Jubiläum:"Die sich einbildeten, was mit Kunst zu tun zu haben"

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"Alles Kasperltheater" von Brigitte Doege. (Foto: Georgine Treybal)

Der Gautinger Kunstverein feiert sein 50-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung im Rathaus.

Von Katja Sebald, Gauting

"Was wurden uns für großartige Ausstellungen im Rathaus präsentiert", erinnert sich der Gautings Altbürgermeister Ekkehard Knobloch zum fünfzigjährigen Bestehen des Gautinger Kunstvereins. Die Vernissagen seien stets kulturelle Highlights, ja gesellschaftliche Ereignisse gewesen. Und so wird auch der runde Vereinsgeburtstag standesgemäß mit einer Ausstellung von langjährigen Mitgliedern gefeiert. Die Eröffnung findet an diesem Donnerstag von 18 Uhr an im Rathaus Gauting statt, es erscheint ein kleiner Katalog.

Brigitte Doege stellte für die Einladungskarte und das Cover des Katalogs gezeichnete Porträts aller ausstellenden Künstler zur Verfügung. (Foto: Georgine Treybal)

Eine ordentliche Vereinschronik mit Daten, Zahlen und Fakten wird man in diesem Katalog allerdings vergeblich suchen. Es ist wiederum Knobloch, der in seinem Vorwort die Gründung des Vereins in Zeiten eines allgemeinen Aufbruchs verankert. Er schreibt: "Zu den örtlichen Traditionsvereinen wie den Gesangs-, Schützen-, Sport-, Trachten- und Veteranenvereinigungen sowie dem Roten Kreuz und den Feuerwehren gesellte sich eine Vielzahl von kulturellen Initiativen und Neugründungen." Es seien nicht die etablierten Künstler der Gautinger Malerkolonie gewesen, die sich Anfang der 70er-Jahre zum "Kunstverein" zusammenschlossen, sondern Vertreter einer jüngeren Generation wie Thomy Niederreuther, den Knobloch als "erfolgreichen Geschäftsmann und künstlerisches Multitalent" beschreibt, und der "politische Feuerkopf" Stefan Britt. Während Knobloch lediglich von "Wortgefechten" zwischen den beiden schreibt und allenfalls andeutet, dass auch ordentlich die Fetzen flogen, so nahm Britt selbst wenige Wochen vor seinem Tod im Jahr 2015 noch kein Blatt vor dem Mund, als er über die Gründungsjahre des Kunstvereins zu Protokoll gab: "Da sammelten sich Leute, die sich einbildeten, was mit Kunst zu tun zu haben."

Vorsitzende Jane Höchstetter sagt, der Verein sei "offen für Neues". (Foto: Georgine Treybal)

Knobloch schreibt von "milden Ausläufern des Geistes der 68er-Jahre". In privaten Archiven jedoch fanden sich im Vorfeld des Jubiläums Dokumente, die, jetzt abgedruckt im Katalog, das kulturelle Leben im Gauting der wilden Siebziger und das Aufeinandertreffen von Gegensätzen höchst eindrücklich illustrieren: Im Jahr 1970 ließen sich die Gautinger Künstler eine Ausstellung im "Don-Bosco-Heim" noch von Landtagspräsident Rudolf Hanauer eröffnen, der kurz zuvor den ehemaligen Münchner NS-Oberbürgermeister Karl Fiehler vor Gericht vertreten hatte. Ein gutes Jahrzehnt später verfasste dann der Vorstand des Gautinger Kunstvereins eine "Stellungnahme zu Achternbusch": Sehr engagiert wird darin der Künstlerkollege aus Buchendorf verteidigt, der sich Blasphemievorwürfen wegen seines Films "Das Gespenst" ausgesetzt sah. Jane Höchstetter, die heutige Vorsitzende des Vereins, ist sich dennoch sicher, dass nach Jahren des Unverständnisses zwischen den etablierten älteren und den jungen Künstlern mit der Gründung des Kunstvereins ein Forum für alle eröffnet worden sei. Sie schreibt: "Unser traditionsreicher Verein hat seit 1972 in fünf Jahrzehnten alle gesellschaftlichen Entwicklungen, Herausforderungen, kulturellen Neuverortungen durchlaufen und ist durch die Vielfalt im Bereich Kunst, Kultur und Öffentlichkeit zu einem Leuchtturm erwachsen, offen für Neues, für innere und äußere Entwicklungsprozesse."

"Wer nicht lachen kann, muss weinen" von Bernd Wiedemann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die "Ausstellung No 1" soll deshalb nach zwei Jahren Pandemie auch für einen hoffnungsvollen Neuanfang stehen. Zu sehen sind Arbeiten von fünfzehn verschiedenen Künstlern, unter ihnen mit Rosemarie Zacher, Bernd Wiedemann, Else Streiter-Schröck und Elke Hack auch ehemalige Vorstandsmitglieder. Brigitte Doege-Schellinger stellte für die Einladungskarte zur Ausstellung und das Cover des Katalogs gezeichnete Porträts aller ausstellenden Künstler zur Verfügung. Im Katalog beantworten alle Aussteller die Frage nach ihrem schönsten Erlebnis mit dem Kunstverein. Beinahe übereinstimmend nennen sie die Ausstellungseröffnungen, die seit 1975 im damals neu erbauten Gautinger Rathaus stattfinden. Und der Bildhauer Ulrich Schweiger ist sogar der Meinung: "Gauting ist ohne Kunstverein nicht vorstellbar."

Die Vernissage zur "Ausstellung No 1" im Rathaus Gauting findet am Donnerstag, 28. April, 18 Uhr statt. Die Ausstellung endet am 2. Juni mit einer Finissage um 19 Uhr.

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