Von der Konzeption bis zum Vertrieb soll alles unter eigener Regie bleiben: Katharina und Hans Kreye haben jetzt sogar einen Verlag gegründet, um hochwertige Kunstbücher herauszugeben. In ihrem Sortiment steckt nicht nur viel sprichwörtliches Herzblut, sondern auch viel klassische Handarbeit: Das Ehepaar setzt die Lettern für eine historische Druckmaschine selbst und will so eine inzwischen fast ausgestorbene Methode der Buchherstellung wiederbeleben.
Im Grunde ist das der logische Endpunkt einer Entwicklung, die das Paar der Grafik und dem Buchdruck immer näher gebracht hat. Die 2009 mit dem Kulturpreis des Landkreises ausgezeichnete Künstlerin und Kuratorin gab schon Bände mit eigenen Fotografien und Zeichnungen heraus und gestaltete individuelle Künstlerbücher in Kleinstauflage. Ihr Mann, eigentlich Architekt, kaufte sich einen gebrauchten Original Heidelberger Tiegel und ließ so ein Hobby aus der Schulzeit wieder aufleben: Schon am Starnberger Gymnasium hatte sich Hans Kreye für Hochdruck begeistert und so Plakate oder Einladungen für Schulveranstaltungen angefertigt. Seit drei Jahren setzt das Paar bereits den 1956 konstruierten Tiegel ein, um damit Kunstpostkarten, Visitenkärtchen oder auch Bierdeckel zu vervielfältigen.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Kreyes noch den letzten Schritt zum Buch-Macher wagten und ins Verlagsgeschäft einstiegen. Die neugegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts heißt "Verlag für spezielle Allgemeinheiten". Das erste veröffentlichte Buch trägt den profanen Titel "Zeichnungen" und enthält komische Skizzen der bekannten Künstler Eva Muggenthaler, Ernst Kahl, Michael Sowa und Rudi Hurzlmeier. Katharina Kreye, erklärter Fan von Karikaturen, hatte die Zeichner vor zwei Jahren zur Vernissage der Nah-Fern-Ausstellung "Satire und Alltag" in der Schalterhalle des Starnberger Bahnhofs zusammengetrommelt. Der Kontakt blieb bestehen, und als sie Hurzlmeier ihre Zeichnungen in einem selbstgemachten Buch mit dem Titel "Was ist los?" vorlegte, stellte der Münchner Künstler für ein Folgeprojekt eigene Werke in Aussicht. Und lieferte so die Initialzündung zur Verlagsgründung, wie Kreye erzählt.
"Zeichnungen" ist vom ersten Entwurf an bis zum Versand ein rein Starnberger Produkt - nur gebunden wird es im niederbayerischen Pfarrkirchen. "Es hat einen besonderen Reiz, von 0 bis 100 alles selbst zu machen", sagt Katharina Kreye. Es beginnt mit der Auswahl des Papiers und dem Zuschnitt der Bögen. Der Druck selbst geht rasch: Pro Minute spuckt der Tiegel 60 Bögen aus. Doch zuvor muss die Druckplatte für jede Seite in kniffliger Handarbeit präpariert werden. Die aus einer Bleilegierung gegossenen, spiegelverkehrten Lettern werden zu Textblöcken zusammengesetzt. Dazu müssen die Klischees platziert werden, die aus Negativfilmen der Abbildungen hervorgegangen sind. Alles zusammen wird dann möglichst exakt in einen Rahmen eingespannt. Dabei sind viele Details zu beachten, anfangs produzierten die Kreyes noch viele Fehldrucke. "Da steckt viel Spielerei drin", sagt Katharina, "aber im Zuge dessen sind wir immer besser geworden". Inzwischen können sie zwei bis drei Seiten am Tag produzieren.
Bei diesem Tempo ist es kein Wunder, dass der von Johannes Gutenberg um 1450 entwickelte Hochdruck bei Büchern inzwischen vom Offset-, Tief- und Digitaldruck abgelöst worden ist. Doch die bis vor 40 Jahren übliche, klassische Methode lohnt die Mühen: Aus "Zeichnungen" ist so ein bibliophiles Kleinod geworden. Die gedruckten Karikaturen lassen sich fast nicht von Originalen unterscheiden, sie treten geradezu plastisch aus dem Hintergrund hervor. Auch die gesetzten Texte wirken dreidimensional, weil die Buchstaben typische Quetschränder erkennen lassen. Und die gerasterten Fotos erhalten im Buchdruck einen geheimnisvollen Schleier, als hätten sie Patina angesetzt. Selbst wenn man nichts über den Aufwand bei der Herstellung weiß, spürt auch der Laie, dass er mit "Zeichnungen" ein Produkt vergangener Handwerkskunst in den Händen hält.
Die Verlagsgründung feierten die Kreyes mit den vier Zeichnern, dem SZ-Kolumnisten Axel Hacke (für dessen Bücher Sowa die Covers malt) und seiner Verlegerin Antje Kunstmann im Münchner Literaturhaus. An dem Abend habe sich das in einer Erstauflage von 900 Stück erschienene Buch schon gut verkauft, sagt Katharina Kreye. Zuvor musste sie freilich noch bange Stunden und Tage zu überstehen: Die 66 000 Blatt bedruckten Papiers waren auf dem Weg zur Buchbinderei verschollen und es kostete viel Zeit, bis die Logistikfirma die Ladung wieder aufgespürt hatte.
Wie viel organisatorische Arbeit der Verlag mit sich bringt, habe sie erst allmählich gemerkt, sagt Kreye. Noch sei das Unternehmen in der Übergangsphase zwischen Hobby und Profession. "Aber wir meinen's schon ernst", die Kreyes wollen sich der Herausforderung stellen, wirtschaftlich zu arbeiten. Ein Schwerpunkt des Geschäfts soll grafische Kunst bleiben: "Grafiker werden allgemein unterschätzt: Sie müssen Inhalte erst verstehen, um sie dann zu vermitteln", findet Kreye. Das Verlagslogo hat sie natürlich selbst entworfen, es stellt einen stilisierten sitzenden Hund dar und sticht rot auf dem Buch hervor. Das nächste Buch im Programm will Katharina Kreye mit eigenen Inhalten füllen: Unter dem Arbeitstitel "Hundehüttentouren" wird sie mit Fotos, Texten und Zeichnungen Bergwanderungen konsequent aus der Sicht der Vierbeiner schildern. Aber grundsätzlich stehe der "Verlag für spezielle Allgemeinheiten", wie schon der Name verdeutlicht, vielen Ideen offen gegenüber.
Der 80-seitige Band "Zeichnungen" ist für 28 Euro über https://speziellallgemein.de zu bestellen.