Dirndl aus zweiter Hand:Schnäppchenjagd auf bayrisch

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Das Trachten nach der Tracht: Wer eine Hirschlederne oder ein Dirndl für die Wiesn sucht, muss beim Gebrauchtmarkt in Starnberg früh dran sein - der Andrang ist gewaltig

Sylvia Böhm-Haimerl

"Meine Frau würde ja gerne mich abgeben, aber es sind nur meine Lederhosen, denen ich leider entwachsen bin", witzelt ein Starnberger, der seine "Hirschlederne" zum Verkauf anbietet. "Für Dich würde Deine Frau auch nichts mehr kriegen", lautet die schlagfertige Antwort von Hannelore Uffelmann. Sie ist eine von rund 20 Mitgliedern des Starnberger Heimat- und Volkstrachtenvereins, die den jährlichen Markt "Trachtengwand aus zwoater Hand" organisieren.

Wer findet das schönste Dirndl? Beim Gebrauchtmarkt in Starnberg gilt es, früh dran zu sein - und dann mit sicher Hand die besten Trachtenschnäppchen herauszufischen. (Foto: Georgine Treybal)

Die Aktion war von Brigitte Wackerl gestartet worden, um die Jugendarbeit zu unterstützen. Doch innerhalb kürzester Zeit hatte sich weit über die Landkreisgrenzen hinaus herumgesprochen, dass man in Starnberg Originaltrachten zum erschwinglichen Preis haben kann.

Bei der Kleiderabgabe müssen die Verkäufer Geduld mitbringen. 136 Verkaufsnummern wurden ausgegeben, jetzt zieht sich die Warteschlange zwanzig Meter um das Trachtenheim herum. In Waschkörben stapeln sich Dirndln und Lodenjanker, Haferlschuhe und Trachtenschmuck. Die Profis unter den Verkäufern haben ihr Gewand fein säuberlich auf einen Besenstil aufgehängt, den sie über der Schulter tragen.

"Mein Gott, hier geht es ja zu, wie beim Anstehen für die Lebensmittelmarken nach dem Krieg", meint eine ältere Frau. "Letztes Jahr bin ich alles losgeworden", sagt eine Bergerin und erklärt, warum sie jedes Jahr kommt. "Tracht ist ja schön. Aber man kauft sich immer wieder etwas Neues oder wächst aus dem Alten heraus."

Die Schlange rückt nur langsam vorwärts, denn am Annahmetresen staut es sich. Einige haben zu viele Sachen mitgebracht - der Verkauf ist auf maximal 15 Teile begrenzt -, oder es fehlen die Preisangaben. "Was kann ich denn verlangen", fragt eine Frau unsicher, die ein wunderschönes Dirndl auspackt. "35 Euro", meint die Helferin.

Nur Tracht ist erlaubt

Eine Halskette mit einem Strasskreuzchen findet bei ihr keine Gnade, auch eine lilafarbene Bognertasche fällt durch. "Was nicht trachtenmäßig ist, geben wir gleich bei der Annahme zurück", sagt Uffelmann. Zwar hat modernes Wiesn-Outfit aus durchsichtiger Spitze auch nichts mit Tracht zu tun, aber da ist man großzügig.

Bereits eine halbe Stunde vor der offiziellen Öffnung stehen rund 120 Interessenten vor der Tür. "Wer gezielt etwas für die Wiesn sucht, muss früh dran sein", wissen die Profis. Weil das Trachtenheim einem derartigen Ansturm nicht gewachsen wäre, bekommen die Helferinnen Unterstützung von einem "g'standnem Mannsbild": Pünktlich öffnet Helmut Schmücker die Tür und lässt die ersten 50 Kunden herein. Dann wird die Tür wieder verriegelt, "sonst würden die uns überrumpeln", sagt Koppenberger.

Die Qual der Wahl im Dirndlparadies

Wer erst später eingelassen wird, hat bei den Lederhosen keine Chance mehr. Der Stand ist innerhalb von Sekunden leergefegt. Ein junger Mann hat gerade noch eine erwischt. Bei Preisen zwischen 350 und 450 Euro für eine neue Hirschlederne seien die gebrauchten hier mit rund 80 Euro ein Schnäppchen. Die Damen haben bei den Dirndln die Qual der Wahl. Auch Trachtenjanker und Hemden gibt es noch in großer Zahl.

Nach zwei Stunden wird es endlich etwas ruhiger. Eine Touristin aus Kanada nimmt Dirndl und Lederhose als Souvenir mit nach Hause. Mit einem "typical Bavarian costume" werden Tochter und Schwiegersohn bei der nächsten Party sicher Aufsehen erregen. Auch eine Bolivianerin, die jetzt in Dießen wohnt, schwärmt: "Ich bin glücklich, das ist mein erstes Dirndl."

© SZ vom 13.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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