SZ-Serie: Dorf-Dynastien:Dorf-Diplomatie beim Weißwurstfrühstück

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Prominenter Besuch in Bernried: Bürgermeister Walter Eberl (rechts) mit dem Autor und Kunstsammler Lothar-Günther Buchheim (Foto: Georgine Treybal)

Seine Methoden waren mitunter etwas unkonventionell. Aber Bernrieds ehemaliger Bürgermeister Walter Eberl war ein geschickter Verhandler. So konnte er auch das Buchheim-Museum in den Ort holen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Der im Jahr 2021 verstorbene ehemalige Bürgermeister Walter Eberl war nach dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtlingsbub aus Karlsbad nach Bernried gekommen. Er war also ein "Zuagroaster", wie man in Bayern sagt. Ihm gelang aber, was in Bayern sehr schwierig sein kann, nämlich dass er schon bald als einer von ihnen anerkannt wurde. Eberl prägte das Dorf am Starnberger See wie kaum ein anderer. Er holte das Buchheim-Museum in den Ort und die Auszeichnung zum schönsten Dorf Deutschlands.

Während seiner Amtszeit betrieb Eberl eine vorausschauende Grundstückspolitik und kaufte systematisch Flächen am Seeufer, sodass Bernried die einzige Gemeinde am Starnberger See mit einem durchgängig öffentlich zugänglichen Ufer ist. Aber der Bürgermeister betrieb nicht nur eine vorausschauende Politik für das kleine Dorf, er verkehrte auch mit den Großen der Politik.

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Und immer war er raumgreifend. Groß, stattlich, stets in Lederhose und Trachtenjanker gekleidet ließ er Angriffe und Aggressionen an sich abprallen und versuchte, die Menschen für sich einzunehmen. Das gelang ihm zum einen mit seiner Tracht, die er sogar trug, als er die Auszeichnung für Bernried als "schönstes Dorf Deutschlands" in Berlin abholte. Zum anderen agierte er stets nach dem Motto: "Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen." Anstatt auf Konfrontation zu gehen, lud er Verhandlungspartner gern auf ein Weißwurstfrühstück ein.

Auf diese Weise soll es ihm auch gelungen sein, den als schwierig im Umgang geltenden Maler, Autor und Kunstsammler Lothar-Günther Buchheim aus Feldafing davon zu überzeugen, sein Museum in Bernried zu bauen, nachdem seine Heimatgemeinde das abgelehnt hatte. Auch in Gemeinderatssitzungen, die er noch lange nach seinem politischen Rückzug besuchte, platzte er nicht selten mit dem Satz in die Debatte: "D' Brotzeit steht in der Teeküche." Auf diese Weise schuf er eine Atmosphäre des friedlichen, freundlichen und auf gegenseitigem Respekt beruhenden Miteinanders.

Im Jahr 2010 wird Altbürgermeister Walter Eberl mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. (Foto: Georgine Treybal)

Zumal er für Sorgen und Nöte der Bernrieder ein offenes Ohr hatte und sich oft persönlich für eine Lösung von Problemen einsetzte. "Der Opa hat immer gesagt, das machen wir fürs Dörferl", erinnert sich sein Enkel Benedikt Eberl, der als Gemeinderat die politische Nachfolge seines Großvaters angetreten hat. Dabei kennt er die Politik von Walter Eberl nicht wirklich. Er sei damals noch viel zu klein gewesen, sagt er. "Und als ich in die Politik kam, war er schon lange weg." Sein politisches Engagement komme zudem auch vom Großvater mütterlicherseits, Erich Gahr. Dieser sei jahrelang Dritter Bürgermeister der Nachbargemeinde Tutzing gewesen, erklärt der Enkel.

Äußerlich hat der 35-Jährige nicht sehr viel gemeinsam mit seinem Großvater Walter Eberl. Er ist eher zurückhaltend. Er tritt bescheiden auf und meldet sich in der Kommunalpolitik nur zu Wort, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. Dann argumentiert er ruhig und sachlich. Das wiederum verbindet ihn mit seinem Großvater.

Walter Eberl in Trauer am Grab von Lothar-Günther Buchheim im Februar 2007. (Foto: Georgine Treybal)
Eberl bei einer Bürgerversammlung im November 2001. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)
Enkel Benedikt Eberl ist heute Gemeinderat in Bernried. Erinnerungsfotos an seinen Großvater hat er stets auf dem Laptop parat. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In dessen Amtszeit von mehr als 30 Jahren habe sein Großvater als Bürgermeister viel bewirken können, erklärt der Enkel, der sich erst seit fünf Jahren in der Kommunalpolitik engagiert. Auch vom sozialen und kulturellen Engagement seines Großvaters hat Benedikt Eberl viel übernommen. Er ist seit vielen Jahren im Verein der Freunde von Samoreau aktiv, der von Walter Eberl ins Leben gerufen worden war. Benedikt Eberl hat als Jugendlicher in der französischen Partnergemeinde den Maibaum aufgestellt und später hat er auch in Frankreich studiert. Seit 2012 gehört er dem Vereinsvorstand an.

Nachdem Benedikt Eberl sein Elektrotechnik-Studium in München abgeschlossen hatte, hängte er in Frankreich noch einen Abschluss in allgemeinem Ingenieurwesen dran. Die Affinität zur Technik verbindet ihn ebenfalls mit seinem Großvater, der Bauingenieur war und in den Sechzigerjahren in Bernried ein Bauunternehmen gegründet hat. Es wird nun von Benedikt Eberls Vater geführt. Als Unternehmer habe dieser wenig Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren, sondern agiere eher im Hintergrund, sagt sein Sohn.

Christine Eberl ist in Bahnhofsgruppe und Nachbarschaftshilfe engagiert

Dafür setzt sich seine Mutter Christine Eberl umso mehr für das Dorf ein. Als Religionslehrerin liegen ihr die christlichen Werte besonders am Herzen. Sie ist Mitglied der Bahnhofsgruppe Bernried, die jedes Jahr an den Tag erinnert, als im April 1945 ein Güterzug voll mit ausgezehrten KZ-Häftlingen in Bernried ankam. Sie ist Vorstandsmitglied bei der Nachbarschaftshilfe So-Ne, ist Mitglied des Pfarrgemeinderats und hat eine Jugendgruppe in der Pfarrgemeinde gegründet. "Sie ist unheimlich fleißig", lobt Eberl seine Mutter.

Den sozialen Gedanken hat er nicht nur von seiner Mutter in die Wiege gelegt bekommen, sondern auch vom Großvater. Für ihn seien ebenfalls christliche Werte wichtig gewesen, beispielsweise Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt, erklärt Eberl. Sein Opa habe immer Personen, die für das Dorf wichtig gewesen seien, nach Bernried geholt, etwa einen Friseur. Er habe der Familie eine Ladenfläche vermittelt, damit in Bernried ein Friseurladen eröffnet werden konnte. Mit einem Diakon, der neu ins Dorf kam, sei er ebenfalls persönlich auf Wohnungssuche gegangen. "Da war er unheimlich umtriebig und hat seine Kontakte gekonnt spielen lassen."

Walter Eberl hat dafür gesorgt, dass das Buchheim-Museum in Bernried gebaut wurde. (Foto: Nila Thiel)

Benedikt Eberl hatte sein Heimatdorf wegen des Studiums verlassen und kam erst vor drei Jahren wieder nach Bernried zurück. Da er beruflich beim Bayernwerk in Penzberg arbeitet, ist für ihn als Gemeinderat eine nachhaltige Energieversorgung eine Herzensangelegenheit.

Der Vater eines knapp dreijährigen Sohnes bewundert an seinem Großvater, dass dieser nie die Ellbogen benutzt habe, obwohl er es in Bernried zunächst sehr schwer gehabt habe. Denn als Flüchtling wurde man in einem kleinen Dorf nicht so leicht anerkannt. So habe er beispielsweise zunächst nicht mit am Stammtisch sitzen dürfen. Doch Walter Eberl habe immer das Beste aus einer Situation gemacht und Beschimpfungen stets in etwas Positives umgewandelt. Damit habe er die Generationen nach ihm geprägt, auch ihn selbst, sagt Eberl, der im Februar zum zweiten Mal Vater wird.

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