Dießener Theatertage:Zickenkrieg in der Provinz

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Die Maklerin Amélie Weidmann-Sperling (Kathrin Stork, links) hat in Elvira Severin (Christa Schlagenhaft) eine besonders anspruchsvolle Kundin gefunden, die in Stephan Eckels Komödie "Ich liebe mich" bald zu maliziösen persönlichen Angriffen ausholt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Zwei-Personen-Stück "Ich liebe mich" in der entlegenen Tierklinik Seehof braucht keine glänzende Kulisse. Scharfzüngige Dialoge, eine flotte Inszenierung und herausragende Darstellerinnen reichen, um 90 Minuten lang bestens zu unterhalten.

Von Armin Greune, Dießen

Keine leichte Aufgabe für die angehende Maklerin: Das Objekt liegt 300 Kilometer von München entfernt, in einem Ort mit 154 Einwohnern und "mehr als sechs Nachnamen". Das letzte Grundstück dort wurde 1952 verkauft. Da helfen auch nicht der Sekt, die Plastiktulpen oder das Raumspray "Italienischer Pinienwald" mit leichter Autobahnnote, das Amelie Weidmann-Sperling (Kathrin Stork) versprüht. "Das Interieur sagt eindeutig: Ich habe mich aufgegeben", findet die potenzielle Kundin Elvira Severin (Christa Schlagenhaft), und das Exterieur sei "ein karger Haufen Dreck".

Ähnlich abgelegen wie das vakante Anwesen Waldblick 38 - "1 bis 37 sind wohl aus lauter Frust abgebrannt" - liegt der Spielort der diesjährigen Dießener Theatertage. Der Ortsteil Seehof, weitab vom Ammersee zwischen Schatzberg und Jungfernberg, zählt laut Wikipedia nur 24 Bewohner, entpuppt sich aber als ansehnliches Gehöft südwestlich von Wengen. Teile einer Betriebshalle sind mit Wandbehängen zum "Theaterzelt" umgestaltet, hinter roten Samtvorhängen ein minimalistisches Bühnenbild: Sofa, Couchtisch, Servierwagen, Kronleuchter und Eimer. Doch mehr braucht es auch nicht, um das Publikum des Zwei-Personen-Stücks "Ich liebe mich" 90 Minuten lang zu fesseln: Die von Stephan Eckel verfasste Komödie strotzt nur so von Dialogwitz, die schwungvolle Inszenierung von Alois Kramer verleiht dem Geschehen das richtige Tempo, und die Schauspielerinnen meistern ihre anspruchsvollen Aufgaben nahezu fehlerfrei.

Christa Schlagenhaft gibt herrlich exaltiert die maliziöse Anwaltsgattin Severin - eine ältliche, "Society-Lady" mit Perlenkette und Federboa, die sie überzeugend mal herrschsüchtig und tobend, mal kleinlaut und widerwillig demütig erscheinen lässt. Die junge Maklerin fungiert zunächst eindeutig als sympathische Gegenspielerin: Kathrin Stork verkörpert Weidmann-Sperling pragmatisch, authentisch, fast ein wenig naiv und eigentlich viel zu aufrichtig für ihren Job. Doch im Verlauf der Handlung schlägt sie im Zickenkrieg immer öfter zurück: Die Kontrahentin aus München, dem "Land, wo Milch und Botox fließen", muss sich anhören, dass sie ihren Mann, "die wandelnde Bügelfalte", zu "Alkoholismus, Selbstverstümmelung, ja sogar Golf" treibe. Mehr soll hier nicht zu den überraschenden Wendungen der Handlung verraten werden, aber "Fräulein Kharma ist manchmal ein ganz schönes Miststück".

Eckels schlagfertige Dialoge erinnern an die Screwball Comedies aus dem Hollywood der Dreißiger- und Vierzigerjahre Jahre, der Sprachwitz darin erreicht durchaus das Niveau erfolgreicher Stücke vom Broadway oder aus Soho. Mehr als 80 Seiten Text haben die Darstellerinnen oft in rasantem Tempo zu bewältigen. Dabei war Schlagenhaft erst zwei Wochen vor der Dießener Premiere für Angelika Forster-Walter eingesprungen. Die Rolle der Severin war ihr allerdings schon aus Kramers Inszenierung von "Ich liebe mich" für das Theater Projekt Kempten im Herbst vertraut. Am Mittwoch hatte sich das Mini-Ensemble den anhaltenden, begeisterten Beifall des Publikums inklusive bestätigenden Hundegebells vollauf verdient.

Im Rahmen der Dießener Theatertage in der Tierklinik südwestlich von Wengen finden am 12. und 14. August zwei weitere Aufführungen von "Ich liebe mich" statt. Eine weitere Eckel-Komödie, "Alles über Liebe", ist in einer Inszenierung von Alois Kramer am 6. und 13. August, zu sehen. "Zwerg Nase", ein Märchen für Kinder und Erwachsene, wird am 5. und 7. August gezeigt, die Regie führt Seehof-Hausherr Stephan Rattenhuber. Infos zum Programm und zur Anfahrt finden sich im Internet unter www.theater-diessen.de.

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