Konzert in Gauting:Das Bosco als Dancefloor

Lesezeit: 3 min

Die Band Jamaram bringt ihre Fangemeinde beim Aufritt in Gauting zum Tanzen. (Foto: Jay Nath/oh)

Für den Auftakt einer neuen Konzertserie werden die Stühle aus dem Saal geräumt. Die Weßlinger Weltmusik-Band Jamaram feiert mit dem Publikum eine Riesensause.

Von Armin Greune, Gauting

Gleich zwei Premieren im Gautinger Bosco: Zum ersten Mal wird für ein Konzert der Saal entmöbelt, und die Kapelle ist zwar altbekannt, spielt aber erstmals das Programm der neuen Tourneesaison. Jamaram hat sich dafür mit Dominik Haas alias Jahcoustix verstärkt, der wie die Band seit mehr als zwei Jahrzehnten fester Bestandteil der europäischen Reggae-Szene ist. Aus dieser Zusammenarbeit sind die acht Tracks des Albums "Morning" entstanden, das demnächst auf Vinyl veröffentlicht werden soll. Die meisten Songs daraus bekommt auch das Gautinger Publikum zu hören.

Das unbestuhlte Konzert ist Startschuss zur neuen Reihe "Vielklang unchained", mit der das Bosco vermehrt junge Leute anziehen will. Von September an bis Juli nächsten Jahres sind vier weitere Veranstaltungen mit Stehplätzen geplant; wer dann im Saal auftreten wird, steht noch offen. Der Pilot zum Projekt erweist sich jedenfalls als Erfolg auf der ganzen Linie: Der Saal ist am Donnerstagabend nicht nur rappelvoll mit Menschen aller Altersklassen, phasenweise war zu beobachten, dass wirklich ausnahmslos jede und jeder tanzte oder wenigstens mitgroovte.

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Das ist vor allem den Musikern zu verdanken: Seit 24 Jahren verbreitet Jamaram bis nach Südafrika oder Brasilien gute Laune. Sänger Tom Lugo, Schlagzeuger Murxen Alberti, Gitarrist Samuel Hopf alias Samy Danger, Keyboarder Lionel Wharton, Trompeter Daniel Noske, Saxophonist Giovanni Pecorini, Percussionist Nik Thäle und Bassist Benjamin Beblo kreieren einen abwechslungsreichen Mix aus Modern Roots, Dubwise und Rock. Die selbst geschriebenen Songs reichern sie mit Elementen an, die sie zum Teil bei ihren mehr als 1000 Auftritten eingesammelt haben: Hip Hop und Afrobeat, Son Cubano und Balkan-Pop oder gar Polka und Walzer. Dazwischen gibt es das eine oder andere Unplugged-Intermezzo für zwei Stimmen und zwei Gitarren. Und manchmal ist der Weg zum Ballermann- oder Faschingsschlager nicht mehr weit, wenn etwa Wharton zum Akkordeon greift und der ganze Saal beim großen "Ayayayayay" mitjohlt.

Wer allerdings von der einen oder anderen textlichen oder musikalischen Banalität auf eine generelle Oberflächlichkeit schließt, tut dem Oktett unrecht: Die Band unterstützt seit 2006 Schulprojekte in Afrika, sie tritt offensiv gegen Krieg, Ausgrenzung und Intoleranz ein. In ihre Songs aber sind politische Botschaften eher dezent eingeflossen, auch wenn etwa die neue Ballade "Be You" gegen Propaganda und Vereinsamung durch Social-Media-Konsum Stellung bezieht.

Ein permanenter Groove begeistert das tanzende Publikum

Denn Jamaram vermittelt vor allem heitere Stimmungsmusik im besten Wortsinn: Ihre Live-Show geht garantiert in die Beine, das Publikum feiert von Anfang an eine große Party. Schon als die Musiker zum Intro über die noch dunkle Bühne huschen, wird der Jubel laut. "Von Gauting bis Uganda steigt die Riesensause" rappt dann Lugo, bevor die Band loslegt. Nach zehn Minuten reiner Reggae-Ekstase folgt die erste Ballade, zu der die Zuhörer mitklatschen.

Sie blieben in einem permanenten Groove gefangen, wenn Lugo und seine Freunde nicht ab und zu amüsante Nichtigkeiten zwischen die Songs streuten. So erfährt man, was "danke" auf ugandisch heißt, dass Drummer Alberti heute ganz neue Tanzschuhe trägt und der Frontmann zum Auftritt nur eine 17-minütige Autofahrt von der "Home crowd" absolvieren musste.

Der Kern der Band, deren Keimzelle sich in gemeinsamen Schulbusfahrten von Hopf und Lugo zwischen Herrsching und Weßling entwickelte, fühlt sich noch heute im Fünfseenland daheim. Drei wohnen in Wörthsee, Hochstadt und Weßling, wo auch geprobt und aufgenommen wird sowie Verlag und Management residieren. Der starke lokale Bezug der Jamaram-Urgesteine wird durch Internationalität kompensiert; Hopf und Lugo verbrachten zeitweise ihre Kindheit in Amerika. Da passt "Newcomer" Jahcoustix perfekt dazu: Dominik Haas wuchs als Diplomatensohn unter anderem in Mexiko, New York, Kenia und Ägypten auf. Sein Gesang wirkt so authentisch, als käme er direkt aus Jamaika, und seine Moves auf der Bühne sitzen perfekt.

Zur Frage ins Publikum, wer schon beim ersten Jamaram-Konzert um die Jahrtausendwende dabei war, kann der Reporter nicht die Hand heben. Aber immerhin war er Zeuge der Veranstaltung, die auf der Homepage in der meterlangen Gig-History ganz unten steht. Das war im November 2002 in der Weilheimer Hochlandhalle. So lässt sich festhalten: Bei allen im Laufe der Zeit verfeinerten technischen Fertigkeiten und einem beständig erweiterten Repertoire sind sich Jamaram treu geblieben. Und das ist auch gut so: Eine fette Dröhnung positiver Vibrations kann in diesen tristen Zeiten nicht schaden.

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