Weihnachtskonzert:Herzerwärmende Klänge in großartiger Balance

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Unter der Leitung von Thomas H. Zagel singt der Kammerchor Dießen in der Kirche St. Johann in Dießen. (Foto: Nila Thiel)

Der Kammerchor Dießen überzeugt mit einfallsreichem Repertoire an Liedern das Publikum.

Von Reinhard Palmer, Dießen

Die Deutschen gelten nicht gerade als ein sangesfreudiges Volk. Betrachtet man aber die Musiklandschaft mit den vielen Chören und Vokalensembles, dann bestätigt sich dieser Eindruck nicht. Vielleicht trauen sie sich einfach nur nicht, spontan zu sein und lautstark der Lebensfreude Ausdruck zu verleihen. In der Menge unterzutauchen, um sich mit sorgfältig Einstudiertem einem hohen Anspruch des Publikums zu stellen, ist offenbar für den deutschen Choristen schon eher eine lohnenswerte Herausforderung.

Aber es gibt sie noch zuhauf - die reinen Spaßsänger, die einfach nur Freude daran haben, mit Gleichgesinnten das körpernahe Erlebnis der Resonanz mit für Geist und Seele wohltuendem Repertoire zu erleben und auch mit dem Publikum zu teilen. Gerade jetzt in der hektischen Vorweihnachtszeit kann das nach Seelenmassage dürstende Publikum nicht genug Schönklang bekommen.

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Dass dabei der Qualitätsanspruch nicht auf der Strecke bleiben muss, bewies am vergangenen Sonntag der Kammerchor Dießen im dortigen St. Johann mit einem herzerwärmenden Programm. Bei einigen Minusgraden des ehrwürdigen Gemäuers war Letzteres nötig, sonst hätte wohl kaum jemand bis zum Schluss ausgeharrt. Wer den Musiklehrer Thomas H. Zagel noch vom Vorstand der "Tutzinger Brahmstage" und seinen anspruchsvollen Einführungen in die dortigen Konzerte her kennt, war wohl überrascht zu sehen, mit welcher Beschwingtheit und welchem Elan er als Chorleiter am Pult agiert.

Mit tänzerischer Geschmeidigkeit, dennoch präzise im Detail, setzt er im Dirigat auf Musikalität und emotionale Tiefe. Dass dieser Lockerheit harte Arbeit vorausgegangen sein muss, war nicht zu überhören. Mit vierzehn Frauen- und sechs Männerstimmen ist der Kammerchor ein überschaubarer Klangkörper, in dem man sich als Chorist auch nicht verstecken kann. Aber das wollte hier auch niemand, denn in einem Ensemble dieser Art steht und fällt die Klangbalance mit jeder einzelnen Stimme. Und wenn alle ihren Job engagiert und mit voller Verantwortung tun, dann entsteht etwas, was nicht nur als Summe der einzelnen Stimmen erklärbar ist. Es ist eine plastische Klangsubstanz, mit der großartige Musik gemacht werden kann, auch wenn auf dem Programm "nur" Weihnachtslieder stehen.

Von traditionellen bis Pop-musikalischen Weihnachtsliedern

Die Weihnachtsthematik ist allerdings sehr vielfältig, was Zagel und der Kammerchor sich im Programm zu umreißen vorgenommen haben. Beginnend mit traditionellen Weihnachtsliedern des frühen 17. Jahrhunderts über populäre deutsche Weihnachtslieder bis zu Spirituals und "New Christmas-Chorals from USA", die jedoch keinesfalls als Neue Musik, eher Pop-musikalisch daherkamen. Ob nun mit "Joseph, lieber Joseph mein", "Es ist ein Ros' entsprungen" oder auch "Go, Tell It On the Mountains" vermochte der Kammerchor Dießen seine farbenreiche Klangsubstanz sorgfältig auszutarieren und damit auch viel Atmosphäre zu erzeugen. Meist A cappella, aber auch schon mit Zagels Begleitung am E-Piano, was vor allem bewies, dass der Chor seine Aufgabe verinnerlicht hat und schon mal ohne intensives Dirigat präzis und homogen interpretieren kann.

Schauspieler Alexander Netschajew bietet humorvolle Einlagen

Ursprünglich war für den instrumentalen Part eine Harfenistin vorgesehen. Nach ihrem Ausfall war es Zagel aber möglich, dem Auftritt eine kleine Wendung zu geben. Mit dem Schauspieler Alexander Netschajew und seiner Lesung kamen nachdenkliche, aber auch überaus humorvolle Einlagen ins Programm. Letzteres beherrscht Netschajew großartig, zumal parodistisch mit der Stimme Loriots ("Opa Hoppenstedt kauft Spielzeug ein") oder in der Zugabe Gerhard Polts ("Osterhasi"). Dass man auch mit hoher Wissenschaft handfeste Lacher landen kann, bewies der Text von Dragomer Czaba "Die Quantenmechanik rettet den Weihnachtsmann". Die Kalkulation der Leistung des Weihnachtsmanns, der für jeden Kamineinsatz nur 0,001 Sekunden zur Verfügung hat und mit einem irrsinnigen Gewicht mit 900 Kilometern pro Sekunde unterwegs sein muss, führte zum Fazit: Die Rentiere würden pulverisiert, der Weihnachtsmann verbrannt. Gäbe es da nicht die Quantenmechanik, die ihm erlauben würde, überall gleichzeitig zu sein.

Ja, man darf an den Weihnachtsmann glauben. Besinnlicher fiel schon die Erklärung des Redakteurs der New York Sun von 1897 aus, als er einem Kind glaubhaft darlegte, dass auch Dinge, die man nicht sehen und anfassen kann, dennoch existieren können. Zutiefst Nachdenkliches lieferte Netschajew mit Kästners "Ein Kind hat Kummer" aus seinem autobiografischen Buch "Als ich ein kleiner Junge war". Die Geschenkkonkurrenz der Elternteile am Gabentisch stellte Kästner offenbar vor eine Zerreißprobe. Unter vielen Weihnachtsbäumen sicher auch heute noch aktuell.

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