Geschichte:Zwischen Ondulierhaube, Brennschere und Toupierkamm

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Im Friseursalon auf Zeit frisiert Gabriele Pfeifhofer gegen eine kleine Spende in historischem Ambiente. (Foto: Nila Thiel)

Im "Friseursalon auf Zeit" im Gautinger Bosco frisiert Gabriele Pfeifhofer gegen eine kleine Spende in historischem Ambiente. Allerlei Neues ist dabei zu erfahren - zum Beispiel, welche Rolle einst ein Staubsauger spielte.

Von Patrizia Steipe, Gauting

Auf einem silberglänzenden Ständer steckt der Aufsatz mit den nach allen Seiten aufgefächerten Röhren. Sie sind mit kleinen Löchern versehen, aus denen heiße Luft auf die Haare strömen kann. Die Ondulierhaube ist der Hingucker im historischen Friseurladen, zu dem sich der hintere Raum im Erdgeschoss des Gautinger Bosco verwandelt hat. Friseurmeisterin Gabriele Pfeifhofer hat selbst nicht mehr mit dem antiken Gerät gearbeitet, welches dabei hilft, aus glatten Haaren eine Lockenpracht zu machen. Aber ihre Mutter, ebenfalls Friseurin, habe es noch benutzt. "An den furchtbaren Geruch kann ich mich noch gut erinnern", sagt Gabi, wie sie von ihren Kunden genannt wird.

Schonend für das Haar war diese Prozedur keinesfalls, genauso wenig wie das Wellen mit der Brennschere, die in ein kleines Gerät zum Aufheizen gesteckt wurde. Auch für die Hände waren die scharfen Chemikalien vergangener Jahrzehnte, mit denen gefärbt und Dauerwellen gemacht wurden, eine Tortur. "Ich hatte oft blutige Finger", erinnert sich die Friseurin. Für die Ausstellung "Mausefallen für Dich - Zigarren für die Welt", in der das Bosco mit Exponaten aus der Sammlung Geiger an das alte Gauting erinnert, hat der Sammler Teile des ehemaligen Friseursalons Schuldes in Pentenried aufgebaut. Auf einem Podest stehen die uralten Dinge wie der lederbezogene Friseurstuhl aus Holz.

Über die angeschraubte Nackenstütze ist Abreißpapier gespannt. "Das ist viel hygienischer als heute", lobt Pfeifhofer. Auf dem Frisiertisch liegen allerhand Gerätschaften: Die obligatorischen Rasierpinsel, die Rasierklingen, die an einem Lederband geschärft wurden, Parfumflaschen mit Pumpzerstäuber, und an einem Kleiderständer hängen die weißen Kittel. Auch eine emaillierte Preistafel für die Friseurleistungen gibt es, "leider ohne Preise", bedauert Gabriele Pfeifhofer.

An der Stirnseite sieht die Einrichtung mit den großen Spiegeln schon ein wenig moderner aus. An den Wänden hängen Fotos, auf denen die Models sorgfältig in Wasserwellen gelegte Frisuren präsentieren. Der Herr trägt Scheitel. "Das ist heute wieder modern", lacht die Friseurin. Und die Wasserwellen gibt es ebenfalls noch, allerdings eher in Brautfrisuren.

Der Papa hat die Buchhaltung gemacht

Mit 16 Jahren hat Pfeifhofer ihre Friseurlehre begonnen, mit 21 Jahren den Meister gemacht. Danach stand sie bis zu ihrem Eintritt in die Rente vor zwei Jahren als Chefin in ihrem Stockdorfer Salon "Gabriele". "Die Mutter hat lange mitgeholfen und der Papa hat die Buchführung gemacht", erinnert sich Gabriele Pfeifhofer. Aus dem Salon ist heute ihre kleine Wohnung geworden und Haare schneidet sie nur noch bei Freunden oder in der Verwandtschaft. Für die Ausstellung aber ist sie in ihre alte Rolle als Friseurin geschlüpft, um den historischen Friseursalon zu beleben.

Ihre erste Kundin ist Rentnerin Stephanie Loeben-Sprengel. Mit Brennschere, Ondulierhaube, Toupierkamm und Lockenwickler traktiert die Friseurmeisterin allerdings nicht die Haare ihrer Kundin. Historie hin oder her, Gabi schneidet modern. Ihre Kundin kann sich noch gut an frühere Zeiten erinnern, als die Haare hochtoupiert und mit viel Haarspray in Form gehalten wurden. Sie selbst habe gerne Pferdeschwanz getragen, der mit bunten Nylontüchern gebunden wurde. Und als Kind gab es Topfschnitt mit Pony. Geföhnt wurde übrigens mit dem Staubsauger. Ihre Mutter habe dafür einen speziellen Aufsatz gehabt. Heute könne man sich die Frisuren sogar mit KI am Computer in sein Foto einsetzen lassen, sinniert die Gautingerin.

Gabriele Pfeifhofer schneidet modern. Die "Süddeutsche Zeitung" der Kundin indes ist historisch, das Exemplar stammt aus dem Jahr 1955. (Foto: Nila Thiel)

Lektüre gibt es im Friseursalon auf Zeit natürlich auch. Für anspruchsvolle Kunden die Süddeutsche Zeitung vom 6./7. August 1955. 30 Pfennig hat die Wochenendausgabe damals gekostet. "Vorgespräche zur Adenauer-Reise beginnen" lautet der Aufmacher über eine Reise nach Moskau und es wird auf die Sonderseite aus Anlass des zehnjährigen Gedenkens an die Atombombe auf Hiroshima aufmerksam gemacht. Wer seichtere Kost bevorzugt, kann zur "Neuen Illustrierten" aus dem Jahr 1957 oder zur "Freundin" greifen. Hier werden Frauen vor zu viel Arbeit gewarnt, denn dadurch verliere man seine Anziehungskraft auf Männer. Beim Durchblättern stößt man auf Werbung für Corsagen, die zu einer Wespentaille verhelfen, Spitztüten-BHs, Apparaturen, die zu Größenwachstum verhelfen und Kochtipps für Kanapees in Tropfenschalen.

Gabriele Krause ist die letzte Kundin an diesem Tag. Sie lässt sich ihre Haare ein wenig kürzen. In den 70er-Jahren habe sie lange, glatte Haare "bis zum Po" gehabt. Das sei damals modern gewesen und einen Pony. "Den hat sich Heidi Klum auch wieder machen lassen", sagt Pfeifhofer. Es kommt eben alles wieder.

Öffnungszeiten der Ausstellung sind Donnerstag, 11., bis Sonntag, 14. April, von 14 bis 18 Uhr. Begleitveranstaltungen : Mittwoch, 10. April, 20 Uhr: "Liebesbriefe aus der Papierfabrik", Lesung mit Gerd Holzheimer und Anna Veit; Donnerstag, 11. April, 19 Uhr: Archäologische Gesellschaft, "Arbeitssituation der Weltkriegsflüchtlinge". Führungen mit Hermann Geiger: Freitag, 12., und Samstag, 13. April, jeweils 18 und 19 Uhr; Führung für Blinde und Sehbehinderte: Samstag, 13. April, 10.30 Uhr. Anmeldungen unter ausstellung@theaterforum.de .

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