Kultur im Landkreis Starnberg:Ekstase im Schlosshof

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Frontfrau einer fantastischen Combo: die Jazzsängerin Alma Naidu. (Foto: Georgine Treybal)

Die Jazzsängerin Alma Naidu überzeugt das Publikum mit ihrer Darbietung in Kempfenhausen. Maßgeblichen Anteil daran hat ihre Band.

Von Reinhard Palmer, Berg

Für eine musikalische Karriere ist es ein Glück, in eine Musikerfamilie hineingeboren und früh gefördert zu werden. Das ist aber nur der Rahmen. Der Rest ist schweißtreibende Arbeit, für die Alma Naidu aber wohl schon im frühen Kindesalter eine Leidenschaft entwickeln konnte. Dass ihre Karriere als Jazzsängerin aktuell durch die Decke schießt und sie seit dem Studium in München und London die Szene im Galopp erobert, hat sicher auch was mit ihrer Bühnenpräsenz und Anziehungskraft gegenüber den Sympathien des Publikums zu tun - vor allem aber dem selbst erarbeiteten Umstand, gesangstechnisch, musikalisch, ausdrucksmäßig aus dem Vollen schöpfen zu können.

Wenn dann noch eine großartige Combo hinter ihr steht, das Open-Air-Konzert tatsächlich auch im Freien stattfinden kann und die Atmosphäre etwa vor dem Kempfenhauser Schloss samt Kapelle und Park bezaubert, ist ein exzeptionelles musikalisches Erlebnis garantiert. Das Duo Max Grosch (Violine) und Matthias Bublath (Hammondsound) darf dort als Dauergast beim Veranstalter Kunsträume am See von Elisabeth Carr die Reihe "Seasonal Concerts" gestalten. Die Band vervollständigte diesmal der umtriebige Schlagzeuger Manfred Mildenberger, der mit seiner Vielseitigkeit geradezu als universell gilt. Eine solide Basis, die sich nicht mit dem Begleitpart zufrieden gab.

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Jazz mit Gesang hat in der Regel eher einen kammermusikalischen Charakter, dem Club-Atmosphäre zuträglich ist, der aber bei einem Open-Air-Konzert allzu seicht daherkäme. Das Problem konnte insofern ideal gelöst werden, da die Kompositionen von Naidu wie auch die wenigen Standards dazwischen genügend Stoff hergaben, ekstatische Höhenflüge daraus zu entwickeln. Es lag nahe, den sanglichen Violinpart dem Gesang zur Seite zu stellen.

Die gesamte Band: Matthias Bublath, Alma Naidu, Manfred Mildenberger und Max Grosch (von links). (Foto: Georgine Treybal)

Groschs Soli führten zudem die oft lyrische Ausprägung der Stücke wie "Illusion", "Another Kind of Love" oder ganz besonders in der Zugabe "Just a Word" fort, entwickelten sanglich die Gedanken weiter, nicht selten ins Imaginative. Doch darüber hinaus zog sich Grosch immer wieder mit angeschlagenen Akkorden in die Rhythmusgruppe zurück und überließ Bublath das Feld, mit Klangfluten und kernigem Hammondsound für Jazzsymphonik zu sorgen, die aber durchaus auch an den guten alten Rock der Santana-Zeit anknüpfte.

Transparenz und Klarheit sind mitunter eine Sache der musikalischen Reife - Naidu hat trotz ihres jungen Alters beides

Ein Summerfeeling, das gewiss auch jüngere Generationen nachvollziehen können. Bublath suchte in seinen Soli allerdings eher einen eigenen Weg aus dem Bauchgefühl heraus, ist doch sein Erfahrungsschatz groß genug, intuitiv das Beste aus den zutreffenden Welten herauszupicken. Das sprach auch das Publikum unmittelbar an und riss es mit seiner Wucht mit, zumal auch Mildenberger, der in seinen Soli mit verspielter Experimentierfreude fesselte, dem Treiben Bublaths schlagkräftige Argumente an die Hand gab.

Dennoch kann keinesfalls vom Stilbruch gesprochen werden. Dass man - wie Naidu selbst kommentierte - ihre Songs bisweilen dem Pop zurechnet, liegt wohl daran, dass ihre Themen auch melodisch sein dürfen und sich nicht unnötig in allzu komplexen Harmonien verlieren. Transparenz und Klarheit sind mitunter eine Sache der musikalischen Reife, die mit 28 Jahren nicht selbstverständlich ist, bei Naidu aber wohl vor allem auf die klassische Ausbildung verweist. Zudem ist Stilechtheit für Alma Naidu nicht das Thema, zumal sie nur hinderlich wäre, all ihre Grenzen sprengenden Qualitäten ausspielen zu können. Naidu jonglierte lieber geschickt mit den Genres und sang sich ihre Alma aus dem Leib, doch stets einfühlsam und mit einem ausgeprägten Gefühl fürs richtige Maß.

Gerade Naidus Grenzgänge sind sehr eigene Kreationen, die ihr auch eine ideale Grundlage bieten, ihre stimmlichen Fähigkeiten in voller Bandbreite auszuspielen. "Walberla", nach einem legendenumwobenen fränkischen Hochplateau benannt, ist so ein Titel, der auf mittelalterliche Musik zurückgreift und in mystische Atmosphäre getaucht hymnischen Gesängen freien Lauf lässt. Die emotionale Eindringlichkeit dieses Songs steuerte hier aber auch die besondere Besetzung bei, die dem weiten musikalischen Rückgriff eine geradezu monumentale Anmutung verlieh. Und das schien nicht nur Naidu, sondern auch dem begeisterten Publikum gefallen zu haben.

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