Bernried:Makellose Ängste im Museum der Phantasie

Lesezeit: 3 min

Junge Künstler stellen ihre Werke im Buchheim-Museum in Bernried aus, Kuratorin ist die Portugiesin Sofia Seidi. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die außergewöhnlich talentierte Portugiesin Sofia Seidi präsentiert im Buchheim-Museum gleich zwei Ausstellungen: In "The Cabinet of Spotless Fears" zeigt sie eigene Arbeiten, in "The Other Side of the Moon" zeitgenössische Werke sechs weiterer junger Künstler.

Von Katja Sebald, Bernried

Sofia Seidi hat das große Los gezogen. Wobei: Eigentlich hat sie sogar zwei große Lose gezogen. Die junge Portugiesin, die als Künstlerin und Kuratorin noch ganz am Anfang ihrer Berufstätigkeit steht, kam mit einem Erasmus-Stipendium für ein halbes Jahr ans Buchheim Museum in Bernried. Jetzt darf sie sich dort mit gleich zwei Ausstellungen präsentieren: In "The Cabinet of Spotless Fears" sind ihre eigenen Arbeiten auf Leinwand und Papier zu sehen. Und unter dem Titel "The Other Side of the Moon" zeigt sie sechs malerische und installative Positionen von jungen Künstlern.

Sofia Seidi wurde 1997 auf Madeira geboren. Sie erwarb in Lissabon einen Bachelor in Malerei und absolviert derzeit den Masterstudiengang "Kulturerbe und Museologie" an der Universität Coimbra. Auf die Frage, ob sie am Ende ihres Praktikums lieber als Künstlerin selbst ausstellen würde oder als angehende Kuratorin eine Gruppenausstellung organisieren wolle, hatte sie kurzerhand geantwortet: "Beides." Als Künstlerin zeichne sie die Kombination von Selbstzweifel und Selbstbewusstsein aus, erläuterte Museumsdirektor Daniel Schreiber jetzt bei der Vorbesichtigung. Es sei beachtenswert, dass jemand, der selbst in seinem Berufsweg noch "am Fuß der Eiger-Nordwand stehe", sich auch für andere Künstler einsetze, sagte er im Hinblick auf ihre kuratorischen Ambitionen.

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Sie wolle mit neuer Kunst und neuer Kultur eine frische Brise ins Museum bringen, sagte Seidi selbst. Sie ist überzeugt, das sei ganz im Sinne des Museumsgründers Lothar-Günther Buchheim. Ihre eigenen Bilder, für die sie das Grafikkabinett des Museums in ein "Kabinett der makellosen Ängste" verwandelt hat, sind figurativ und erzählerisch, ohne allerdings allzu viel von der Geschichte zu verraten, die sie erzählen wollen. Es sind scheinbar alltägliche Szenen, die sich jedoch durch höchst merkwürdige Begebenheiten auf überraschende Weise verändern.

Alltägliche Begebenheiten, die sich höchst merkwürdig auf überraschende Weise verändern - wie die Eisenbahn, die durchs Badezimmer rauscht. In Bernried zeigt Sofia Seidi die Ausstellung "The other side of the moon". (Foto: Franz Xaver Fuchs/Starnberger SZ)

Einer ihrer Protagonisten öffnet morgens in der Küche eine Tüte mit Keksen und stellt fest, dass Fledermäuse unter der Dunstabzugshaube geschlafen haben. Ein anderer sitzt in einer Kirche und wendet sich mit ratlosem Blick dem Betrachter zu, denn dort, wo eigentlich der Altar stehen müsste, ist ein riesiger Fernseher zu sehen. Und ein Dritter trägt ein Goldfischglas durchs Zimmer und bemerkt dabei, dass sich der Fußboden in ein Meer verwandelt hat und er selbst schon bis zu den Knöcheln im Wasser steht. "Sem querer cresci" heißt dieses Blatt: Es will die Überraschung darüber zum Ausdruck bringen, dass man in der Welt der Erwachsenen angekommen ist, ohne es zu bemerken. Und vielleicht würde dieser Bildtitel auch noch für eine ganze Reihe anderer Arbeiten von Sofia Seidi passen.

Erst auf den zweiten Blick erschließt sich die Kirchenszenerie, mit der die Portugiuesin Sofia Seidi in Bernried ihre Ausstellung "The other side of the moon" bereichert. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Starnberger SZ)

Die Ausstellung "The Other Side of The Moon" ist im Turm des Museums zu sehen. Seidi hat mit der 1994 geborenen Malerin Carolina Vieira eine junge Künstlerkollegin aus Portugal und außerdem einige Kunststudenten eingeladen, die sie an der Münchner Akademie kennengelernt hat und die nun die Atmosphäre einer Semesterausstellung nach Bernried bringen. Der Titel der gemeinsamen Präsentation bezieht sich auf eine portugiesische Redewendung, die besagt, dass man mit dem "Kopf auf dem Mond" in Gedanken weit weg vom Hier und Jetzt ist. Gleichzeitig dient den ausstellenden Künstlern der Mond als Reflexionspunkt, als Ort des Staunens und der Fantasie. Und nicht zuletzt will die Ausstellung darauf aufmerksam machen, dass wir immer nur ein und dieselbe Seite des Mondes sehen, es aber auch noch die erdabgewandte andere gibt.

Zur Ausstellungseröffnung erwartet die Besucher eine Performance von "Cosmica Bandida"

Amelie Liese, Jahrgang 1989, hat die zentrale Installation dieser Ausstellung geschaffen: das verlassene Büro der fiktiven Kosmologin Karo Klepper, die, so scheint es, von Außerirdischen entführt wurde. Liese absolviert neben ihrem Kunststudium ein Zweitstudium der Statistik und Datenwissenschaften und beschäftigt sich mit simulierten Universen. Valentina Eppich, die 1986 in Weilheim geboren ist und ebenfalls an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert, zeigt Bilder, die in Acryl auf Aluminiumplatten entstehen. Die Künstlerin konzentriert sich mit extrem engen Bildausschnitten auf Details, die sie von fotografischen Bildvorlagen abmalt. Die "dunkle Seite des Mondes" ist bei ihr das, was sie vom ursprünglichen Motiv nicht darstellt.

In "The other side of the moon" präsentieren junge Künstler ihre Werke im Buchheim-Museum in Bernried aus. Von links: Julian Arayapong, Andrej Auch, Valentina Eppich und Amelie Liese. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Starnberger SZ)

Auch Julian Arayapong und Andrej Auch sind Studenten der Münchner Akademie. Und schließlich hat Seidi mit "Cosmica Bandida" ein kolumbianisch-deutsches Künstlerduo eingeladen, das die Materialität von Klang durch Installationen, Objekte und Performances erforscht. In ihrer Musik kombinieren Manuela Illera und David Blitz analoge Synthesizer und Space-Disco-Stimmungen mit rhythmischen Mustern, die von traditioneller kolumbianischen Cumbia, psychedelischer peruanischer Chicha, elektronischen Beats und modularen Sounds inspiriert sind. Bei der Eröffnung der beiden Ausstellungen am heutigen Samstag (ab 17 Uhr) erwartet die Besucher eine Musikperformance von "Cosmica Bandida".

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