Liberale Ex-Minister:Von wegen Ruhestand

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Was Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Martin Zeil nach ihrem Rückzug aus der aktiven Politik machen: Die beiden liberalen Ex-Minister können von der Politik nicht lassen. Doch die Terminhetze ist nicht so schlimm wie früher.

Von Manuela Warkocz, Feldafing/Gauting

Was machen eigentlich die FDP-Granden aus dem Landkreis jetzt so? Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der frühere bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil? Legen die daheim in Feldafing beziehungsweise in Gauting mal gemütlich die Beine hoch, seit die Liberalen es im Herbst 2013 weder in den Bundestag noch in den Landtag geschafft haben? Nach turbulenten Jahren in der Politik könnten es beide - sie 63, er 58 Jahre alt - ja jetzt durchaus ruhiger angehen lassen.

Ein Anruf bei Leutheusser-Schnarrenberger. Beim zweiten Klingeln ist sie persönlich dran. "Ja, ich bin daheim. Meine Mitarbeiterin und ich machen gerade Büro bei mir. Im Tutzinger Büro geht der Computer nicht", sprudelt sie in gewohnt lebhafter Manier hervor. Was sie gerade beschäftigt? "Digitalisierung und Demokratie . Das vergangene halbe Jahr war ich in einem internationalen Beirat aktiv, der Google-Empfehlungen gibt." Ohne Honorar, wie sie betont. Sie hat viele Vorträge gehalten, war an Universitäten eingeladen, bei einem Betriebsrätetag und bei Unternehmen wie Daimler, wo es um Datenschutz im vernetzten Auto ging. "Das sind entscheidende Themen für die Zukunft unserer Gesellschaft", sagt sie, ganz die kämpferische Politikerin. Und die glaubwürdige Liberale. Selbstbestimmung des Einzelnen über seine Daten, das Recht auf Vergessenwerden im Netz - wünscht sie das auch für sich selbst? "Ich hab da keine Chance", lacht sie. Sie würde ja wohl noch eine Weile als Person des öffentlichen Lebens gelten. Das klingt jetzt eine Spur kokett. Relativiert sich aber gleich wieder. Denn sie fügt an, das Instrument solle ja nicht dazu dienen, dass sich Politiker reinwaschen könnten. Stichwort Meinungsfreiheit.

Vor einem Jahr, am 15. Dezember 2013, kam mit dem Ende der Übergangsregierung in Berlin auch zum zweiten Mal ihr Abschied aus dem Justizministerium. "Ein ganz bitterer Ausstieg aus der aktiven Politik", kommentierte sie die Niederlage damals. Kurz darauf legte sie, die zu den bekanntesten und beliebtesten FDP-Persönlichkeiten gehörte, auch den bayerischen Landesvorsitz nieder. Seitdem schreibt sie nicht nur alle ihre Reden eigenhändig und steuert ihr Auto selbst. "Ich muss jetzt auch nicht mehr 20 Termine am Tag abhaspeln", zeigt sie sich erleichtert. Aufgaben und Ämter übernimmt die Liberale immer noch zuhauf. In ihrem Heimatlandkreis Starnberg ist sie als Kreisrätin geerdet. Sie ist Aufsichtsrätin im Klinikum und Mitglied im Deutschen Kinderschutzbund Starnberg. Zudem engagiert sie sich unter anderem als stellvertretende Vorsitzende der Theodor-Heuss-Stiftung, im Beirat der Humanistischen Union und seit September 2014 im Vorstand der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Trotzdem nimmt sie sich jetzt mehr Zeit für die Berge - "egal, ob grün oder weiß". Und sie hat für nächsten Sommer Reisen mit Freunden und ihrer Schwester nach Kroatien und auf eine Nordseeinsel gebucht. "So was konnte ich ja bisher nie so planen", freut sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über ihre neu gewonnene Freiheit.

Auch Martin Zeil will offenbar neue Wege gehen. Der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie a.D. und frühere stellvertretende Ministerpräsident kündigt an: "Beruflich wird sich im neuen Jahr was tun." Was genau will der Liberale, der bis zum Eintritt ins Kabinett 2008 als Jurist bei einer Privatbank tätig war, aber noch nicht verraten. Nur soviel: Er fühle sich "fit und jung genug, noch einmal durchzustarten". Seine Homepage ist im Umbruch. Dort blickt Zeil mit aufgestütztem Kinn nachdenklich in die Ferne. Telefonisch erwischt man ihn bei der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens im Antiquariat - "als Gast, ich war ja früher im Ordensbeirat". Auf Empfänge zu gehen und "das Gesicht der FDP zu zeigen", ist ihm wichtig. So wie er - seit 40 Jahren Mitglied der Liberalen - alle in der Verantwortung sieht, die mal Parteiämter hatten, dass es mit der FDP wieder aufwärts geht. "Da läuft man nicht davon. Ich kann nicht einfach sagen, ich hatte eine schöne Zeit, das war's", verdeutlicht Zeil seine Einstellung. Die Verantwortung liegt jetzt allerdings in anderen Händen. Sein Amt als stellvertretender Landesvorsitzender hat er 2013 aufgegeben.

Als Delegierter ist Zeil in liberalen Gremien auf Landes- und Bundesebene aktiv. Auf Einladung hält er Vorträge, mal über die soziale Marktwirtschaft bei der Thomas-Dehler-Stiftung, mal über die Energiewende an der Uni Ansbach. "Honorarfrei, man kann mich nicht buchen", lacht der Gautinger. Was auch daran liegen mag, dass er gern als "Mr. Slow Speech" verspottet wurde. Derartige Sottisen bezeichnet er heute als "Kaugummis, die einem so angeklebt werden". Manchmal habe er sich darüber geärgert. "Aber ich weiß, wer er ich bin und was ich kann", sagt er selbstbewusst.

Weil er jetzt mehr Zeit hat, macht Zeil gerne mal den Prinzgemahl und begleitet seine Frau Barbara Daumiller-Zeil zu Terminen. Sie ist Schirmherrin von "Madame Courage", einem Projekt, das alleinerziehende Studentinnen unterstützt. Mehr Bewegung gönnt er sich beim Wandern und Nordic Walking, dazu Gartenarbeit und Watten mit Freunden. Was vermisst er nach acht Jahren als hauptamtlicher Politiker? Nicht die Privilegien wie Chauffeur und das gewissenhafte Briefing vor jedem Termin - die gehörten zur Ausübung des Amtes. "Aber der unglaubliche Thinktank eines Ministeriums, der hinter einem steht, und die Gestaltungsmöglichkeiten", schwärmt Zeil. Es wird deutlich, dass da einer schon noch zu tun hat mit dem freien Fall vom Minister zum Privatier.

© SZ vom 08.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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