Dießen:Von der TV-Rolle in die Gastgeberrolle

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Rena Glück und Fairuz Lewis haben schon viele Erfahrungen in der Gastronomie gesammelt. (Foto: Nila Thiel)

Rena Glück hat als Schauspielerin unter anderem für "Aktenzeichen XY" gedreht. Jetzt übernimmt sie zusammen mit ihrem Lebenspartner Fairuz Lewis das Café im Blauen Haus in Dießen.

Von Armin Greune, Dießen

Nach einem halben Jahr Ruhe ist wieder Leben ins vormalige "Kultcafé" eingekehrt. Gerade wird dort heftig gebohrt, gehämmert und gesägt. Zwei Wände sind demontiert, die Decke ist freigelegt, auf dem Eichenparkett häuft sich der Staub. Mit Mitte Februar haben sich Rena Glück und Fairuz Lewis ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: In acht Wochen wollen sie zum ersten Mal Gäste im auch als "Kulturforum" bekannten Blauen Haus an Dießens Hauptverkehrsachse bewirten.

Die beiden Lebens- und Geschäftspartner konnten den Marktgemeinderat mit einem Konzept zwischen Mittagstisch, Café und Cocktailbar überzeugen: Sie wurden kürzlich unter drei Bewerbern ausgewählt, von Februar an das Lokal im ortsbildprägenden Gebäude zu pachten. Glück und Lewis treten die Nachfolge von Christiane Graf an. Die nicht nur am Ammersee bekannte Künstlerin, Unternehmerin, Handweberin und Organisatorin von Kreativmärkten ist heuer am 28. Mai gestorben.

Nach zahlreichen Pächterwechseln hatte Graf das Kultcafé 2015 übernommen, um dort eine Melange aus Tagesgastronomie und Strickladen einzurichten. Glück und Lewis haben nun ganz andere Pläne: Ihre Bar "Ludwig" soll mittwochs bis sonntags von Mittag bis Mitternacht geöffnet bleiben. Abends wollen sie zu den Drinks verschiedene kleine Gerichte auf Platten zusammenstellen, die dann von den Gästen am Tisch gemeinsam verspeist werden: "Sharing Food-Konzept" nennen es die Wirte. Den Schwerpunkt legen sie auf saisonale, regionale, vegane und vegetarische Küche. Fleisch soll aber nicht ganz verbannt werden. Von 12 Uhr an bieten Glück und Lewis wechselnde Mittagsgerichte wie Quiches, Suppen oder Brote mit verschiedenen Aufstrichen an. Den Tag über gibt es natürlich Kaffee und Kuchen.

"Wir möchten hier Urlaubsgefühle kreieren", sagt Glück, "die Gäste sollen ein bisserl entspannen vom Alltag." Das gelte auch für die Terrasse mit kleinem Garten zwischen dem Blauen Haus, der barocken Josefskapelle und der Josefigasse - soweit es eben der Verkehrslärm zulasse, schränkt die 26-Jährige ein. Die Staatsstraße 2055, die alle Gemeinden am Westufer des Ammersees verbindet, trägt hier den Namen Prinz-Ludwig-Straße - daher wurde der letzte Bayernkönig auch posthum Namenspate des Lokals.

Den etwa 80 Quadratmeter großen Gastraum gestalten die seit bald fünf Jahren fest verbandelten Partner hell und offen. Die Zwischenwände haben sie herausgerissen, ebenso die "Riesen-Rigipsdecke", erklärt Glück. Die Raumhöhe wollen sie zur Geltung bringen, indem sie die Lampen in verschiedenen Niveaus hängen lassen. Das knallige Gelb an den Wänden wird schlichteren Farben weichen: Salbeigrün für die Wände und einen Sandton an der Decke stellt sich Glück vor. Bunt sollen die Stühle sein,die sie womöglich gebraucht und aus verschiedenen Quellen kaufen werden. Die Jungunternehmer wollen sich zum Start nicht gleich zu sehr verschulden. Immerhin verlange die Gemeinde nur einen sehr fairen Pachtzins, sagt Glück.

Schon aus Kostengründen bringen die Partner jetzt beim Umbau viel Eigenleistung ein. Während Lewis den Besen fürs Foto schwingt, posiert Glück mit dem Akkubohrer an der Leiter - und zwar durchaus gekonnt, schließlich hat sie ein Schauspielstudium absolviert. Aber bevor sie in diesem Metier so richtig Fuß fassen konnte, hat sie die Berufung gepackt, die ihr fast schon in die Wiege gelegt wurde: Die Eltern führten die Kultkneipe "Fuchs und Has" im Dießener Gemeindeteil Dettenhofen. Bis sie neun Jahre alt war, hat sie dort und bei der Mutter, einer Hotelfachfrau, in Utting gelebt.

"Ich wollte wohl erst etwas Eigenes für mich finden", meint Rena Glück im Nachhinein. Die Ausbildung an der Schauspielschule Zerboni in München habe ihr viel Spaß gemacht und brachte ihr 2017 den Heinz-Böcker-Preis in Gold ein. Nach dem Abschluss 2019 folgten vielversprechende Nebenrollen ("Dahaom is dahoam", "Aktenzeichen XY"), eine Theaterassistenz und einige Drehtage. Derzeit werde sie weiter von einer Agentur vertreten, sagt Glück, sie bemühe sich aber nicht aktiv um Engagements: "Ich brauch' Struktur und etwas Festes - und ich liebe es einfach, Gastgeber zu sein."

Branchenerfahrung haben beide Pächter bereits reichlich: Glück hat in dieser Woche nach fünfeinhalb Jahren ihren letzten Arbeitstag im "Goldmarie", einem Speiselokal mit 75 Plätzen an der Münchner Poccistraße. Davor jobbte sie in einem gehobenen Restaurant in Zürich. Fairuz Lewis hat bis unlängst in der Bar "The High" im Glockenbachviertel Cocktails gemixt. Er kann sogar auf 20 Jahre Gastronomieerfahrung zurückblicken und war unter anderem im für seine Sterneküche bekannten "Mural" in München beschäftigt. Seit er das erste Mal Barchef wurde, habe er den Wunsch, in einem eigenen Lokal "all meine Vorstellungen umzusetzen und meine Leidenschaft als Bartender und Barista ganz leben zu können," sagt Lewis.

"Das wird seine Bühne, der Tresen wird gerade aus einer fünf Meter langen und 60 Zentimeter breiten Eschenbohle gezimmert", erklärt Stephan Wilkening, den Glück als ihren Vater, "Backbone und Bauleiter" des Projekts vorstellt. Der Mann, am Ammersee als "Piefke" bekannt, hat 24 Jahre das "Fuchs und Has" geführt und saß zwölf Jahre im Dießener Gemeinderat - beide Engagements endeten 2020. Über den Vater habe sie auch von der Pachtausschreibung erfahren, sagt Glück. Von ihm stamme auch die Idee, das Gerüst der Zwischenwände nicht auf den Bauschutthaufen zu werfen: Es kann als Unterbau für das Podest dienen, mit dem sie im Lokal mehrere Sitzebenen schaffen wollen. Wie das Essen, so soll man sich auch die Sitzgelegenheiten gemeinschaftlich teilen können.

Glücks professionelle Heimwerker-Pose verliert abrupt an Glaubwürdigkeit, als sie erschrocken zusammenzuckt, weil sie versehentlich den Auslöser der Bohrmaschine gedrückt hat. Prustend gibt sie zu, dass die Rollen beim Renovieren halt doch genau anders rum verteilt wären: Sie fegt, die Männer werkeln. Die 26-Jährige wirkt locker und extrovertiert, es gibt fast keinen Satz, den sei nicht mit einem spontanen Lacher begleitet. Offen gesteht sie, den Sprung in die Selbständigkeit "auch nicht ohne Angst angehen" zu können. Für beide Partner ist das "Ludwig" gleichzeitig Abenteuer und Erfüllung eines Traums. Da kann es nicht schaden, dass ihr Start-up erst einmal vom umbautechnisch und gastronomisch geerdeten Senior begleitet wird. Wilkening, der sich schon immer als Wirt aus Leidenschaft geoutet hat, ist freilich auch im neuen "Fuchs und Has" beschäftigt, das heuer in Finning eröffnet wurde - aber nur noch als Angestellter.

Wenn im Café der Betrieb anläuft, werden Glück und Lewis wohl erst mal bei Papa Piefke unterschlüpfen. Ihre Hoffnung, im Blauen Haus eine "Hausmeister"-Wohnung beziehen zu können, hat sich nicht erfüllt. Aber den Schlüsseldienst für die beiden Säle werden sie übernehmen - und gerne auch das Catering bei Veranstaltungen.

© SZ vom 21.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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