Feldafing:Ein bisschen Ludwig auf der Roseninsel

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Ein bisschen Ludwig auf der Roseninsel: Komponist Eugen Bazijab, Veranstalterin Elisabeth Carr und Sprecher Peter Weiß (von links). (Foto: Georgine Treybal)

Peter Weiß liest aus Klaus Manns Novelle "Vergitterte Fenster". Durch die Erzählung und die Musik kommt man den Ereignissen rund um den 13. Juni 1886 ganz nah.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Feldafing

12. Juni 1886. Seit Tagen hüllte der Regen die Landschaft ein wie ein Tuch. Man konnte das gegenüberliegende Ufer des Starnberger Sees nicht sehen. Der Bayernkönig Ludwig II. wurde über die aufgeweichten Wege nach Schloss Berg gebracht, das für ihn umgebaut worden war. Die Fenster waren vergittert, die Türklinken entfernt worden. Den Dienern war eingeschärft worden, den König auf keinen Fall mit einem Essbesteck alleine zu lassen , obwohl er nur Löffel und Gabel bekam und kein Messer. Sie tuschelten und fragten sich, ob ihr melancholischer König tatsächlich irrsinnig geworden ist, wie es geheißen hatte.

In seiner Novelle "Vergittertes Fenster" entwirft Klaus Mann ein Bild von einem einsamen, von Selbstzweifeln zerfressen König, der verbittert war darüber, wie man mit ihm umspringt. Ludwig II., der sehr beliebt war beim Volk, bemerkte sehr wohl, dass er eingesperrt war, wollte aber "den Spähern an der Türe" kein Schauspiel bieten und spielte den gelassenen Mann, der brav die von Obermedizinalrat Bernhard von Gudden verordneten Medikamente schluckte. Er wirkte so ruhig und aufgeräumt, dass von Gudden später nach München telegrafierte, sein Patient sei folgsam wie ein Kind. Der König hatte durch seine Bauwut hohe Schulden angehäuft, so dass schließlich ein Entmündigungsverfahren eingeleitet wurde. Und der Arzt war mit einem Gutachten beauftragt worden, das dem König Paranoia attestierte. Er wurde gefangen genommen und eingesperrt in Schloss Berg.

Elisabeth Carr hatte im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kunsträume am See" in das Casino auf der Roseninsel eingeladen und ihr Bruder, der Schauspieler Peter Weiß, präsentierte an diesem besonderen Ort Manns Novelle "Vergitterte Fenster". Die Stelle, an der Ludwig ertrank, liegt nicht weit entfernt und das Publikum konnte den mysteriösen Tod des Bayernkönigs an diesem herrlich-lauen Sommerabend am Freitag nachempfinden. Peter Weiß als Erzähler und der ukrainische Cellist Eugen Bazijan schworen trotz des strahlenden Sonnenscheins die trübe, makabre Stimmung vom Todestag des Märchenkönigs herauf. Aus den vorwiegend in Moll gehaltenen Eigenkompositionen des Cellisten Bazijan konnten die Besucher geradezu heraushören, wie die prasselnden Regentropfen auf das aufgewühlte Wasser des Starnberger Sees platschten.

Klaus Mann, der älteste Sohn von Thomas Mann, fühlte sich als Homosexueller seelenverwandt mit Ludwig II. Er zeichnet das Bild eines Königs, von dessen ehemaliger Schönheit nicht mehr viel übriggeblieben ist. "In seinem Mund sind fast keine Zähne mehr, nur noch gelbliche Stummeln." Es ist nicht genau ersichtlich, was in dem Text Phantasie ist und was autobiografisch, wenn sich der König daran erinnert, dass er zuweilen "Lieblinge" in seiner Nähe hatte mit schönen Haaren und Augen. "Ich habe geliebt, wie man nicht lieben darf", lässt Klaus Mann den König in seiner Novelle sagen, die er 1937 im Exil geschrieben hat. Ludwig nennt seine Cousine, die österreichische Kaiserin Elisabeth, "Schwester in der Würde und im Schmerz" und Richard Wagner einen Freund und Seelenverwandten. Doch schon vor dem Tod des Komponisten war es zum Zerwürfnis gekommen. Als das Volk Wagner als "Lolus" verspottete, also als männliche Lola Montez in Anspielung an die Geliebte von Ludwigs Großvater, trennten sich Ludwig und der Komponist.

Als ihn von Gudden aus dem Wasser holen will, kämpfen sie ein verzweifeltes Duell

Einfühlsam beschreibt Mann die tiefe innere Zerrissenheit des Königs. Es bleibt offen, ob sich Ludwig mit Selbstmordgedanken trägt oder befürchtet, umgebracht zu werden, wenn er sagt, vielleicht denke man nicht daran, ihn länger auf Schloss Berg zu behalten. "Es gibt Tränklein, die man in die Suppe schütten kann, um das Leben abzukürzen."

Auch die genaue Todesursache des Märchenkönigs wird nicht näher beschrieben. Für den Laien ist es ohnehin schwer, die seriösen von den abenteuerlichen Todestheorien zu unterscheiden. Zwar ist in der Novelle Vieles identisch mit der offiziellen Version, wie etwa der Spaziergang des Königs bei strömenden Regen mit von Gudden als alleinigem Begleiter. Bei der Szene im Starnberger See jedoch beschreibt Mann, wie der König von einer "schwarzen Welle des Schmerzes" überflutet wird. Andererseits stellt er ihn auch als Irren dar, der jodelnd im Wasser planscht.

Als ihn von Gudden aus dem Wasser holen will, kämpfen sie ein verzweifeltes Duell und sinken am Ende "ineinander verkrampft, wie ein sich liebendes Paar" hinab in den See. Ein Regisseur hätte es nicht besser inszenieren können, als genau zu diesem Zeitpunkt ein letzter Sonnenstrahl die Ludwigsbüste im Casino hell aufleuchten lässt. Schade, dass es eine einmalige Veranstaltung war. Es könnte sich durchaus lohnen, sie zu wiederholen - zumal sie laut Carr innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft war.

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