als Holzhaus realisiert. Bis jetzt ist dort allerdings nur eine riesige Baugrube zu sehen.

Wir sitzen hier in einem Ende der Sechzigerjahre errichteten Schulhaus. Viel Beton, von Lehm und Holz jedenfalls keine Spur. Da dürfte nicht alles so optimal sein, oder?

Bela Streck: Da war Nachhaltigkeit wohl noch kein Thema. Das ist jedenfalls nichts, was ich so bauen würde, wenn ich Architekt wäre. Und ein Blickfang ist die Schule auch nicht.

Ellinor Draf: Hat jedenfalls lange gehalten.

Florian Weller: Dafür setzt unser Gymnasium wesentliche Maßstäbe im Bereich Nachhaltigkeit. Auch nach Corona und Homeschooling spielt bei uns das digitale Programm Mebis zur Bereitstellung von Unterrichtsinhalten eine große Rolle, und wir verringern so den Verbrauch von Papier. Fast jeder Schüler ist mittlerweile mit iPad oder Laptop und die Klassenzimmer mit modernen Smartboards ausgestattet.

Bela Streck: Eine neue Schule zu bauen, ist jedenfalls illusorisch, das ist klar. Und es ist sowieso besser, etwas lange zu nutzen. Lieber fahre ich meinen alten Twingo tot und kaufe dann erst ein E-Auto.

Ellinor Draf: Im Prinzip ist es besser, ein Haus, das schon gebaut ist, lange zu nutzen, als ein neues Haus zu bauen. Und wenn man ein Gebäude abreißt, gibt es ein Konzept, das heißt Urban Mining. Dabei versucht man, möglichst viele Materialien, die in dem Haus stecken, noch zu nutzen. Allerdings hat sich gezeigt, dass man meist nur etwa zehn Prozent wiederverwerten kann.

Ihr habt euch in dem P-Seminar viele Gedanken über Nachhaltigkeit in eurem künftigen Wunschberuf als Architekten gemacht. Wie sieht es aktuell im Alltag aus? Was kann man da besser machen?

Bela Streck: Seit ein paar Jahren schaue ich darauf, dass ich vor allem mit dem lebe, was ich schon habe, also nicht ständig Neues kaufe. Und wenn ich mir etwas kaufe, ist das meistens gebraucht. Zum Beispiel Klamotten. Früher war ich sehr Mode-interessiert. Kaufen, kaufen, kaufen. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass das extrem sinnbefreit ist. Das größte Problem beim Thema Klimawandel ist doch der Konsum, und keiner möchte den zurückschrauben. Konsum ist in unserer Gesellschaft schon fast eine Sucht.

Florian Weller: Genau. Als Jugendlicher geht man schon zu oft zum Shoppen und kauft neue Kleidung, ein neues Handy oder ein neues iPad. Aber oft tut es doch das alte Handy noch. Ich habe schon den Führerschein, nutze derzeit noch das alte Zweitauto von meinen Großeltern und werde die nächsten Jahre kein neues Auto kaufen - zum Klimaschutz.

"Die Klimakleber finde ich gut. Bisweilen braucht es Radikalität."

Ellinor Draf: Wir geben auch oft innerhalb der Familie Klamotten weiter.

Bela Streck: Ich fliege generell selten, nur wenn es nicht anders geht. Und beim Essen, da ist der Biomarkt eine teure, aber gute Option. Da schmeckt das Essen einfach auch besser.

Die größte Umweltschutzbewegung in der jüngsten Vergangenheit war Fridays for Future, zuletzt hat vor allem die sogenannte Letzte Generation mit den Klimaklebern Schlagzeilen gemacht. Wie steht ihr dazu?

Ellinor Draf: Von den Klimaklebern halte ich ehrlich gesagt nicht viel, weil die nur auf sich aufmerksam machen, der Sache dient das aber nicht.

Florian Weller: Fridays for Future fand ich eine gute Sache, weil da die junge Generation gezeigt hat, wie sehr ihr Klimaschutz am Herzen liegt. Als die großen Proteste waren, sind wir sogar von der Schule für ein paar Stunden freigestellt worden, um daran teilzunehmen. Das war echt toll. Da hat man gesehen, dass das der Schulleitung auch wichtig war. Die Klimakleber dagegen bringen sich und andere Menschen in Gefahr. Das ist meiner Meinung nach der falsche Weg.

Bela Streck: Das sehe ich anders. Die Klimakleber finde ich gut, weil es bisweilen auch mal Radikalität braucht, um etwas durchzusetzen, was Brisanz hat. Auch wenn man damit vielen Leuten auf den Geist geht, wenn zum Beispiel jemand zur Arbeit muss. Ich find's sympathisch. Fridays for Future ist schon eine gute Sache, aber mich hat halt gestört, wenn jemand zu einer Klimademo geht und sich von der Mutti mit dem Porsche hinfahren lässt.

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