Weßling:Ministerin im Blumenmeer

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"Man kann die Biodiversität direkt hören": Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (Mitte) bei ihrem Besuch auf dem Biohof von Norbert und Philipp Grenzebach (v.li.). Rechts im Bild: Stephan Sedlmayer, Präsident des Landesamts für Landwirtschaft, und Sabine Heinz vom Institut für Agararökonomie. (Foto: Georgine Treybal)

Michaela Kaniber besichtigt in Hochstadt eine landwirtschaftlich genutzte Wiese des Biohofs Grenzebach - ein Paradebeispiel dafür, dass Umweltschutz und Lebensmittelproduktion zusammengehen.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Vielstimmiges Zirpen von Feldgrillen klingt aus der bunten Blumenwiese, die zum Biohof Grenzebach gehört. Schmetterlinge flattern über dem Blütenmeer, Insekten klammern sich an Grashalme, im Hintergrund hört man das Bimmeln von Kuhglocken. Anlässlich des Internationalen Tags der biologischen Vielfalt hat das Bayerische Landesamt für Landwirtschaft (LfL) auf eine Wiese nach Hochstadt in der Gemeinde Weßling eingeladen. Wissenschaftler aus dem Institut für Agrarökologie stellten Ergebnisse aus dem "Grünlandmonitoring" vor. Auch Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber ist gekommen. "Hier ist ein Ort, der alle Sinne anspricht, man kann die Biodiversität direkt hören", schwärmt sie.

Sebastian Wolfrum demonstriert eine Insektenfalle. Sie besteht aus einem dünnen Netz und einer mit Lockstoffen gefüllten offenen Dose. Nach einer Stunde wirft Wolfrum einen prüfenden Blick hinein. "Rinderfliegen, Schlupfwespen, Soldatenkäfer", zählt er auf und bilanziert: "Hier ist richtig was los." Studien zeigten, dass von einer extensiveren Bewirtschaftung der Wiesen vor allem bestäubende Insekten wie Bienen und Schwebfliegen profitierten. Letztere werden von Gartenfreunden besonders geschätzt. Die Larven vertilgen am Tag bis zu 100 Blattläuse, und die ausgewachsenen Insekten bestäuben Blüten. "Das sind natürliche Schädlingsregulatoren", so Kaniber. Andere Wissenschaftler berichten über die Studienerfolge bei den Agrar-Umweltmaßnahmen im Grünland und in den Gewässerrandstreifen. Sie sind seit 2020 an Äckern verpflichtend. Und es soll weitergehen: 2023 würden neue Maßnahmen zur insektenschonenden Mahd eingeführt, versprach Kaniber.

Aber es geht nicht nur um die Fauna. Seit 20 Jahren findet das Monitoring von Grünland statt. Im Durchschnitt wurden auf 25 Quadratmeter großen Flächen 20 Pflanzenarten gezählt. Dabei sind drei Arten das Minimum und 70 bei einer Wiese in Berchtesgaden das Maximum. "Egal, welche Ackerschutzmaßnahmen vorher durchgeführt worden waren, "alle haben etwas gebracht", lautet das Fazit.

Landwirt Norbert Grenzebach, dem 2013 für seine besonders artenreiche Fläche der Titel "Wiesenmeister" verliehen wurde, zählt auf seinen Wiesen bis zu 400 Arten. "Und jedes Jahr kommen neue dazu", freut er sich. Wiesensalbei, Klee, Margariten, Wiesenflockenblume, Trollblumen wachsen aber nicht einfach so. Viele Jahre hat es gedauert, bis die Grenzebachs die intensiv genutzte Ackerfläche, auf der vor 40 Jahren gerade einmal drei Blumenarten gewachsen sind, durch gezielte Vermehrung in ein Blumenmeer verwandelt haben. Das Besondere ist, dass die Wiese trotzdem landwirtschaftlich genutzt wird. Die 40 Rinder dürfen die schmackhaften Kräuter fressen. Das ergebe eine besonders wohlschmeckende Milch, und bekömmlicher sei sie außerdem, so Sohn Philipp Grenzebach. "Das beweist, dass beides miteinander geht: Lebensmittelproduktion und Umweltschutzmaßnahmen", freut sich Kaniber. Extensiv bewirtschaftetes Grünland könne sich, was die Artenvielfalt betrifft, mit dem Tropenwald messen, weiß sie. Ausdrücklich spricht sich die Ministerin für Kühe auf den Weiden aus. "Grünland ist nur wertvoll und artenreich, wenn es auch genutzt wird, und dafür brauchen wir Tierhaltung".

Für Starnberger Landwirte, die mehr Artenvielfalt für ihre Flächen wünschen, steht am Landwirtschaftsamt in Weilheim ein Ansprechpartner zur Verfügung. Der Fachmann berät, welche der 50 geförderten Maßnahmen geeignet wären.

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