Bernried:Frisch eingeschmutzt

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Die "Stone Raiders" bringen mit einer eigenwilligen Mischung das Publikum bei "Jazz am See" in Stimmung. Nur die Feuerzeuge von damals fehlen.

Reinhard Palmer

- Das war wohl die Feuertaufe für den Bernrieder Sommerkeller, in dem einst das Bier der Schlossbrauerei gekühlt wurde. Der Besuch von "Jazz am See" sollte jedoch vielmehr einheizen als kühlen, was zweifelsohne gelang. Die "Stone Raiders" sind eben keine Band für gepflegte Club-Abende in gediegener Atmosphäre. Der Vereinsvorsitzende und Feldafinger Bürgermeister Bernhard Sontheim warnte nicht umsonst davor, der Bühnen zu nahe zu kommen. Die drei schwarzen Musiker geben dem guten alten Rock mit Blues, Funk und einer Prise Jazz wieder einen frisch eingeschmutzten Anstrich. Und das neue Album "Truth To Power" wartet mit reichlich derben Songs auf, um auf der aktuellen Tour für Aufsehen zu sorgen.

Für Jazz am See und den grandiosen Sommerkeller zweifelsohne eine Auszeichnung, zumal auf dem Terminplan noch vor Zürich, Erfurt und Salzburg. Es war nur schade, dass die Seeanwohner nicht in den nötigen Massen herangeströmt kamen, um in den unterirdischen Tonnengewölben eine saubere und texttaugliche Akustik zu ermöglichen. Vor allem auch, um die dunklen, rauen Stimmen der beiden Frontmänner zum Klingen zu bringen. So bekam man vor allem reichlich Geblubber vom einstigen Rolling Stones-Bassisten Darryl Jones um die Ohren geschmettert und durch die Eingeweide gejagt. Seine erdigen Grooves gingen in jeder Hinsicht durch Mark und Knochen. Zumal von einem kraftprotzenden, dabei höchst präzisen Will Calhoun geschärft, der sich hinter einem beachtlichen Drum-Set verschanzt hatte, obgleich sich der mit einem Grammy geadelte Schlagzeuger wohl kaum verstecken muss. Einmal hatte er seine Trommelburg verlassen, um am Drum-Synthesizer seine Grenzen definitiv zu sprengen, was wiederum der grandiose Gitarrist Jean-Paul Bourelly gerne aufgriff und schräge Dissonanzen in sperriger Gegenmetrik draufsetzte. Ganz im Sinne der trotzigen Album-Thematik.

Aber es ging auch um "Power To Spirit" mit weit gespanntem, melodischem Gitarren-Gesang, in den selbst der Bass einstimmte. Da ging insbesondere den älteren Semestern das Herz auf. Diese Saiten-Arien gehen unter die Haut. Sie machen letztlich den Reiz der Rockmusik aus. Nicht minder die großartigen Balladen, die von empfindsam schlichten Motiven getragen nicht nur die Seele massieren, sondern - entsprechendes Alter vorausgesetzt - auch reichlich Jugenderinnerungen evozieren. Nachdem die Raucher rar geworden sind, konnte allerdings kaum noch jemand ein Feuerzeug zücken.

Doch die Musik genügte, um eine Menge Stimmung zu vermitteln, wenn auch die sparsame Lightshow durchaus ihren Teil dazu beisteuerte, die Magie der Balladen zu unterstreichen. Es überraschte fast, mit wie viel Fingerspitzengefühl das Trio hier vorging, war es doch eher im kernigen "Afro flavor" (Bourelly) zu Hause. Vor allem damit brachte die eigenwillige Formation das Publikum in Fahrt, das schließlich nicht ohne Zugabe abrücken wollte.

© SZ vom 09.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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