Gauting: Diskussion um Aldi:Grüne in der Zwickmühle

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Eindeutig zweideutig: Anne Franke stimmt im Gautinger Gemeinderat für die geplante Verlagerung des Auslieferungslagers von Aldi - im Kreisverband stimmt sie dagegen.

Michael Berzl

Die drei Gemeinderäte der Grünen in Gauting sind in einer argen Bredouille: Ähnlich wie beim Olympia-Dilemma der Münchner Kollegen, vertritt die Fraktion beim Thema Aldi eine andere Position als die Basis. So hat sich die Kreisversammlung einstimmig gegen die geplante Verlagerung des Auslieferungslagers auf Gautinger Flur in der Nähe des Gilchinger Gewerbegebiets ausgesprochen. Mit dabei: Anne Franke, die auch im Starnberger Kreistag und im Landtag sitzt.

Anne Franke stimmte im Gautinger Gemeinderat für die Aldi-Pläne, im Kreistag war sie dagegen. (Foto: dapd)

Sechs Tage später hat der Gautinger Gemeinderat sich für die Aldi-Pläne ausgesprochen und der Bürgermeisterin einen entsprechenden Verhandlungsauftrag erteilt. Auch dieser Beschluss war einstimmig. Mit dabei war also auch Anne Franke. Michael Berzl wollte von ihr wissen, wie sich diese widersprüchlichen Beschlüsse vereinbaren lassen.

Süddeutsche Zeitung: Sie stimmen im Gemeinderat für das geplante Auslieferungslager von Aldi auf Gautinger Flur und lehnen es in einer Kreisversammlung Ihrer Partei ab. Wie nun?

Anne Franke: In der Kreisversammlung kamen ein paar Dinge zur Sprache, die so nicht richtig sind. Zum Beispiel die Sache mit dem Verkehr. Es ist so, dass Aldi jetzt schon die Lastwagen von Eichenau aus schickt. An den Fahrtrouten würde sich dann nur ändern, dass die Strecken kürzer werden, weil das Logistikzentrum direkt an der Autobahn wäre. Die Strecken in den Süden, nach Bad Tölz und Wolfratshausen, von denen man befürchtet, dass sie den Autobahn-Südring nötig machen, sind ja jetzt schon da. Da wird es nicht mehr Fahrten geben.

SZ: Das sind jetzt Argumente für ein Auslieferungslager auf Gautinger Flur.

Franke: Das sind Argumente dafür, genau. Das entkräftet zumindest das Argument, dass der Verkehr zunehmen würde. Das stimmt unseres Erachtens und nach allen Zusicherungen, die wir bekommen haben, nicht.

SZ: Einstimmig, also auch mit den Stimmen der drei Gautinger Grünen hat Bürgermeisterin Servatius den Auftrag, weiter zu verhandeln. Wie werden Sie künftig abstimmen. So wie im Kreisverband oder wieder anders?

Franke: Das kommt darauf an. Wir haben in Auftrag gegeben, die Änderung des Flächennutzungsplans einzuleiten. Dabei geben die Träger öffentlicher Belange ihre Stellungnahmen ab. Da äußert sich dann zum Beispiel auch das Wasserwirtschaftsamt und wir werden endlich sehen, wie die Wasserströme verlaufen, worüber ich schon lange Unterlagen angefordert habe. Und dann müssen wir beurteilen, ob es da eine Gefährdung gibt oder nicht.

SZ: Aha. Die Grünen sind ja bekannt dafür, dass sie flexibel sind in ihren politischen Haltungen. Hier ist mir gar nicht mehr klar, wo sie stehen.

Franke: Die Tatsache, dass Gauting wirklich dringend mehr Einnahmen braucht, bringt uns in diese schwierige Situation. Auch wir Grüne konnten keine bessere Einnahmequelle für Kommunen finden, auch wenn unsere Finanzexpertin Christine Scheel in den neunziger Jahren sehr gute Vorschläge diesbezüglich gemacht hat.

Mittlerweile halten wir die Gewerbesteuer für unverzichtbar und wollen sie auf eine breitere Grundlage stellen. Gerade die Gemeinde Gauting braucht für die Finanzierung ihrer vielen, teils würmtalübergreifenden Aufgaben wie weiterführende Schulen, Kindergärten, Schwimmbad dringend neben den Einnahmen aus der Einkommenssteuer mehr Gewerbesteuereinnahmen.

SZ: Das sind ja wieder Argumente für Aldi. Haben Sie dann in Ihrer Kreisversammlung auch für das Projekt geworben?

Franke: Ich habe dafür geworben, habe aber auch die Nachteile genannt.

SZ: ... und den einstimmigen Beschluss dagegen mitgetragen.

Franke: Ja, der Beschluss der Kreisversammlung wandte sich gegen einen einzelnen großen Bewerber, wie Aldi. Wir befürworten die Ansiedlung mehrerer kleiner und mittlerer Unternehmen, die möglichst ökologisch wirtschaften, viele Arbeitsplätze schaffen und ihre Wertschöpfung im Landkreis haben. Ich habe in den Tagen nach der Kreisversammlung im Gespräch mit Frau Servatius und der Verwaltung und auch im letzten Gemeinderat nochmal alles versucht, das Ruder herumzureißen. Vergeblich.

Wir bedauern, dass es nicht so gelaufen ist, dass Gauting sich zuerst die Flächen gesichert und zum Gewerbegebiet entwickelt hätte. Dann würde jeder Bewerber den gleichen Preis bezahlen und die Gemeinde könnte sogar einen kleinen Planungsgewinn verbuchen.

SZ: Das sind ja ganz gegensätzliche Positionen, die Sie da vertreten.

Franke: Sicher sind wir in einer Zwickmühle, was die Versiegelung und den Landschaftsschutz angeht. Man muss hier aber klarstellen - und das habe ich in der Kreisversammlung gemacht -, dass im Landschaftsschutzgebiet konventionelle Landwirtschaft mit Düngung, Herbiziden und Pestiziden erlaubt ist. Es ist eben kein Naturschutzgebiet, der Unterschied wird häufig übersehen. Der Acker an dieser Stelle ist von der Biodiversität her als worst case zu beurteilen. Es wächst nur eine einzige Pflanze. Jeder Straßengraben hat eine viel höhere Vielfalt an Pflanzen und Tieren.

© SZ vom 08.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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