Ausstellung in Gauting:Hingabe zu Hinterhöfen

Lesezeit: 2 Min.

Toni Schade zeigt seine Ausstellung "Neonatur" im Bosco. (Foto: Georgine Treybal)

Hinterhöfe, Wasserkraftwerke, Lüftungsschächte: Der studierte Architekt Toni Schade fotografiert Gebäude, die kaum jemand schön findet. Die Bilder zeigen eindrucksvoll den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt.

Von Katja Sebald, Gauting

Von der Bar im ersten Stock des Gautinger Kulturhauses Bosco blickt man an diesen trüben Spätwintertagen auf Häuserrückseiten, Brandmauern, Fertiggaragen und Mülltonnen. Zwischen die Fenster, die diesen Ausblick bieten, hat Toni Schade sieben Bilder gehängt, die sehr ähnliche Hinterhofszenen zeigen. Entstanden sind diese Aufnahmen in Österreich, wo Schade lebt, und in China. Ob in Gauting, Innsbruck, Nanjing oder Shanghai: Wo der urbane Raum nicht seine von Architekten und Landschaftsgärtnern sorgfältig gestaltete Schauseite zeigt, erscheint er wenig menschenfreundlich.

Toni Schade, 1982 in Genf geboren und in Gauting aufgewachsen, ist Architekt und Fotograf. Seine Ausstellung im Bosco hat er mit "Neonatur" betitelt: Der gebaute Raum sei Ausdruck menschlichen Seins und Wirkens, in der Geschichte der Menschheit sei er jedoch ein sehr junges Phänomen, schreibt er dazu.

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Die weitaus meiste Zeit habe der Mensch umgeben von der Natur gelebt, mit der er untrennbar verbunden ist. Seine Bestrebungen, sich von den natürlichen Elementen abzugrenzen und den "zivilisierten" Lebensraum zu gestalten, haben in der jüngeren Vergangenheit zu merkwürdigen Blüten geführt, auf die Schade mit den ästhetischen Mitteln des Architekturfotografen sein Augenmerk richtet.

Vor einem milchig-grauen Himmel erheben sich unsäglich blasse, graue, grünliche oder fleischfarbene Bauten über gleichfalls grauen, zugepflasterten, geteerten oder einfach vergessenen Flächen. Beinahe ebenso farblos wirkt das Grün, das sich zwischen den Häuserschluchten oder am Ende eines Parkplatzes abzeichnet. Wie verloren an diesen öden Unorten wirken die wenigen Passanten, die eilig von hier nach da hasten.

Toni Schade fotografiert genau die Orte, die nicht durchgestylt sind. (Foto: Georgine Treybal)
Zum Beispiel triste Hinterhöfe. (Foto: Georgine Treybal)
Oder Lüftungsschächte. (Foto: Georgine Treybal)

Es sind allenfalls die Dimensionen der Häuser, die Kleidung der Menschen und die Schriftzeichen auf den Schildern, die einen Hinweis darauf geben könnten, ob man sich nun gerade im beschaulichen Tirol oder in einer chinesischen Trabantenstadt befindet. Die großflächige Leere in Komposition, vor allem aber der weitgehende Verzicht auf Farbe und der extrem matte Pigmentdruck auf Alu-Dibond machen die Ästhetik dieser Bilder aus.

Besonders krass aber erscheint die Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt nicht in diesen Bildern von den Abseiten der Städte, sondern in den Aufnahmen, die mitten in der Natur entstanden sind. Ebenso unwirtlich und zubetoniert wie die gezeigten Hinterhöfe wirkt auch ein kreisrunder Aussichtsplatz im ligurischen Varrazze. Es sieht so aus, als wäre er direkt am Meer gelegen, aber die Menschen sitzen auf einer niedrigen Betonmauer und schauen in ein Nichts aus einer blässlichen Wasserfläche unter einem verhangenen Himmelsgrau.

Auch aus den Tiroler Bergen, vom Patscherkofel, aus dem Kühtai und aus dem Sellraintal, brachte der passionierte Bergsteiger Schade keine Postkartenbilder mit: Vor den schneebedeckten Gipfeln fotografierte er vielmehr Wasserkraftwerke, Antennen, Lüftungstürme von Tunneln und ein "Lawinenbremsbauwerk". Er setzt diese schnöden Auswüchse menschlicher Hybris in Szene, als handle es sich um preisgekrönte Architektur an landschaftlich reizvollen Orten.

Wirken menschliche Bauwerke eher belebend oder zerstörend auf die Natur?

Tatsächlich fotografiert Schade auch im sogenannten "echten" Leben Architektur. Nach seinem Architekturstudium in Innsbruck und Lissabon hat er sich auf Architekturvisualisierungen spezialisiert. Zur Fotografie fand er bereits als Jugendlicher, als er zum 14. Geburtstag von seinen Eltern eine analoge Spiegelreflexkamera bekam. Er lebt und arbeitet in Innsbruck, als freier Lehrbeauftragter unterrichtet er außerdem an den Architekturfakultäten der Universitäten Innsbruck, Vaduz und Nanjing.

Die Ausstellung "Neonatur" von Toni Schade ist als Teil des Themenschwerpunkts "Lebensraum im Anthropozän" noch bis zum 22. März zu den Öffnungszeiten des Boscos zu sehen. Zum Rahmenprogramm gehört außerdem an diesem Freitag ein Kurzfilmabend zum Thema "Mensch - Architektur - Natur". Gabriel Flieger, Leiter der Internationalen Kurzfilmwoche Regensburg, wird den Abend moderieren, an dem sieben ausgewählte Kurzfilme mit einer Gesamtspielzeit von 81 Minuten gezeigt werden.

Aus verschiedenen Blickwinkeln soll deshalb die Frage untersucht werden, ob der Mensch durch seine Bauwerke eher belebend oder eher zerstörend wirkt - oder ob er nur mehr wenig eigenen Handlungsspielraum hat und längst zum Spielstein in einem überwältigenden System geworden ist.

Beginn ist um 20 Uhr, der Eintritt kostet 8 Euro.

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