Spiritualität:Mit offenen Armen

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Die Inderin Amma empfängt Tausende Menschen in Berg am Starnberger See. Ihre Anhänger kommen aus der ganzen Region, um ihre Liebe zu spüren, wie viele sagen. Hunderte von ihnen arbeiten aus Dankbarkeit ehrenamtlich bei dem logistischen Großereignis mit.

Von Michael Berzl, Berg

"Liebe pur." So beschreibt die 18-jährige Viola Borchardt das Gefühl, das ihr Amma gibt. Die junge Frau kommt gerade von einer Umarmung auf der Bühne in der großen Turnhalle der Montessori-Schule in Biberkor. Seit Dienstag ist dort die Inderin Mata Amritanandamayi, um Menschen zu umarmen. Stundenlang, einen nach dem anderen, bis spät in die Nacht. An diesem Mittwochvormittag geht es weiter. An diesen beiden Tagen werden es insgesamt wieder Tausende sein - und keiner bleibt unberührt.

Die 18-jährige Schülerin Viola aus Weilheim, die in Tutzing aufgewachsen ist, strahlt und sagt: "Mehr liebevoll geht nicht. Man fühlt sich immer persönlich gemeint." Von einem warmen Gefühl in der Brust, von Herzöffnung sprechen andere. Das genügt als Motivation, sich umarmen zu lassen. Für Amma selbst ist es ein Zeichen von Toleranz und weltumspannender Liebe.

Auf ihren Europatouren hat Amma stets auch Station in München gemacht, in der Olympiahalle, später im Zenith. Im vergangenen Jahr ist die 66-Jährige mit ihrem Helfertross zum ersten Mal nach Berg gekommen. Ihre Anhänger reisen zum Teil von weit her an. Einige Autos draußen auf dem Parkplatz haben tschechische, österreichische, slowenische oder italienische Kennzeichen, sie kommen aus Karlsruhe, Wien oder Bozen.

Viola aus Weilheim hat die Inderin, die in deren Heimat als Mahatma gilt, als erleuchtete Seele, schon oft gesehen, sie hat als Kind zusammen mit ihren Eltern an diesen Begegnungen teilgenommen. "Ich bin mein Leben lang bei Amma", sagt sie. Mittlerweile gehört auch sie zur Helferschar, lotst zum Beispiel als Ordnerin am Empfang Gäste zu ihren Plätzen oder gibt die sogenannten Darshan-Tickets aus. Das sind kleine bunte Kärtchen mit Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, die festlegen, wer wann auf die Bühne darf.

Das ist Teil eines genau durchchoreografierten Ablaufs von der Kartenausgabe über die erste Warteposition bis zum Gang zur Erleuchteten. Dort gibt es die Umarmung mit Worten wie "Mein lieber Sohn", dazu ein Blütenblatt, für manche auch ein Armband oder einen Apfel. Bei jedem Schritt sind Helfer dabei, die nach der Muttersprache fragen, Rosenblätter-Nachschub bringen, die Hinweise geben, wann es Zeit ist, sich hinzuknien und wann es Zeit ist, die Bühne wieder zu verlassen. All das wird permanent begleitet von Musik und indischen Texten.

Ammas' Anhänger reisen aus allen Himmelsrichtungen an, auch aus dem Ausland. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

An diesem Mittwoch beginnt das Programm mit Umarmungen wieder um 10 Uhr. Am Abend gibt es von 19 Uhr an eine Friedenszeremonie, anschließend Meditation, ehe Amma gegen 21.30 Uhr wieder umarmt. Der Eintritt ist frei. In der Halle gibt es Merchandisingstände mit Räucherstäbchen, CDs oder Armreifen, die "von Amma getragen" wurden, wie es auf Schildchen heißt. Außerdem Amma-Puppen in verschiedenen Größen von 17 bis 180 Euro. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, reisen in sechs Bussen 320 Freiwillige auf der Europatour mit. Bis zum Wochenende waren sie in Châlons-en-Champagne in Frankreich, nächste Station ist London. Marseille, Mailand, Helsinki und Barcelona folgen. An den Stationen sind jeweils weitere 250 lokale Mitarbeiter im Einsatz, und das ohne Bezahlung.

Einer von ihnen ist der 55-jährige Peter Mai aus Freising, der als einer von fünf Hauptverantwortlichen für Auf- und Abbau auf dem Schulgelände in Biberkor zuständig ist. Etwa eine Woche kostet den Diplom-Physiker dieses Engagement, erste Koordinierungstreffen fanden schon im März statt. Auch er kennt Amma schon lange, für ihn ist vor allem der karitative Aspekt wichtig, das "was hinter dieser großartigen Frau steht". Ihre Organisation "Embracing the world" baut nach eigenen Angaben Kliniken und Waisenhäuser, organisiert Nothilfe bei Katastrophen und setzt sich für die Rechte von Frauen ein. "Wir wissen hundertprozentig, dass jeder Euro ankommt, dass alles direkt bei den Bedürftigen landet", erklärt Mai. Und darum hilft er gerne mit.

"Es ist jedes Mal anders, einfach schön", sagt Viola Borchardt über die Begegnung mit Amma. Die 18-jährige Schülerin will nun selbst nach Indien reisen, um einen Ashram zu besuchen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Seva" nennen das die Anhänger, selbstlose Mithilfe, bei der man das Ego hintanstellt. So erklärt das Christian Höllrigl aus Berg, der Amma zum ersten Mal vor 18 Jahren in der Olympiahalle begegnet ist, nachdem ihm ein Kollege empfohlen hat: "Schau dir das doch mal an." Seither ist der 59-Jährige immer wieder gekommen, und bei der ersten Deutschland-Station im hessischen Hof Herrenberg vor zwei Wochen hat er wieder Seva praktiziert und mitgeholfen. Jedes Jahr ist er mehrmals in Indien, "das spirituellste Land überhaupt".

Bei vielen wirkt die Begegnung mit der Mahatma aus Indien noch nach. "Das fließt bei mir in den Alltag ein", hat Viola Borchardt festgestellt. Manchmal denkt sie an Amma und hat dann das Gefühl, "sie ist für mich da". Im nächsten Jahr will die Schülerin in ihren Ashram in Kerala fahren. So wie Tausende andere auch.

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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