Herrsching:"Baurecht vor Baumschutz"

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Der Herrschinger Bürgermeister Christian Schiller. (Foto: Georgine Treybal)

Rathauschef Christian Schiller rechtfertigt in der Bürgerversammlung die Baumfällungen, die viel Staub in seiner Gemeinde aufgewirbelt haben.

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Die Baumfällungen der vergangenen Wochen haben die Bürgerversammlung in Herrsching bestimmt. Ein Großteil des etwa dreistündigen Abends galt "diesem ganz großen Aufreger", wie es Bürgermeister Christian Schiller formulierte. Vertreter der neuen Bürgerinitiative, die sich um den Schutz von Bäumen und Bächen kümmert, hatten im Vorfeld einen umfangreichen Fragenkatalog an die Verwaltung geschickt. Sie forderten darin Informationen über Baumschutzmaßnahmen der Gemeinde ein. Die Herrschinger konnten die Debatte in einem Live-Stream verfolgen, etwa 100 Leute waren zugeschaltet. Online kamen nur Schiller und Landrat Stefan Frey zu Wort, was laut Bürgermeister rechtliche Gründe hatte.

Um den "Generalverdacht, dass Herrschinger gerne Bäume umsägen", zu entkräften, hatte Schiller ein Foto aus dem Jahr 1912 auf die Leinwand geworfen. Darauf sah man vereinzelte Häuschen am Ammerseeufer, dahinter weite Felder und Wiesen. "Herrsching ist nicht im Wald entstanden", sagte er und schob ein Bild aus dem Jahr 2022 mit vielen Häusern, aber auch Bäumen nach. "Vor 100 Jahren sah man vom See aus keinen Baum, heute sieht man viele", sagte Schiller. In den vergangenen Wochen war der Rathauschef massiven Vorwürfen ausgesetzt gewesen, da fast zeitgleich Bäume für große Bauprojekte am Ort gefällt sowie Sicherungsmaßnahmen am Kienbach durchgeführt worden waren. "Das war für manche zu viel", so Schiller.

Ein Aufreger: Von diesem gefällten Baum in Herrsching zeugt nur noch ein Stumpf. (Foto: Nila Thiel)

Dem Ruf nach einer Baumschutzverordnung erteilte er eine Absage. Bis 2018 hatte Herrsching eine solche Verordnung. Der Gemeinderat habe sie aufgehoben, da sie rechtlich veraltet gewesen sei. Einen Neuerlass dieses "zahnlosen Tigers", der viel Aufwand verursacht habe, lehnte laut Schiller der Gemeinderat ab. In den vergangenen drei Jahren ihrer Gültigkeit seien 150 Fällungen pro Jahr beantragt worden. Etwa 20 seien abgelehnt worden. Es habe "eine Handvoll" gerichtlicher Klagen dagegen gegeben, "wir haben nur eine gewonnen", erinnerte sich Schiller und folgerte: "Wer private Interessen daran hat, einen Baum zu fällen, findet immer Mittel und Wege."

Angesichts des enormen Siedlungsdrucks und der hohen Grundstückswerte würde viel im Innenraum verdichtet - Bäume stünden im Weg und dürften nach dem Grundsatz "Baurecht vor Baumschutz" ganz legal weichen. Das gelte auch bei öffentlichen Bau- und Straßenprojekten. Bei den derzeitigen Fällungen hätte "selbst mit der schärfsten Baumschutzverordnung kein einziger Baum gerettet werden können".

Statt zusätzlicher Verordnungen will Schiller nach eigenen Worten Anreize für Baumschutz zu schaffen. So soll der Arbeitskreis Umwelt Alternativen ausarbeiten. Bürger könnten beispielsweise Zuschüsse für Baumpflege erhalten oder bei Neupflanzungen mit jeweils 100 Euro unterstützt werden.

Schiller hatte auch Fotos von alten Pappeln, Kastanien und Weiden mitgebracht. Im Vorjahr habe die Gemeinde 53000 Euro in Baumpflegearbeiten investiert. Bäume hätten jedoch eine begrenzte Lebenszeit. Sei diese erreicht, sei eine Fällung unumgänglich. 2020 hatte es 14 Fällungen gegeben, 2021 waren es 46. Und dann seien auch noch die Biber am Ammersee aktiv. Im Vorjahr fällten sie 46 Bäume. Die Gemeinde indes habe in den vergangenen beiden Jahren mehr als 60 Bäume gepflanzt mit Kosten zwischen 800 bis 3000 Euro je Exemplar.

In der kommenden Gemeinderatssitzung am Montag, 21. März, 19 Uhr, in der Martinshalle stellt eine Fachfirma das neue digitale Baumkataster der Gemeinde vor. In einer Ratssitzung im April werden die Maßnahmen am Kienbach erläutert.

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