Inklusion im Landkreis Starnberg:Mühsamer Weg zur Barrierefreiheit

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Der Starnberger Seebahnhof ist für Rollstuhlfahrer eigentlich nicht zugänglich. Ein Lift fehlt - und so bleibt nur der beschwerliche Weg über die Treppe. Ohne fremde Hilfe ist das nicht zu schaffen. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Franz Xaver Fuchs)

S-Bahnhöfe ohne Aufzug, Bushaltestellen mit Höhenunterschieden und zu schwere Rathaustüren: Noch immer gibt es für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Handicap im Alltag viele Hürden zu überwinden. Dabei waren für viele Bereiche bereits Verbesserungen versprochen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Feldafing

Ob Apotheke, Arztpraxis, Geschäfte oder Poststation: Oft befinden sich vor der Eingangstüre Stufen, die für Menschen mit Gehbehinderung nur schwer oder gar nicht bewältigt werden können. Auch Bürgersteigabsenkungen fehlen vielerorts. Die Schaffung einer barrierefreien Infrastruktur gehört daher auch im Landkreis Starnberg zu den obersten Ziel in den Gemeinden. So zum Beispiel auch in Feldafing.

Die dortigen Gemeinderätinnen Sybille Härtl (Grüne) und Nandl Schultheis (CSU) hatten 2021 beantragt, dass im Haushalt jährlich 25 000 Euro zur Verbesserung der Barrierefreiheit eingestellt werden. Wie Bauamtsmitarbeiter Markus Niebler damals feststellte, können mit diesem Etat maximal vier Bürgersteigabsenkungen finanziert werden. Das Fazit im Rahmen einer Ortsbegehung mit erster Bestandsaufnahme war allerdings: Der Etat ist auf jeden Fall besser als nichts. Ein Jahr danach legte Maximilian Mayer, der Behindertenbeauftragte im Starnberger Landratsamt, eine Bilanz vor.

Auch bei manchen Lokalen muss man erst einmal eine Schwelle überwinden - so wie hier am Tutzinger-Hof-Platz in Starnberg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nach Mayers Angaben haben insgesamt 14 300 Landkreisbürger ein Handicap - das sind immerhin rund zehn Prozent. Daher sollte eine barrierefreie Infrastruktur vor Ort seiner Meinung nach oberste Priorität haben. Im Jahr 2017 ist ein Aktionsplan für den Landkreis erstellt worden, der eine Bestandsaufnahme für die Landkreisgemeinden enthält - und Vorschläge zur Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen.

In den Rathäusern ist der Wille oft da, doch es fehlt am nötigen Geld für Umbauten

Vielerorts ist in den Rathäusern auch der Wille für Verbesserungen da, doch oft es fehlt an Geld. Da es keine konkreten Ausbaupläne gibt und die Gemeinden ihre Ziele selbst festlegen, würden die Vorhaben oftmals aus finanziellen Zwängen verschoben, erklärte der Behindertenbeauftragte. Dies sei beispielsweise beim barrierefreien Ausbau der ÖPNV-Bushaltestellen der Fall. Das Projekt sollte laut Mayer schon im Januar 2022 fertig sein. Davon ist der Landkreis aber noch weit entfernt. Etwa 25 Prozent aller Menschen mit Handicap sind gehbehindert und haben auch kein Auto. Dennoch sind nach Angaben des Behindertenbeauftragten nicht einmal zehn Prozent aller Haltestellen im Landkreis barrierefrei. "Da haben wir noch einen weiten Weg vor uns."

Die Bushaltestellen im Landkreis sollen seit Anfang des Jahres eigentlich alle barrierefrei sein. Doch vielerorts brauchen Rollstuhlfahrer noch immer Hilfe beim Einsteigen. (Foto: Nila Thiel; .)

Mayer schlägt eine Prioritätenliste vor. Zunächst sollten Knotenpunkte und Haltestellen mit hohem Fahrgastaufkommen ausgebaut werden. Wie der Feldafinger Rathauschef Bernhard Sontheim feststellt, fehlt aber oft auch ein barrierefreier Einstieg in den Bus. Deshalb hat das Landratsamt nun einen Flyer für Busfahrer entworfen mit Tipps, wie sie beim Ein- und Aussteigen konkrete Hilfestellung geben können. Auch die Notfallmappen wurden vom Landratsamt überarbeitet und in leichter Sprache verfasst. Darüber hinaus wurde eine Broschüre erstellt mit Jugendzentren, die barrierefrei zugänglich sind und eine Liste mit barrierefreien Wohnraumangeboten. Vor dem Hintergrund, dass es generell an bezahlbarem Wohnraum fehlt, ist die Nachfrage nach behindertengerechten Wohnstandards besonders hoch.

Eine Broschüre listet die barrierefrei zugänglichen Jugendzentren auf. Mitunter werden Jugendliche auch kreativ, etwa mit selbstgebauten Legorampen. (Foto: Nila Thiel)

Das Angebot von Behindertentoiletten ist ebenfalls gering. Nach Angaben von Bürgermeister Sontheim gibt es in Feldafing keine öffentlichen Toiletten. Im Rathaus und im Strandbad stehen lediglich halb-öffentliche Toiletten zur Verfügung, die nur zu den Öffnungszeiten zugänglich sind. Der Vorschlag, wonach Universaltoiletten mit Wickeltisch gebaut werden könnten, hat laut Gemeindeleiter Peter Englaender einen Haken: Öffentliche Toiletten seien oft verschmutzt und könnten dann von Menschen mit Behinderung nicht benutzt werden. Auch bei der Umsetzung von Bürgersteigabsenkungen gibt es Probleme. Je nach Art der Behinderung sind unterschiedliche Höhen erforderlich.

Vor einem Jahr ist in Feldafing festgestellt worden, dass die historische Rathaustüre sehr schwer ist und von Rollifahrern sowie Menschen mit Rollator oder Kinderwagen nicht geöffnet werden kann. Ein automatischer Türöffner fehlt allerdings bis heute. Der Rathauschef hat das Problem immerhin erkannt: "Wir wissen jetzt, dass es in Feldafing Verbesserungsbedarf gibt."

Für Menschen mit Handicap im Landkreis wird im Juli eine inklusive Disco angeboten und im August ein inklusiver Segel-Schnupperkurs im Münchner Yacht-Club in Starnberg.

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