Online-Entdeckungstour:Ortsbummel mit dem Smartphone

Lesezeit: 3 Min.

Das Dießener Craft Bräu gehört zu den bislang 21 Sehenswürdigkeiten, zu denen Wolfgang Hauck und Michael Lutzeier (v.l.) in der App Beiträge gesammelt haben (Foto: Nila Thiel)

In Dießen am Ammersee startet eine kostenlose und werbefreie "BayernHistory App" - inklusive Lifthäuserl und Pfarrerinterviews.

Von Armin Greune, Dießen

Mit diesem Online-Angebot könnte Dießen eine Vorreiterrolle für viele Kommunen im Freistaat einnehmen: Seit dem 1. Mai lassen sich auf dem Smartphone Informationen zu Geschichte, Heimatkunde und Kultur im Ort abrufen. Kostenlos und werbefrei stellt die neue "BayernHistoryApp" geführte Audio-Rundgänge, redaktionelle Beiträge, Internetlinks, Podcasts sowie Bild- und Videomaterial zum Streamen bereit. Die Anwendung soll bei Einheimischen und Gästen den Reiz des Entdeckens fördern und sie zum Mitmachen animieren.

Gleich mehrfach wurde die Präsentation im Dießener "Denkerhaus" zum historischen Moment erklärt. "Sie machen im Freistaat Geschichte", sagte etwa Rainer Klemke, Vereinsvorsitzender von "BerlinHistory", mit dessen Software und Server die bayerische Dependance arbeitet. Nach Berlin und anderen Städten werde seine Entwicklung nun "erstmals in einem Flächenland eingesetzt". In Bayern ziehen wiederum acht Gemeinden im Landkreis Landsberg vorweg, als allererste gingen am Montag Greifenberg und Dießen mit der App online. Die übrigen beteiligten Kommunen - darunter Schondorf und Geltendorf - haben angekündigt, in den kommenden Wochen nachzuziehen.

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In Dießen sind bislang nur 21 "Points of Interests" (POI) kartiert und redaktionell bearbeitet. Doch das partizipative System ist auf beständige Erweiterung angelegt. Initiator Wolfgang Hauck erteilte daher bei der Präsentation im "Denkerhaus" die ausdrückliche Erlaubnis "zum Mitschrauben, -bohren und -sägen". In der Berliner App sind längst Tausende POI erfasst, an die hundert Kooperationspartner arbeiten dort mit. Vor einem Jahr sprach Klemker von mehr als 150 000 Nutzern, zu denen wöchentlich gut 1000 hinzukämen. Die Berliner POI sind farblich nach Themenkreisen differenziert, im vergangenen Jahr sind etwa die Geschichte von Clubkultur, Sexarbeit und Frauenbewegung neu aufgenommen worden.

Ein imposanter Prachtbau: das Marienmünster von Dießen. (Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)

Dießen steht da noch ganz am Anfang. Im Ort sind die POI an einer Route vom Dampfersteg und Bahnhof bis hin zum Marienmünster aufgereiht. Die einzelnen Beiträge werden meist von professionellen Journalisten fundiert recherchiert, unterhaltsam aufbereitet und sprachgewandt vermittelt. Zum Marienmünster sind in einem längeren Artikel - den man sich auch von einer künstlichen Intelligenz vorlesen lassen kann - interessante Details über den immensen Aufwand beim Bau zu erfahren: Vor fast 300 Jahren wurden allein für Kanzel und die neun Altäre 34 000 Gulden ausgegeben - ein Betrag, der noch hundert Jahre später einem Viertel des Werts aller 200 Dießener Anwesen entsprach. Und für sein Altarbild erhielt der venezianische Künstler Giovanni Tiepolo ein Honorar, für das ein Tagelöhner hätte zehn Jahre lang arbeiten müssen.

Im Frühling geht die Sonne über der Andechser Klosterkirche am 5.5. exakt um 5.55 Uhr auf

Ergänzend kann man kurze Video- und Audio-Interviews mit dem Pfarrer des Marienmünsters abrufen. Josef Kerschensteiner erklärt auch seinen "persönlichen Sonnenkalender": Ihrem Jahreslauf kann er durch den Blick durch sein Schlafzimmerfenster über den Ammersee folgen. Dabei hat der Pfarrer ein kleines Wunder entdeckt: Im Frühling geht die Sonne über der Andechser Klosterkirche am 5.5. exakt um 5.55 Uhr auf.

Weitere in der App enthaltene heimatliche Highlights sind der " Diez", also Mathias Rodachs Skulptur auf dem Untermüllerplatz, oder der Craft Bräu, mit dem eine 99 Jahre währende Durststrecke ohne Dießener Brauereien endete. Michael Lutzeier, der sich der Satire-Partei "Die Partei" angeschlossen hat, ist für "reine Scherz-Artikel" zuständig und stellt etwa das Lifthäuserl der Fischereier Bergbahn-Betriebe vor.

Das Wahrzeichen von Dießen auf dem Untermüllerplatz: Der Diez auf dem Eichenstamm mit seinem goldenen Karpfen im Arm. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Starnberger SZ)

Seit 2019 haben er und Hauck an diesem Projekt gearbeitet. Der Initiator der Bayern-App hatte das Prinzip vor fünf Jahren in Berlin kennengelernt und war sofort begeistert. Er erwarb von Klemke eine vorerst auf zehn Jahre befristete Lizenz; Hauck konnte das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, den Bezirk Oberbayern sowie diverse Fonds als Sponsoren gewinnen. Auf Ablehnung stieß er hingegen im Landsberger Stadtrat - was wiederum Lutzeier erfuhr und auf den Plan rief, der bei Dießener Heimatforschern und Archivaren Unterstützung fand. Im Sommer 2021 veranstaltete Haucks Verein " Die Kunstbaustelle" Workshops in den beteiligten Gemeinden. Auch in Dießen wurden dabei Anregungen und Recherchen von Jugendlichen aufgenommen, um damit Inhalte für die App zu produzieren.

Unterteilungen in Themenbereiche, Übertragung in Fremdsprachen, ein Suchregister: Noch fehlt vieles in der "BayernHistoryApp". In Dießen harrten etwa noch viele Kunstschaffende und die Zinngießereien der Bearbeitung. Lutzeier sprach von einem "Parkplatz für Schulprojekte": Man wolle alle Beiträge "noch einmal fachlich prüfen lassen und professionalisieren".

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