Personalmangel beim Bayerischen Roten Kreuz:Hilferuf der Retter

Lesezeit: 3 min

Die Retter vom Bayerischen Roten Kreuz sind an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und suchen händeringend nach Verstärkung. (Foto: BRK Ebersberg)

Hohe Auslastung, hoher Krankenstand, chronische Unterbesetzung: Das BRK in Starnberg sucht händeringend kurzfristig Verstärkung, um seine Aufgaben im Notfall langfristig weiter erfüllen zu können - und ist mit dieser Not nicht alleine.

Von Renate Greil, Starnberg/Schondorf

Die Lage bei den Rettungsdiensten im Freistaat spitzt sich zu. Überall fehlt es an Personal, das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Starnberg wendet sich daher nun mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit. BRK-Pressesprecherin Karin Windorfer fasst die aktuelle Situation in drei Schlagworten zusammen: "Hohe Auslastung, hoher Krankenstand, Unterbesetzung". Gleichzeitig arbeitet der BRK Kreisverband Starnberg intensiv daran, die Situation kurz- und langfristig zu verbessern.

Sogar ein kleines Werbefilmchen wurde bereits hergestellt, um BRK-intern Ehrenamtliche für einen zusätzlichen Einsatz im Rettungsdienst zu motivieren. Diese sind aber mehrheitlich bereits ehrenamtlich engagiert - zum Beispiel bei den Helfern vor Ort, in der Bereitschaft oder auch bei der Wasserwacht, sagt Windorfer. Demnächst soll die "Henry-Dunant-Akademie" im Landkreis Starnberg gegründet werden, die intern Aus- und Weiterbildungen auch im Bereich Rettungswesen anbieten will.

Das BRK Starnberg fährt derzeit etwa viermal so viele Einsätze wie im vergleichbaren Zeitraum der letzten Jahre

Die vorliegende Analyse des Starnberger BRK macht laut aktueller Pressemitteilung gleich mehrere Faktoren aus, die zur derzeitigen Krise im Rettungsdienst beigetragen haben: In der Corona-Pandemie sind in den vergangenen Jahren die Einsatzkräfte an ihre Leistungsgrenze gegangen. Etliche Überstunden wurden angehäuft, und inzwischen erkranken aufgrund der hohen Inzidenzen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Covid-19 oder erschöpfungsbedingt an anderen Krankheiten. Dazu gibt es sechs bislang unbesetzte Personalstellen - und jetzt kommt auch noch die Urlaubszeit. Hinzu kommt: Die Anzahl der Einsätze steigt, sobald das Thermometer nach oben geht.

"Momentan müssen bei uns im BRK Starnberg etwa viermal so viele Einsätze gefahren werden, wie im vergleichbaren Zeitraum der letzten Jahre", sagt die Pressesprecherin. Und die Problematik macht keinen Halt an den Landkreisgrenzen. Die Kolleginnen und Kollegen aus den BRK-Kreisverbänden unterstützten sich zwar gegenseitig so gut es geht. Seit Wochen schon würden das BRK Starnberg viele Hilferufe anderer Kreisverbände aus Südbayern erreichen, schildert die Pressesprecherin. Dazu werden die Wege aber immer länger - und damit auch die Einsatzzeit, die inzwischen von einer Dreiviertelstunde auf zwei Stunden pro Einsatz angestiegen ist.

Die vier BRK-Kreisverbände Dachau, Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech und Starnberg stimmen sich täglich erneut ab

Und dann ist da noch der Umstand, dass der Großraum München Rettungsfahrzeuge zur Spitzenabdeckung aus den Landkreisen in die Stadt zieht, womit oft genug eine Kettenreaktion in Gang gesetzt wird: Ein Verletzter aus Starnberg etwa wird womöglich mit einem Fahrzeug aus Landsberg in eine Notaufnahme weit weg von daheim transportiert. Damit der Rettungswagen aber auch weiterhin kommt, wenn er gerufen wird, stimmen sich die Geschäftsführer und Rettungsdienstleiter der vier BRK-Kreisverbände im Rettungszweckverband Fürstenfeldbruck, zu dem die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck, Landsberg und Starnberg gehören, nun täglich ab. In Starnberg treffe sich auch die bereits etablierte Taskforce wieder.

Entscheidend für erfolgreiche Arbeit ist die Koordination der verschiedenen Rettungskräfte - hier eine Feuerwehrübung mit (v.li.) Tobias Bucher von der Wasserwacht und Christoph Plettner (DLRG) im Einsatzwagen. (Foto: Georgine Treybal)

Vorübergehend darf nun auch von den festgelegten Fachquoten abgewichen werden. Konkret heißt das: Sollte kurzfristig ein Notfallsanitäter oder Rettungsassistent ausfallen, darf nun ein auf dem Rettungswagen erfahrener Rettungssanitäter aushelfen, bis eine Ersatzkraft gefunden wurde. Diese Notfallregelung wird Michael Daunderer, Ärztlicher Leiter des Rettungszweckverbandes Fürstenfeldbruck, klar befürwortet. Immerhin kam es bislang nur zu einigen wenigen kurzzeitigen Ausfällen bei der Besetzung von Fahrzeugen. Eine Kraftanstrengung, die von allen einen besonderen Einsatz fordere.

Im Rettungsdienst des BRK Starnberg sind derzeit 177 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Stundenzahl von 61,3 Vollzeitstellen beschäftigt, davon über die Hälfte als Rettungssanitäter, die auch als Ehrenamtliche tätig sein können. Hier seien sogar mehr Stellen besetzt, als für den Regelbetrieb benötigt werde. Anders schaut es bei Notfallsanitätern und Rettungsassistenten inklusive der technischen Betriebsleitung aus: Von 26 Vollzeitstellen sind derzeit rein rechnerisch nur 20,5 besetzt, 39 Notfallsanitäter und 15 Rettungsassistenten arbeiten in verschiedenen Arbeitszeitmodellen. Auch wird derzeit ein Wachleiter für Starnberg gesucht, Bewerbungen für den Posten gibt es bislang keine. In der dreijährigen Ausbildung sind 14 Notfallsanitäter, vier davon sollen laut Pressemitteilung noch diesen Oktober beim BRK anfangen. Pro Jahr dürfen laut Kostenträger inzwischen sechs Ausbildungsplätze zum Notfallsanitäter angeboten werden. "Für dieses Jahr lagen 85 Bewerbungen vor, von denen 32 geeignet gewesen wären", sagt Bernd Kuchler, Leiter des BRK-Rettungsdienstes in Starnberg.

Etwa 150 000 Euro kostet den Betrieb so ein Ausbildungsplatz. BRK-Kreisgeschäftsführer Jan Lang fordert daher eine "vorausschauende Personalpolitik, es muss mehr Geld bereitgestellt werden." Dazu gehöre auch, dass in Bayern der Personalschlüssel für den technischen Betriebsleiter sehr gering ausfällt. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Lang. In Starnberg stehen dafür lediglich 3,2 Vollzeitstellen zur Verfügung. Dabei seien die Aufgaben vielfältig und umfassen beispielsweise auch Verwaltung und Organisation von Dienstplänen, Ausbildung und Fuhrparkmanagement. "Es müssten mehr Stellen für die Technische Betriebsleitung geschaffen werden", fordert Kuchler. Pressesprecherin Windorfer berichtet, dass derzeit Gespräche stattfinden, um die kritische Lage bei den Rettungsdiensten zu entschärfen.

Anders sieht es bei den Wasserwachten im Landkreis Starnberg aus. Hier gibt es derzeit keine personellen Engpässe, berichtet Windorfer. Auch vom Ammersee-Westufer meldet Einsatzleiter Siegfried Dumbsky eine relativ entspannte Lage bei den Wasserwachten. Wachdienste an Wochenenden und Feiertagen würden regelmäßig geleistet, hieß es, größere Personalausfälle gab es in den letzten Wochen jedenfalls nicht. Abgesehen von einer Vermisstensuche, die schnell erledigt war, gab es bislang auch keine größeren Einsätze, die etwa über eine Versorgung von Wespenstichen oder kleinerer Verletzungen hinaus gingen. Dumbsky stellt fest, dass die "Leute etwas besonnener geworden sind" und Segler mit ihren Booten rechtzeitig an Land kämen, wenn etwa ein Gewitter aufzieht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: