Initiative:Dießener wollen Huber-Häuser retten

Lesezeit: 4 min

Die marode Häuserzeile an der Johannisstraße prägt noch immer das Ortsbild in Dießen. (Foto: Georgine Treybal)

Der Verein "Freie Kunstanstalt" plant dort ein offenes Kulturzentrum. Jetzt fehlt noch eine Entscheidung des Gemeinderats, was mit den drei Gebäuden an der Ortsdurchfahrt geschehen soll.

Von Armin Greune, Dießen

Für die einen ist es eine Art Dornröschenschloss des Industriezeitalters, das nur darauf wartet, dem Schlummer entrissen zu werden, um als Kultur- und Begegnungszentrum neu zu erblühen. Anderen wiederum ist der heruntergekommene Gebäudekomplex, der Dießens Ortsbild mitprägt, seit Jahrzehnten vor allem ein Dorn im Auge. Die ehemalige "Graphische Kunst- & Verlagsanstalt Joseph C. Huber" bröckelt zwar nicht erst vor sich hin, seit Charlotte Zaller die drei Häuser Johannisstraße 11 bis 15 der Gemeinde vermacht hat.

Doch in den vergangenen zehn Jahren hat die Kommune auch nichts Wesentliches unternommen, den voranschreitenden Verfall zu stoppen. Ein prinzipieller Beschluss über die künftige Nutzung erscheint auch im Hinblick auf die Bausubstanz überfällig: Wird das Areal in der Ortsmitte an einen Investor veräußert? Lässt die Gemeinde selbst einen Plan zur Sanierung- und Nutzung erstellen und ausführen? Oder verpachtet man die Gebäude an örtliche Kulturschaffende und Vereine, die es weitgehend in Eigenleistung instand setzen wollen?

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Seit die Buchdruckerei nach mehr als 100 Jahren Historie 2003 in Insolvenz ging, hat sie trotz oder gerade wegen des pittoresken Verfalls Kunstschaffende inspiriert und angezogen. Der inzwischen verstorbene Zinngießer und Heimathistoriker Gunnar Schweizer trug die Idee, in den drei Häusern Raum für die Dießener Kultur- und Handwerkerszene bereit zu stellen, bereits vor 20 Jahren im Gemeinderat vor, wo sie jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Zwischenzeitlich wurden Teile des geschichtsträchtigen Ensembles als Gewerberäume genutzt, vor rund zehn Jahren gab es auch einmal einen antiquarischen Buchladen an der Johannisstraße.

Die umfangreichen Werk- und Lagerhallen aber waren zuletzt 2016 für alle Dießener zugänglich, als dort im Rahmen der Kurzfilmtage Workshops und eine Gemeinschaftsausstellung örtlicher Künstler stattfanden. Vor gut zwei Jahren formierte sich dann die Initiative "Freie Kunstanstalt". Der Verein will in den Werkhallen ein offenes, integratives Kulturzentrum schaffen und die dazu nötigen Sanierungen so weit wie möglich selbst in die Hand nehmen. In den Huber-Häusern könnte so ein Treffpunkt für Dießen und eine Anlaufstelle für bildende Künstler, Musiker, Regisseure und Start-ups entstehen. Ein detailliertes Konzept sieht auf drei Etagen größere Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, je ein Foto- und Tonstudio sowie Ateliers, Werkstätten, Seminarräume vor.

Engagieren sich im Vorstand der "Freien Kunstanstalt" : Lisa Hammerl, Nina Munker, Tamara Hub, Jörg Kranzfelder (von links). (Foto: Georgine Treybal)

Allerdings trug die Freie Kunstanstalt ihre Ideen vor zwei Jahren so provokativ und fordernd vor, dass der Gemeinderat die Initiatoren nicht gerade mit offenen Armen empfing. Als Vereinsmitglieder ohne Auftrag oder Genehmigung begannen, Regenrinnen zu reparieren, um weitere Wasserschäden in den Gebäuden einzudämmen, habe man ihnen sogar mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch gedroht, erzählt Jörg Kranzfelder, einer der beiden Vorsitzenden der Freien Kunstanstalt.

Inzwischen hat die Initiative vorübergehend ein anderes Quartier gefunden: Seit Ende 2021 können sie die vormalige Schreinerei Peter Graf an der Johannisstraße 31 bis zum geplanten Abriss nutzen. Auf 600 Quadratmetern sind nun vorübergehend Werkstätten, Workshops und eine Art Salon für kleinere Veranstaltungen eingerichtet. In diesem Frühjahr stellte die Freie Kunstanstalt ein Halbjahresprogramm mit mehr als 50 Kursen und Events für Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor. An der Fortsetzung wird gerade gearbeitet, auch wenn unklar ist, wie lange die ehemalige Schreinerei noch zur Verfügung steht.

Die Eingangstür der Graphischen Kunstanstalt Joseph C. Huber ist weiterhin verriegelt. (Foto: Georgine Treybal)

Zumindest bis Ende dieses Jahres habe man die Zusage der Vermieter, noch bleiben zu können, sagt Kranzfelder. In den mit 2400 Quadratmeter Nutzfläche wesentlich geräumigeren Huber-Häusern sieht Kranzfelder hingegen "einen Ort für jeden". Für 28. September habe man ein Netzwerktreffen zur künftigen Nutzung vorgesehen, an dem unter anderem auch der örtliche Jugendbeirat, Musik- und Volkshochschule sowie Heimat-, Trachten- und Alpenverein teilnehmen wollen.

Zwischenzeitlich wurden Teile des Ensembles auch als Gewerberäume genutzt; vor etwa zehn Jahren gab es sogar einen antiquarischen Buchladen an der Johannisstraße. Die umfangreichen Werk- und Lagerhallen aber waren zuletzt 2016 für die Öffentlichkeit zugänglich, als dort im Rahmen der Kurzfilmtage Workshops und eine Gemeinschaftsausstellung örtlicher Künstler stattfanden. Wie es gerade im Inneren ausschaut, verbirgt sich hinter verriegelten Türen. Selbst Bürgermeisterin Sandra Perzul räumt ein, dass sie schon länger als ein Jahr keinen Blick mehr in die ehemalige Buchdruckerei geworfen habe.

Fast überall bröckeln Farbe und Putz an den Fassaden ab. (Foto: Georgine Treybal)

Auskunft gibt ein Aushang an einem Tor: Bei einer Begehung im Juni seien im Erdgeschoss und im ersten Stock "Unmengen von Sperrmüll und Möbeln" sowie eine Motorradwerkstatt und "zahlreiche geöffnete Pakete" vorgefunden worden. Im zweiten Obergeschoss befand sich ein großes Brennholzlager, im Speicher "Matratzen und Gerümpel". Wegen des Brandrisikos und der statischen Belastung müsse all das bis zum 6. August entfernt sein, anderenfalls nimmt die Gemeinde die Entrümpelung selbst vor. Anschließend werden "sämtliche Türen dauerhaft fest verschlossen", teilt das Rathaus mit Perzuls Unterschrift mit.

Adressaten des Aushangs sind die Mieter der drei Wohnungen, die um den Innenhof der Betriebsgebäude gruppiert sind, und die bereits bestanden, bevor die Druckerei in Konkurs ging. Bis heute kann die Gemeinde dort Wohnraum zu sozial verträglichen Preisen anbieten. 2016 beschloss der Gemeinderat, ein Appartement für 100 000 Euro auszubauen, auch um dort Asylbewerber unterzubringen. Vor eineinhalb Jahren wurde bekannt, dass sich in einer Wohnung der Schimmel ausbreitete. Eine fünfköpfige Familie von Geflüchteten lebte dort schon länger unter möglicherweise gesundheitsschädlichen Bedingungen. Für sie wurde kurzfristig eine Unterkunft in Riederau gefunden, die vom Schimmel heimgesuchte Wohnung habe man zwischenzeitlich hergerichtet, sagt Perzul.

Auch die Fenster an den Häusern müssten erneuert werden. (Foto: Georgine Treybal)

Seit Frühjahr 2021 sind die zunächst strittigen Besitzrechte an den drei mehr als 150 Jahre alten Häusern und den dahinter liegenden Produktionsgebäuden endgültig geklärt. Doch zunächst folgte eine vom Landratsamt Landsberg angeordnete Untersuchung von Altlasten, dazu wurde noch ein bodenschutzrechtliches Detailgutachten angefordert. Demzufolge könnte in der vormaligen Druckerei ein partieller Bodenaustausch notwendig sein, zudem steht die Stellungnahme eines Statikers aus. Aber in diesem Herbst wird der Gemeinderat einer Grundsatzentscheidung, was mit den drei Gebäuden mit insgesamt 2450 Quadratmetern Geschossfläche geschehen soll, wohl nicht länger ausweichen können.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Vergessene Orte im Münchner Umland
:Die heruntergekommene Villa von Starnberg

Im so aufgeräumten Starnberg verkommt seit Jahren eine alte Villa. Hier wohnte einst der Vorsteher des Finanzamtes, nun gehört das Gebäude dem Freistaat. Der "diskutiert Nutzungsvarianten", während der Efeu wuchert.

Von Peter Haacke und Georgine Treybal

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: