Unterwasserarchäologie:Bedrohter Schatz

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Ein Forschungstaucher im Einsatz im Starnberger See. (Foto: Nila Thiel (Repro))

Immer wieder finden Forschungstaucher im Starnberger See gut erhaltene Überbleibsel früher Besiedelung. Doch die Funde werden kaum geschützt. Mit einem Buch wollen Wissenschaftler aufklären.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Im Jahr 2005 ist ein Einbaum im Bereich des Teehauses in Bernried entdeckt worden. Dieses Boot, das aus einem ausgehöhltem Eichenstamm gefertigt ist, ist nicht so spektakulär, wie das Wrack, das 1986 von Tauchern der Gesellschaft für Unterwasserarchäologie vor der Roseninsel entdeckt und später in einer aufwändigen Aktion geborgen wurde. Ein wichtiger Unterschied ist das Alter der beiden Schiffe. Der Einbaum vor der Roseninsel wird auf etwa 900 vor Christus datiert; der Bernrieder Fund indes ist "nur" etwa 400 Jahre alt, also vergleichsweise jung. Dennoch liefern beide Funde wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entwicklung der Schifffahrt am Starnberger See.

"Wenn man den Einbaum von der Roseninsel dazu nimmt, ist das ein Aspekt von 2000 Jahren Geschichte", erklärte Walter Irlinger vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege am Freitag bei der Vorstellung des Buches "Unterwasserarchäologie in Bayern und im Ausland" aus der Reihe Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie. Zum 35-jährigen Bestehen der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie, einem Verein, der ehrenamtlich für die Forschung arbeitet, ist das gewichtige, 416 Seiten starke Werk am 22. Juni erschienen und wird künftig in allen Universitätsbibliotheken sowie archäologischen Instituten vertreten sein. Laut Irlinger beschreibt das Buch die gesamte Bandbreite von der Forschungsgeschichte über die wissenschaftlichen Erkenntnisse bis hin zum Umgang mit den Denkmälern und ihren Erhalt "in erstaunlicher Vielfalt".

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Professor Bernd Päffgen von der LMU München hat jahrelang die Forschungsprojekte am Starnberger See begleitet und das Buch zusammen mit Irlinger sowie dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Unterwasserarchäologie, Tobias Pflederer, herausgegeben.

Nach Päffgens Angaben liegt der Bernrieder Einbaum noch immer in etwa 40 Metern Tiefe im Starnberger See. Er werde nicht gehoben, das käme zu teuer, sagte er. Aber ebenso wie bei der Müll-Deponie aus dem Spätmittelalter und dem 17. Jahrhundert, die in der Nähe des Schiffsanlegestegs gefunden wurde, richte der Schiffsverkehr beim Einbaum großen Schaden an. Schon während der Erforschung zwischen 2015 und 2018 habe sich der Einbaum "in Auflösung" befunden. Unterdessen ist laut Päffgen die schützende Abdeckung und das Heck weitgehend verschwunden. "Er geht kaputt - das ärgert uns." Immerhin habe man einzelne Holzproben entnehmen können und das Fäll-Datum des Eichenstamms auf die Jahre 1600 bis 1610 lokalisieren können. Die Forscher schätzen, dass der Einbaum während Baumaßnahmen im Kloster Bernried im 17. Jahrhundert untergegangen ist.

Tobias Pflederer, Bernd Päffgen, Bürgermeister Georg Malterer und Walter Irlinger (von links) bei der Buchpräsentation. (Foto: Nila Thiel)

Neben Erosion und Schifffahrt gibt es nach den Erfahrungen des Landeskonservators Walter Irlinger weitere Gefährdungspotentiale, etwa schwankende Wasserspiegel oder die touristische Nutzung, wie dies bei dem Welterbe Denkmal Roseninsel der Fall ist. Daher sei die Entwicklung von Schutzkonzepten sehr wichtig.

Einen wichtigen Beitrag dazu liefert die Unterwasserarchäologie. Denn "dieses Eintauchen in eine andere Welt und dies in Kombination mit spektakulären Beobachtungen am Grund unserer Seen und Flüsse" mache nicht nur neugierig. Es liefere auch wichtige Erkenntnisse aus der Lebenswirklichkeit der Menschen. Zudem könnten die gewonnenen Ansätze sowie die erfolgreich getesteten dort eingesetzten Verfahren auch bei anderen Fundorten eingesetzt werden. Mit Hilfe der Unterwasserarchäologie könne beispielsweise die exakte Ausdehnung der Fundstellen festgestellt und die zeitliche Einordnung deutlich verbessert werden.

Der Einbaums aus Bernried im 3D-Modell. (Foto: Nila Thiel)
Ein Kamm aus den Tiefen des Starnberger Sees, gefunden in der Nähe des Dampferstegs vor Bernried. (Foto: Nila Thiel)
Und ein eiserner Schlüssel aus dem 15. bis 16. Jahrhundert. (Foto: Nila Thiel)

Wie Tobias Pflederer von der Gesellschaft für Unterwasserarchäologie erklärte, hat der Verein vor 35 Jahren mit ein paar wenigen Mitgliedern angefangen. Heute habe er mit mehr als 100 Mitgliedern die größte Forschungstaucherdichte in Deutschland. Die Mitglieder arbeiten alle ehrenamtlich, auch in Kroatien, Tunesien, Rumänien oder Sizilien "aus Freude an den Projekten", wie der Mediziner und ausgebildete Forschungstaucher betonte. "Die Archäologie ist wichtiger als der Tauchsport." Pflederer zufolge ist die Arbeit als Unterwasserarchäologe ähnlich der eines Grabungstechnikers an Land. "Wir wollen Archäologie auf dem Level eines Wissenschaftlers machen."

Wie Päffgen erläuterte, waren die Berichte von einer gemeinsamen Tagung in Bernried vor vier Jahren Grundlage für das Buch. Die Projekte am Starnberger See und insbesondere die Untersuchung der Einbaum-Wracks, die in dem Buch beschrieben werden, seien ein gutes Beispiels für die Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen. Es sei ein "wissenschaftlicher Band mit Niveau, aber auch eine wissenschaftliche Herausforderung gewesen, sagte er. Wegen Corona, der Preissteigerungen beim Papier sowie der zeitwiese unklaren Finanzierung war es zu Verzögerungen gekommen. Man habe Einsparungen vornehmen müssen und viele Abbildungen nur noch in schwarz-weiß drucken können. Ein Farb-Teil sei aber in der Mitte des Buches zu finden. Dennoch könne sich das Werk sehen lassen, erklärte er stolz.

Das Buch "Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie", Band 389, "Unterwasserarchäologie in Bayern und im Ausland" ist im Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn erschienen.

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